PHIRAOS Geschrieben 8. April 2003 Melden Geschrieben 8. April 2003 Hallo! Diese Winglets an den Flügelspitzen, wie sie beispielsweise Air Berlin und Hapag Lloyd an den 737-800 haben, dienen ja bekanntlich zur Kraftstoffersparnis. Mein WG-Mitbewohner wollte vorhin genau wissen, wie das Prinzip dieser Winglets funktioniert. Könnte mir das bitte mal jemand ausführlich erklären, auch Anhand von mathematischen Berechnungen und Beweisen. Irgendwelche Werte müssen sich ja unterscheiden zwischen Flugzeugen mit und zwischen welchen ohne Winglets. Vielen Dank für die Hilfe! gruß phil
DUS-Fan Geschrieben 8. April 2003 Melden Geschrieben 8. April 2003 Alle Flügelenden bei Flugzeugen werfen Wirbelschleppen. Diese entstehen dadurch, dass die Tragflächen gewölbt sind und somit ein Unter - Überdruck ensteht. Die Winglets, die ja bekantlich nach oben gehen, veringern die Wirbelschleppen, da der Unter- und Überdruck mehr gleichmäßiger "enden". Somit entstehen weniger Wirbelschleppen (die die Maschine bremsen) und so spart man mit einer erhöhten Geschwindigkeit mehr Sprit. Manchmal dienen die Winglets auch nur Aerodynamischen Dingen...
TXLGuido Geschrieben 8. April 2003 Melden Geschrieben 8. April 2003 Mathematische Berechnungen und Beweise ??? Also irgendwie werden die Ansprüche der "Fragen-Steller" in diesem Forum hier in letzter Zeit echt immer höher
a340-300 Geschrieben 8. April 2003 Melden Geschrieben 8. April 2003 Mir ist der Beweis per vollständiger Induktion leider auch gerade entfallen.
CATIII Geschrieben 9. April 2003 Melden Geschrieben 9. April 2003 Quote: "Also irgendwie werden die Ansprüche der "Fragen-Steller" in diesem Forum hier in letzter Zeit echt immer höher " Sei doch froh... Dann erfährst du von den Leuten, die sich auskennen, die technischen und/oder wirtschaftlichen Hintergründe und die Threads haben von Haus aus ein höheres Level.... Freue mich schon auf die professionellen Abhandlungen....
munich Geschrieben 9. April 2003 Melden Geschrieben 9. April 2003 Original erstellt von PHIRAOS Könnte mir das bitte mal jemand ausführlich erklären, auch Anhand von mathematischen Berechnungen und Beweisen. Irgendwelche Werte müssen sich ja unterscheiden zwischen Flugzeugen mit und zwischen welchen ohne Winglets. Ich hoffe mal, dass Dein Wunsch nicht als Scherz gemeint war! Im konkreten Fall mit Winglets / Wingtips habe ich kein Rechenbeispiel, da mir hierfür Daten, inwieweit sich die turbulente in laminare Luftströmung durch Winglets bzw. Wingtips am Ende Der Tragflächen verändert, ebenso fehlen, wie die C-Werte für Tragfächen. Fest steht jedoch, dass dieser Effekt aus der Biotik / Biotechnik (hier werden Dinge der Natur abgeschaut und wissenschaftl. verwertet) stammt. Diese Winglets / Wingtips wurden den Flügeln von Vögeln abgeschaut, bei denen oftmals an den Schwingen die äußeren Federn gespreizt sind. Bei Versuchen im Windkanal mit Modellen stellte man fest, dass durch diese Endfedern der Strömungswiederstand gesenkt werden konnte, was auf Grund der geänderten Strömungsbedingungen zustande kam. Ähnlich verhält es sich mit der Haifischhaut, dessen Profil ebenfalls bei Tragflächen zum Einsatz kommt oder den nachfolgend beschriebenem Flugstaub auf den Flügeln von Schmetterlingen. Welche Wirbelbildung und sogenannte Totzonen entsteht, kannst Du auf nachfolgendem Bild sehen. Die physikalische(n) Grundlage(n) hierfür ist eine korrelation zwischen Strömungswiderstand, der Kármánsche Wirbelstraße und dem Bernoulli-Effekt, sowie noch einigen anderen Dingen, was hier sicherlich erheblich zu weit führen würde. Der Strömungswiderstand bestimmt zum Beispiel die Stuktur von Golfbällen und ist auch der Grund für den