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Hubschrauber: Warum langes "warmlaufenlassen"?


Gyps_ruepelli

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Hallo in die Runde,

 

Wenn man so wie ich mal in der Nähe eines Krankenhauses gewohnt hat, dann kennt man den dortigen regen Hubschrauberverkehr. Und was ich dann immer beobachte ist, dass Hubschrauber die Turbine und auch den Rotor etliche Minuten laufen lassen, bevor sie tatsächlich starten. Hat jemand hier eine Ahnung, woran das liegt? Braucht die Turbine so lange zum Hochlaufen? Warum muss dann der Rotor schon mitdrehen? Oder hat das andere, vielleicht "medizinische" Gründe (man wartet noch auf einen Sanitäter etc.)? Würde mich mal brennend interessieren.

 

Allen schon mal im Voraus vielen Dank, die sich die Mühe machen zu antworten.

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Da der Rotor über das Getriebe an der Turbine hängt muss er mitlaufen.

Und ja, einerseits muss die Turbine erst im Leerlauf warmlaufen und dann der Rotor auf Drehzahl kommen, das dauert ein Paar Minuten.

Ebenso nach der Landung, kann man nicht sofort die Turbine abschalten.

 

Das fällt bei einem Helikopter so stark auf, bei einem Flugzeug werden die drei Minuten während des Rollens verwendet.

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...und dann kommt es noch daruf an, ob umd wenn ja welche Checklisten abgearbeitet werden müssen. Das kommt einmal auf das Muster, aber auch auf den Betreiber an, der zusätzlich checks vorschreiben kann. Wenn du mach dem "Warmlaufen" gleich abheben farfst gehts schneller, als wenn dann noch ein pre take-of-check abgearbeitet werden muss

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Hat jemand hier eine Ahnung, woran das liegt? Braucht die Turbine so lange zum Hochlaufen? Warum muss dann der Rotor schon mitdrehen? Oder hat das andere, vielleicht "medizinische" Gründe (man wartet noch auf einen Sanitäter etc.)? Würde mich mal brennend interessieren.

 

Hubschrauber, bei denen der Rotor an einer frei laufenden, eigenen Turbine hängt, können binnen 30 Sekunden in der Luft sein. Da muss der Rotor nicht die ganze Zeit mit drehen. Dort, wo der Rotor direkt an einer Welle hängt, dauert es lange, weil schon das ganze Gewicht beschleunigt werden muss, auch wenn die Turbine noch keine nennenswerte Leistung bringt, zumindest ab dem Punkt an dem man spätestens einkoppeln muss.

 

Dauern wird bei einem normalen Start vermutlich einfach das abarbeiten der Check-Listen zwischen anlassen und abheben.

 

Gruß

Thomas

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Hubschrauber, bei denen der Rotor an einer frei laufenden, eigenen Turbine hängt, können binnen 30 Sekunden in der Luft sein. Da muss der Rotor nicht die ganze Zeit mit drehen. Dort, wo der Rotor direkt an einer Welle hängt, dauert es lange, weil schon das ganze Gewicht beschleunigt werden muss, auch wenn die Turbine noch keine nennenswerte Leistung bringt, zumindest ab dem Punkt an dem man spätestens einkoppeln muss.

 

Dauern wird bei einem normalen Start vermutlich einfach das abarbeiten der Check-Listen zwischen anlassen und abheben.

 

Gruß

Thomas

Da muss ich korrigierend eingreifen: Wenn die Kernturbine zu laufen beginnt, beginnt sich auch die Arbeitsturbine mitzudrehen, sobald diese dem Gasstrahl genug Drehmoment entnehmen kann (vulgo, genug, um die Reibungswiderstände zu überwinden), Freilaufturbine hin oder her. Letzteres besagt nur, dass diese nicht mechanisch mit der Hauptwelle gekoppelt ist.

