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Wo Hase und Ryanair sich gute Nacht sagen


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Bitte nicht anfangen zu streiten, ist nur lustig geschrieben, deshalb poste ich ihn hier, nicht um irgendjemanden zu ärgern!!!!

 

Quelle NZZ

 

Abseits von Ballungsgebieten und den grossen Verkehrsströmen schreibt der ehemalige Militärflughafen Hahn im Hunsrück als Drehscheibe für Billigflieger, Umschlagplatz für Luftfracht und als Ersatz-Airport für Frankfurt regionale Wirtschaftsgeschichte. Politikern liefert er ein willkommenes Argument: Hahn mache es möglich, in Frankfurt auf Nachtflüge zu verzichten. Ko. Hahn, im November

Erfolgsstorys werden in der deutschen Wirtschaft nur noch selten geschrieben. Doch wer sich bei der rheinland-pfälzischen Landesregierung in Mainz nach dem Stand der Umwandlung der von Amerikanern und Franzosen verlassenen Militärbasen in zivile Projekte erkundigt, dem wird zuallererst der Name Hahn genannt. Hahn heisst ein Dorf nahe der Hunsrück-Höhenstrasse, die Koblenz mit Trier und Saarbrücken verbindet. Hahn gab einer US Air Base den Namen. Frankfurt-Hahn nennt sich inzwischen der zivile Flughafen, der das Erbe des Luftwaffenstützpunkts antrat. Zwar versuchte die Lufthansa, der ungeŠliebten Konkurrenz im Billigfliegerbereich die ihrer Ansicht nach missverständliche Destinationsbezeichnung zu untersagen. Die Richter aber waren anderer Meinung. Denn zu den Anteilseignern zählt seit drei Jahren die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport AG, die hoch oben auf dem Hunsrück-Kamm das Management übernommen hat. Die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Hessen haben überdies den Antrag gestellt, beide Airports, Deutschlands Nr. 1 vor den Toren Frankfurts und den Ableger in über 100 km Entfernung, zu einem Flughafensystem zu verknüpfen. Ein Ja aus Berlin und Brüssel hätte viele Vorteile.

Neubauten auf dem alten Stützpunkt Die US-Soldaten, die vor zehn Jahren die raue, unwirtliche Hunsrück-Landschaft verliessen, verbanden noch einen anderen Namen mit ihrem ehemaligen Stützpunkt. Lautzenhausen, im Slang der GI «Lousy Housing», heisst der Ort in unmittelbarer Flughafennähe. Er gleicht, obwohl unverändert bewohnt, inzwischen einem Geisterdorf. Andreas Helfer, einer der beiden Geschäftsführer der Flughafengesellschaft, macht sich einen Spass daraus, seine Gäste über die Hauptstrasse zu führen, vorbei an Lolas Bar, am Terminal Sex und anderen, einst fragwürdigen Etablissements, die Kampfpiloten und Bodenpersonal das triste Soldatenleben versüssten. Nur die Schilder hängen noch, das Innere hält längst nicht mehr, was die Reklame von einst verspricht, und so manche Scheune im Hinterhof dient wieder ihrem ursprünglichen Zweck. Auf dem Flughafengelände nebenan haben Abrissbirnen und Planierraupen in den letzten Jahren ganze Arbeit geleistet. Nach und nach verschwinden die Betonhangare für die F-16-Jagdbomber. «Wir reissen ab und bauen neu», sagt Helfer. Für die Soldatenunterkünfte, Depots und Büros liessen sich kaum neue Mieter finden, und der Unterhalt der leer stehenden Häuser erwies sich als zu teuer. 100 Millionen Mark investierte der Flughafen im Jahr 2000 in neue Gebäude für Fluggesellschaften, Logistikunternehmen und eine Flugzeugwerft.

Bald wird nichts mehr so sein wie früher. Vor drei Jahren noch diente das ehemalige Offizierskasino als provisorisches Abfertigungsgebäude für die wenigen Fluggäste. Die Passagiere wurden von dort quer über den früheren Stützpunkt per Bus direkt aufs Rollfeld gefahren. Inzwischen ist Hahn ein Flughafen der kurzen Wege. Im schmucklosen, funktionalen Terminal ist alles vorhanden, was eine Abfertigungshalle braucht: acht Check-in-Schalter, drei Abflug-Gates, vier Sicherheitskontrollstellen und zwei Gepäckausgabebänder, Restaurants und Geschäfte. Zu ebener Erde schreiten die Passagiere bis zu den Gangways. Die Maschinen kommen so nahe an den Terminal heran, dass sogar die Busse eingespart werden konnten. Low Cost heisst die Devise, denn nur mit ihr konnte der Einstieg ins Billigflug-Geschäft gelingen. Billigflüge als Erfolgsrezept