Flugstaub auf den Flügeln eines Schmetterlings. Der Strömungswiderstand ist eine den Körper behindernde Kraft, die auftritt, wenn ein Objekt durch ein bestimmtes Fluid (Flüssigkeit oder Gas) bewegt wird, oder das Fluid selbst ihn umströmt. Die Gleichung für diese Kraft lautet: F = ½ · r · n2 · cw · A. Hierbei sind r die Dichte des umströmenden Fluids, n die relative Geschwindigkeit von Körper und Fluid, A die Fläche des Körpers und cw der sogenannte Widerstandsbeiwert, welcher eine körperspezifische Größe ist. Dieser gibt an, wie strömungsgünstig ein Hindernis ausgestaltet ist. Wie aus der Gleichung hervorgeht, ist für die Größe der Kraft im wesentlichen die relative Geschwindigkeit verantwortlich, weil sie mit der zweiten Potenz in die Gleichung eingeht. Wenn man nun den Strömungswiderstand minimieren möchte, um einen Körper mit möglichst geringem Energieaufwand möglichst schnell zu bewegen, muß man also versuchen, das Produkt aus Widerstandsbeiwert und der dem Fluid ausgesetzten Fläche zu verringern, da die Dichte kaum veränderbar ist. (Außer man ändert die Temperatur des Fluids, was aber meistens als Vorgabe besteht; siehe Lufttemperatur an Flughäfen. Eine weitere Änderung der Dichte entsteht im Beispiel Flugzeug natürlich auch mit der Höhe. Da die Höhe aber beispielsweise von der Flugsicherung vorgegeben ist, kann man vorstehende Behauptung als wahr annehmen.Dies erklärt auch die in einem anderem Thread gestellte Frage nach dem Zusammenhang zwischen Höhe der Runway und Startlaufstrecke des Flugzeuges.) Nun ist es nötig, zuerst das Strömungsverhalten von Körpern zu betrachten. Man unterscheidet dabei hauptsächlich laminare und turbulente Strömungen. Wirbelentstehung bei der Umströmung einer Kugel; hier kannst Du das anwachsen der Reynoldszahl mit der Zunahme von Turbulenzen sehen. Laminare Strömungen treten bei relativ geringen Reynoldszahlen (Re) auf. Die Reynoldszahl be- schreibt das Verhältnis von Trägheitskraft, welche im wesentlichen von der Geschwindig- keitsänderung abhängig ist, und der Reibungskraft, welche von der Viskosität eines Fluids hauptsächlich bestimmt wird; kurz: Die Reynoldszahl steht in diesem Fall stellvertretend für die Geschwindigkeit, da sie sich proportional zu ihr verhält. Vollständig laminare Strömungen umfließen einen Körper symmetrisch, wobei die einzelnen Schichten aneinander vorbeifließen und sich nicht vermischen. Der Strömungswiderstand ist dabei gering und besteht fast ausschließlich aus der Reibung zwischen den Molekülen des Fluids. Das Stokes-Gesetz beschreibt die Bremskraft durch die Reibung: F = 6 p r n r. Durch Gleichsetzen des Stockes-Gesetzes mit der Formel für die Widerstandskraft F = ½ r n2 cw A sieht man dass der Widerstandsbeiwert cw » 12 wird, für Re<100. Dies bedeutet also, daß bei Geschwindigkeitserhöhung dennoch der Widerstandsbeiwert mäßig sinkt, der Körper also strömungsgünstiger wird. Bei etwas größeren Reynoldszahlen (Re>100) lösen sich die Strömungen etwa in der Körper- mitte von dem Körper ab und verwirbeln hinter ihm. In einem bestimmten Geschwindig- keitsintervall bildet sich dann auch eine Kármánsche Wirbelstraße ( darauf komme ich später noch) aus. Der Strömungswiderstand steigt, da hinter dem Körper durch die Verwirbelungen ein sogenanntes "Totgebiet" entsteht. Dadurch sind die Druckverhältnisse vor und hinter dem Körper nicht mehr gleich; hinter dem Körper herrscht relativ zur Vorderseite ein Unterdruck, der ihn in seiner Vorwärtsbewegung bremst. Bei einer Betrachtung des Widerstandsbeiwerts fällt auf, daß dieser dabei relativ konstant bleibt. Bei weiterer Geschwindigkeitserhöhung wird dann ein weiterer kritischer Punkt erreicht. Er liegt