 

Natürlich haben Hubis eine Rotorbremse, aber erstens ist die nicht arretierbar und daher nicht in der Lage, den Rotor mit laufender Turbine still zu halten (ausser, der Pilot hängt ständig am Hebel und der hat besseres zu tun - jedenfalls bei den Helis, die ich kenne), zweitens hat das die Arbeitsturbine nicht sonderlich gerne, drittens bezweifle ich, dass die Bremse stark genug dazu ist - das Ding ist eigentlich nur dazu da, nach dem abstellen der Turbine den Rotor innert nützlicher Frist zum Stillstand zu bringen. Und viertens machst du damit den wichtigsten (und bereits erwähnten) Grund zunichte; Getriebe + Schmiersystem ('Öl') auf Betriebstemperatur zu bringen. Diesen Systemen im kalten Zustand volle Leistung aufzulasten gibt massive Abzüge im Ansehen der Technikergilde und ist nur zu empfehlen, wenn man in einem Kriegsgebiet ist und der Heli bereits die ersten zusätzlichen Lüftungslöcher, Kaliber 0.5 Zoll aufweist.

 

Fazit: deine Aussage, wonach der Rotor nicht zwingend mitlaufen muss, ist zwar theoretisch korrekt, aber in der Praxis nicht von Belang.

 

Den Motor unabhängig vom Rotor anlassen, können nur Kolbenschüttler vom Schlage eines R22/R44, dies mittels einer Kupplung, die nichts anderes ist, als eine Riemenspanner zwischen Motorabtrieb und Eingang des Umlenkgetriebes. (von dieser Aussage ausnehmen muss ich Systeme, welche à la ATR eine Turbine als APU nutzen. Leider kann ich jetzt mangels ausreichender Typkenntnis kein Modell nennen, bei dem so etwas umgesetzt wurde).

 

Nach dem Landen dient das laufen lassen übrigens dem gegenteiligen Zweck: im Gegensatz zu Flächenflugzeugen landen Helis praktisch mit maximaler Leistung (das Ding muss ja schweben...), daher muss der Antriebstrakt noch einen Moment im Leerlauf 'runterkommen', bevor man ihn abstellt. Ansonsten drohen Spannungsrisse und Hitzestau/Brandgefahr.

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Danke allen schon mal bis hier für die Antworten. Ich muss aber nochmal nachfragen, weil ich ein bisschen verwirrt bin von den Antworten. Ist es jetzt bei Hubschraubern gängigerweise so, dass der Rotor direkt mit der Turbine verbunden ist, sprich: Sie immer drehen muss, wenn die Turbine läuft (das würde ja bedeuten, dass man die Turbine unter Last starten müsste) oder gibt es eine Kupplung, vergleichbar der im Auto? Sieht dann das Verfahren so aus, dass man erst die Turbine startet, sie hochlaufen lässt und dann den Rotor quasi einkuppelt oder hängt der Rotor (evtl. über ein Untersetzungsgetriebe) direkt an der Turbine und kann nicht ausgekuppelt werden?

 

Ich meine mal irgendwann gehört zu haben, dass alle Arten von Wärmekraftmaschinen nicht gut unter Last angefahren werden können, deswegen ja auch Kupplung und Getriebe im Auto.

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Hm, wie erkläre ich das jetzt am besten... :)
 
Eine Heliturbine ist immer als Zweiwellenturbine aufgebaut (wüsste nicht, dass das jemals anders gebaut wurde). Wir haben folglich auch 2 Turbinen im klassischen Sinn. Eine sitzt im Gasgenerator. Dies ist vom Prinzip her (wie bei einem Turboprop) ein kleines Strahltriebwerk nach klassischem Aufbau: Verdichter, Brennkammer, Turbine, welches einen heissen Gasstrahl produziert. Dahinter sitzt die Arbeitsturbine, in diesem Fall eben eine 'reine' Turbine, welche diesem Gasstrahl thermische und kinetische Energie entzieht, sie in mechanische Energie umwandelt und damit den Rotor antreibt.

 

Diese Arbeitsturbine ist als sogenannte Freilaufturbine ausgeführt, das heisst, sie ist mechanisch NICHT mit dem Gasgenerator gekuppelt, sondern bloss dynamisch, also über den Frischgasstrahl. Mit dem Rotor hingegen ist sie fix verbunden. Ich muss dazu mal ganz kurz ein Schema verlinken, welches das Prinzip verdeutlicht:

http://blog.aopa.org/helicopter/wp-content/uploads/2013/02/Picture123.jpg

In der Grafik ist links der Gasgenerator gelb dargestellt, rechts davon ist in oranger Farbe die Arbeitsturbine mit Getriebe und Abtriebswelle ersichtlich. Das zeigt, dass einerseits der Gasgenerator unabhängig von den Massen des Rotors hochdrehen kann, er also beim Anlassen kaum unter Last steht. Andererseits beginnt die Arbeitsturbine natürlich beim geringsten Gasstrom Drehmoment an die Welle abzugeben, wodurch der Rotor zeitnah mit zu drehen beginnt. Man kann das mit einer dynamischen (z.B. Visco-) Kupplung eines Automatikgetriebes an einem PKW vergleichen. Dort wird in der Regel Öl verwendet, bei einem Turboshaft ist im Prinzip das heisse Gas die Kupplung. Der Unterschied; das Auto ist beim anlassen (idealerweise) gegen wegrollen gesichert, beim Heli stört das nicht, wenn der Rotor beginnt mitzudrehen, bzw. ist das, wie in meinem obigen Post erwähnt, sogar erwünscht.

 

Dieses Beispiel soll nur das Prinzip der Freilaufturbine erklären, der Rest des Aufbaus mit dem Rotor ist hier aus Platzgründen nicht eingezeichnet. Dieser ist aber mechanisch fix mit der 'orangen' Welle gekoppelt. Leider habe ich dazu kein erklärendes Schema gefunden, welches den ganzen Antriebstrang darstellt.

 

Was erzähle ich - am besten lernt man durch YouTube :P Hier ein Start up am Beispiel eines Bell Jet Rangers. Am Anfang hört man ein Ticken, das ist die Zündung. Dann beginnt der Gasgenerator hochzudrehen. Zirka bei Sekunde 10 zündet dann die Brennkammer, was an der Geräuschveränderung deutlich zu hören ist (dumpfes 'röhren' setzt ein und der Hochlauf beschleunigt sich deutlich). Der Rotor beginnt aber bereits vorher sich mitzudrehen, jedoch etwas verzögert zum Gasgenerator (ca. ab Sekunde 5). Am besten achtest du auf den Heckrotor, da ist es deutlicher zu sehen.



Wie du aber siehst, reden wir dabei von sehr geringen Drehzahlen. Die dabei übertragenen Leistungen sind noch sehr gering.

Eine Kupplung im herkömmlichen Sinn besitzen nur Helis mit Kolbenmotor. Im Gegensatz zu einer Turbine, welche relativ langsam hochläuft, dreht ein Kolbenmotor mehr oder weniger 'sofort' mit dem Anlassvorgang mit Leerlaufdrehzahl. Der Anlasser des Motors wäre aber gar nicht in der Lage, die Masse des Rotors so schnell zu beschleunigen, bzw. würde das im Falle eines kräftig genug konzipierten Anlassers der Antriebsstrang nicht überstehen.

Im konkreten Fall, hier am Beispiel eines Robinson R44 erklärt, sieht eine solche Kupplung so aus:

 

https://www.atsb.gov.au/publications/investigation_reports/2004/AAIR/images/aair200401917_007.jpg

 

Unten sitzt der Motor, darüber die Hauptwelle. Diese sind mit mehreren parallelen Keilriemen miteinander locker (!) verbunden. Das heisst, nach dem anlassen dreht bloss die Riemenscheibe am Motor, die Riemen schleifen darauf. Die 'Kupplung' erfolgt hierbei dann schlicht durch langsames anspannen der Keilriemen.

 

Soviel mal zur heutigen Lektion Hubschraubertechnik. Als Hausaufgabe lernt ihr bitte.... nein, Spass beiseite ;) Wenn noch mehr Fragen sind, oder etwas unklar ist, dann bitte jederzeit fragen!

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Wow, danke für die ausführliche Erklärung! Jetzt sind mir die Verhältnisse wirklich sehr viel klarer geworden. Das Problem war, dass ich das Konzept der Freilaufturbine nicht kannte. Die Idee dahinter ist natürlich simpel aber über das Prinzip hatte ich nie nachgedacht. Jetzt glaube ich auch zu verstehen, wie es zum Beispiel die ATRs schaffen können, eines ihrer Triebwerke zur Stromerzeugung zu nutzen, ohne dass der Propeller sich dabei dreht. Ich habe heute morgen echt was gelernt!