Alle reden vom Wachstum. Doch der Hunsrück-Airport kann es wirklich vorweisen. Ein zweiter Terminal ist bereits im Bau. Ende September bereits wurde der millionste Fluggast in diesem Jahr gezählt. Bis zum Jahresende rechnen die Manager mit rund 1,5 Millionen – keine sonderlich aufregende Zahl im Vergleich mit den herkömmlichen Flughäfen. Doch 2001 brachte man es auf gerade einmal 450 000 Passagiere, im Jahr davor auf 380 000. Der Bann ist gebrochen. Billigfliegen ist in. Die Zahl derer, die bereit seien, für einen innereuropäischen Flug viel Geld auszugeben, sei massiv gesunken, sagt Helfer. Den Verantwortlichen kam ein Zufall zu Hilfe. Geld verdient der Flughafen Hahn bis heute mit dem Frachtgeschäft. Ein paar Ferienflüge nach Mallorca kamen hinzu. Doch zum selben Zeitpunkt, da sich der Airport für das Passagiergeschäft zu interessieren begann, beschloss Ryanair, die «low fares airline», wie sie sich selber nennt, ins Deutschlandgeschäft einzusteigen. Dem Billigflieger von den Britischen Inseln verdankt Hahn den Erfolg. «Mit Ryanair haben wir den Durchbruch geschafft», gibt Andreas Helfer unumwunden zu. Von Hahn aus werden mittlerweile 14 europäische Ziele angeflogen. Stockholm, Girona in Katalonien, Forli bei Bologna und Rom-Ciampino sind neu im Angebot.

Politische Widerstände sind im schwach besiedelten Hunsrück kaum zu befürchten. Im Gegenteil. Eine 500 Mitglieder zählende Initiative «Bürger für Hahn», der anzugehören für Politiker aller Parteien nachgerade Pflicht ist, wirbt für den Ausbau. Die dennoch vorhandenen Flughafengegner verfolgen vergleichsweise bescheidene Ziele. Sie wettern gegen Nachtflüge. Doch gerade sie wären für die Erweiterung des Cargo-Bereichs so wichtig. Bald – so die Vermutung – gebe es in Deutschland wohl ausser Hahn keinen Airport mehr, der nachts noch geöffnet sei. Auch im Flughafen Köln/ Bonn, der gerade erst mit grossem Aufwand ins Billigflug-Geschäft eingestiegen ist, nachdem er als Regierungsflughafen ausgedient hat, sieht die Geschäftsleitung in Hahn keine ernst zu nehmende Konkurrenz. Die Billigflieger, die Köln/ Bonn anfliegen, befänden sich schon jetzt im ruinösen Wettbewerb. Hahn als Spielball der Politik

Für die Politik ist Hahn längst zum Vorzeigeobjekt geworden. Die Landesregierung in Mainz blickt voller Freude auf die Beschäftigtenzahl. In 100 Firmen und Betrieben am Flughafen sind schon jetzt über 1800 Mitarbeiter tätig. Prognosen verheissen für die nächsten Jahre einen Anstieg der Beschäftigtenzahl auf 5000 – das ist viel in einer Gegend, in der man nach dem Abzug der Amerikaner zum Broterwerb ins Rhein-Main-Gebiet oder in den Köln-Bonner Raum pendelte. Sogar das benachbarte Hessen hat unlängst zugesagt, ein Sechstel der Kosten für den Ausbau beizusteuern. Denn Ministerpräsident Koch in Wiesbaden braucht den Airport in Hahn dringend als Ausweichflughafen, um im Tausch für eine neue Landebahn in Frankfurt dort gleichzeitig das von allen Parteien geforderte Nachtflugverbot durchsetzen zu können. Die Fluggesellschaften, allen voran die Lufthansa, drohen zwar mit Prozessen. Dieselbe Lufthansa indes hofft, ihre Start- und Landerechte in Frankfurt mit dem Hinweis auf Hahn gegen unliebsame Konkurrenz verteidigen zu können. Auch den Frankfurter Flughafengegnern kommt Hahn als Argument gerade recht: Wenn der Flughafen im Hunsrück ausgebaut würde, brauche Frankfurt doch keine neue Landebahn mehr.

Die Wege nach Hahn freilich sind beschwerlich. Am besten eignet sich die Strassenverbindung. Rheinland-Pfalz und die Deutsche Bahn wollen für 30 Millionen Euro jetzt die Regionalbahnstrecke ausbauen. Doch eine Stunde wäre der Fluggast auch dann noch nach Mainz unterwegs. Eine Transrapid-Verbindung, von der Politiker bisweilen träumen, würde das Hundertfache kosten. So bleiben für viele Reisende die Busverbindungen nach Koblenz, Mainz, Frankfurt, Heidelberg, Trier und Luxemburg das zuverlässigste Transportmittel. Demnächst will ein Busunternehmer sogar bis Köln fahren. Sein Bus ist eindreiviertel Stunden unterwegs – eine Viertelstunde länger als das Flugzeug von Hahn nach Montpellier.

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