bei den meisten Körpern bei Reynoldszahlen zwischen 2·105 bis 7·105. Ab diesem Punkt löst sich die Strömung turbulent vom Körper ab. Bei turbulenter Umströmung haftet allerdings die Strömung des Fluids länger am Körper, bevor sie sich ablöst, und bildet Verwirbelungen, deren Richtung nicht mehr vorhersagbar bzw. berechenbar sind. Das hat zur Folge, daß sich das Totgebiet hinter dem Körper verkleinert, und somit auch der Bereich, der hinderlich auf die Vorwärtsbewegung wirkt. Dies hat ein abruptes Absinken des cw - Werts zu seinem Minimum zur Folge. Dies bedeutet für einen Körper den strömungsgünstigsten Zustand. In der Natur wird dies zum Beispiel von bestimmten Vogelarten ausgenutzt, da dieses Absinken des Strömungswiderstandsbeiwerts das Aufsteigen in Luft für sie erheblich erleichtert. Das Gefieder jener Vögel ist so konzipiert, daß bei Erhöhung der Fluggeschwindigkeit dieser kritische Punkt erreicht wird, damit sie dann eine gewisse Flughöhe erreichen können. Ähnliche Bedeutung hat auch der Flugstaub des Schmetterlings, der die Strömungen über den Flügeln in Turbulenz versetzt, damit er die Energie, die er in einen Flügelschlag investiert, am effektivsten nutzen kann. Nachahmungen finden sich in der Herstellung mancher Produkte, die sich durch die Luft oder durch das Wasser bewegen müssen, zum Beispiel der Golfball, welcher ohne seine Strukturierung nicht so weit fliegen würde. Das Verhalten des cw-Werts in Abhängigkeit zur Reynoldszahl am Beispiel eines Zylinders Der cw - Wert ist abhängig von der Form eines Körpers, aber er ändert sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Interessant ist dieses Verhalten auch bei der Betrachtung des Strömungs- verhaltens von Fahrrädern. Beim Fahrradfahren gehen bei Geschwindigkeiten zwischen 15 bis 30 km/h etwa 60 bis 80% der kinetischen Energie durch Luftreibung, welche der Fahrer als Luftwiderstand verspürt, verloren. Diese muß durch entsprechenden Kraftaufwand auf die Pedale wieder ersetzt werden, um eine relativ konstante Fahrgeschwindigkeit beizubehalten. Der Luftwiderstand ist auch bei dieser Betrachtung nur durch eine Minimierung des cw · A - Wertes zu reduzieren. Aus Messungen erhielt man für ein Standardrad bzw. "Hollandrad" Werte um 0,6 m² mit aufrecht sitzendem Fahrer. Durch eine gebückte Haltung des Fahrers konnte jener Wert noch auf etwa 0,45 m² verringert werden. Nun ergaben solche Messungen bei langen Liegerädern, die im Alltag verwendet werden, je nach Ausstattung des Rads und Haltung des Fahrers Werte von 0,36 bis 0,49 m². In Anbetracht der Tatsache, daß die meisten Personen keine extrem gebückte Haltung beim Radfahren einnehmen, scheint ein Liegerad vom Strömungsverhalten her wesentlich günstiger. Allerdings besitzen Rennräder mit Straßenausstattung ebenfalls die für lange Liegeräder spezifischen Werte; Triathlonrennräder übertreffen sie sogar mit 0,27 m². Es gibt auch kurze Liegeräder, welche bei speziellen Rennen gefahren werden. Bei diesen reduziert sich das Produkt von Widerstandsbeiwert und der der Luft- strömung ausgesetzten Fläche auf 0,25 m². Doch dort ist man schon an die Grenzen der Optimierung geraten. Eine weitere Verbesserung läßt sich nur noch durch eine Vollverkleidung um ein kurzes Liegerad erreichen. Mit einer solchen Vollverkleidung werden Räder auch wieder von laminaren Strömungen umgeben statt mit turbulenten, die sonst schon bei sehr geringen Fahrgeschwindigkeiten vorkommen. Das modernste Liegerad mit Vollverkleidung "Vector 003" hat nur noch einen cw · A - Wert von 0,03 m². Mit diesem sind Geschwindigkeiten von über 120 km/h erreichbar. In den Vorstellungen mancher Wissenschaftler und Zukunftsexperten stellen