 

Existiert zwischen Gasgenerator und Arbeitsturbine denn irgendeine Art von Ventil, mit dem man die Anströmung der Arbeitsturbine steuern und so die Drehzahl des Propellers bzw. Rotors regulieren kann? Oder hat der Rotor konstante Drehzahl und seine Wirkung wird dann nur durch Schwenken der Nabe oder Verstellen der Blätter reguliert?

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Bin kein Heli Experte, aber alle großen Offshore und SAR Hubschrauber die ich kenne haben eine Rotorbremse.

Als Beispiel:

 

Sea King, Sea Lynx, S76, S92, EC225 und AW139.Der brandneue AW189 besitzt eine APU, und keine Rotorbremse.

 

Einige von denen können sogar beide Triebwerke mit stehendem Rotor betreiben.

Also, die Grundform einer Rotorbremse wird auch der AW189 haben, sonst bringt man den Rotor ja gar nie mehr zu stehen. Oder ist das dort irgendwie anders gelöst? Weil selbst ein popeliger R44 dreht ungebremst bis zu einer Viertelstunde nach. Aber du hast recht, ich war etwas zu sehr auf die mir geläufigen Hubschrauber fokussiert. Als Schweizer sind das naturgemäss eher die kleinen, Sorte 'fliegender Maulesel' und weniger die grossen 'Airliner' unter den Helis. Letztere sind im Gebirge für die Tonne :)

 

Hamma auch wieder was gelernt :)

 

Der Hauptgrund die Triebwerke abkühlen zu lassen ist die Gefahr von Ölverkokung.

Stimmt, das hatte ich noch vergessen.

 

Existiert zwischen Gasgenerator und Arbeitsturbine denn irgendeine Art von Ventil, mit dem man die Anströmung der Arbeitsturbine steuern und so die Drehzahl des Propellers bzw. Rotors regulieren kann? Oder hat der Rotor konstante Drehzahl und seine Wirkung wird dann nur durch Schwenken der Nabe oder Verstellen der Blätter reguliert?

 

Bei den einfacheren Konstruktionen ist da nichts was man als Ventil bezeichnen könnte, es kann aber sein, dass es grosse Turbinen gibt, deren Leitschaufeln vor der Turbine verstellbar sind. Normalerweise wird die Leistung über die Drehzahl des Gasgenerators gesteuert, also einfach mehr 'Gas gegeben'. Oder, um genau zu sein, wird es jetzt kompliziert :)

 

Ich müsste jetzt auch wieder mal einen meiner Helikollegen fragen, wie das im Detail funktioniert. Meine eigene Flugerfahrung auf den Dingern beschränkt sich auf eine knappe Stunde Stick-time... Was ich aber noch zu wissen glaube: Der Rotor muss zwingend immer in einem relativ engen Drehzahlband laufen. Alles, was der Steuerung des Heli dient, (hoch, runter, vorwärts, rückwärts, seitlich), wird über die Blattverstellung gesteuert. Der Rotormast selber ist starr.

 

Die dafür notwendige Leistung wird bei den meisten Helis automatisch gesteuert. Als Beispiel: stehe ich am Boden und möchte abfliegen, erhöhe ich mittels Drehgriff die Leistung so lange, bis der Rotor die notwendige Drehzahl hat. Ziehe ich jetzt am collective pitch (der Hebel links neben dem Sitz), erhöht sich der Anstellwinkel der Rotorblätter, Auftrieb und Widerstand wird erzeugt. Dabei steigt die Torque, also das Drehmoment auf der Rotorwelle ebenfalls an, wodurch wiederum 'mehr Gas gegeben' werden muss. In der Regel macht das die Automatik selbsttätig. Das man dies 'von Hand' machen musste, kann bei sehr alten Mustern vorgekommen sein, ist aber heute definitiv nicht mehr üblich.

 

Wichtig dabei ist, dass die Torque niemals den maximal zulässigen Wert überschreitet, bzw. im umgekehrten Fall die Rotordrehzahl niemals unter einen bestimmten Wert fällt. Also, das hängt zusammen und ist immer die Folge von zu geringer Leistungseinstellung. Das Problem ist, wenn dieser Fall eintritt entwickelt der Antrieb selbst unter Volllast nicht mehr genug Leistung, um die Drehzahl wieder in den grünen Bereich zu bekommen. Respektive wenn doch, würde die Strömung an den Rotorblättern abreissen. Das Resultat ist das Selbe: aus dem Heli wird Fallobst :(

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