sie auch eine Alternative für den zukünftigen Stadtverkehr dar, da sie bequem zu fahren und regensicher sind. Nun aber, wie oben angedeutet, zur Kármánsche Wirbelstraße. Bei bestimmten Strömungsbedingungen entsteht hinter einem Körper, der durch ein Fluid bewegt wird, eine Kármánsche Wirbelstraße. Diese Wirbelstraße besteht aus zwei Reihen von Wirbeln mit entgegengesetztem Drehsinn, die sich abwechselnd oben und unten am Körper ablösen. Theodore von Kármán (geboren am 11.5.1881 in Budapest, gestorben am 6.5.1963 in Aachen), ein ungarischer Ingenieur und Mathematiker, entdeckte diese Wirbelstraße 1911 und wies ihre Existenz auch mathematisch nach. Eine photographische Aufnahme der Wirbelstraße hinter einem runden Zylinder, der durch Wasser gezogen wird, zeigt Abbildung 1, während Abbildung 2 die prinzipielle Struktur veranschaulicht: Abb.1: "Kármánsche Wirbelstraße" Abb.2: Strukturbild der Wirbelstraße Wird ein Zylinder oder ähnlich geförmter Körper (z.B. eine Kugel) umströmt, bilden sich bei Reynolds-Zahlen zwischen 4 und 40 im Totwassergebiet zwei stationäre Wirbel mit entgegengesetztem Drehsinn aus. Die Reynolds-Zahl ist eine dimensionslose Kennzahl für den Strömungszustand: Steigt die Strömungsgeschwindigkeit oder sinkt die Viskosität des Fluids, nimmt die Reynolds-Zahl zu. Strömungen mit gleicher Reynolds-Zahl sind sich ähnlich. Mathematisch ist die Reynolds-Zahl definiert als wobei c für die Strömungsgeschwindigkeit, n für die kinematische Viskosität und L für die charakteristische Ausdehnung des Körpers (bei Zylindern der Durchmesser) steht. Steigt die Strömungszahl weiter an (40 < Re < 10.000), können sich diese Wirbel nicht mehr an dem Körper halten, und es löst sich abwechselnd oben und unten ein Wirbel ab, während sich der Wirbel auf der anderen Seite neu bildet. Aufgrund dieser abwechselnden Wirbelablösung ändert sich auch die Strömungsrichtung um den Zylinder periodisch. Durch diese Kräfte kann der umströmte Körper selbst zum Schwingen angeregt werden. Entspricht nun die Wirbelablösefrequenz an dem Körper seiner Eigenfrequenz, können die Kräfte, die periodisch auf ihn wirken, sich immer weiter verstärken, bis der Körper dadurch zerstört wird. Die Wirbelablösefrequenz einer Kármánschen Wirbelstraße läßt sich nach folgender Formel berechnen: wobei St die Strouhal-Zahl, f die Wirbelablösefrequenz, U die Umströmungsgeschwindigkeit und d der Durchmesser des Zylinders ist. In einem Bereich von 100 < Re < 200.000 kann man näherungsweise St = 0,2 setzen, da die Strouhal-Zahl hier ziemlich konstant bleibt. Die Kármánsche Wirbelstraße ist ein weitverbreitetes Strömungsmuster, das sich in vielen Fällen ausbildet und die Erklärung für ganz verschiedene, alltägliche und außergewöhnliche Phänomene darstellt. Nun möchte ich noch kurz auf den Satz des Bernoulli eingehen, da dies die Voraussetzung ist, warum Flugzeuge überhaupt fliegen. Wohl jeder hat schon selbst erlebt, daß bei starkem Sturm ein Regenschirm "umklappen" kann, und zwar nach oben. Auf den ersten Blick erscheint das unlogisch: eigentlich müßte der Wind die Schirmfläche doch herunterdrücken. Warum also klappt bei Sturm der Schirm nach oben? Betrachtet man einmal die Strömung auf der gewölbten Oberseite, so kann man sich leicht vorstellen, daß die Luft hier durch einen engeren Querschnitt strömen muß, als vor oder hinter dem Schirm. Umströmung eines Regenschirms bei Sturm (schematisch) Ganz ähnlich muß sich die Luft beispielsweise in einem Rohr verhalten, das eine Querschnittsverengung besitzt Abb.: Rohr mit Querschnittsverengung Man kann nun davon ausgehen, daß die Luft inkompressibel ist, d.h. eine konstante Dichte hat. Dann ist es offensichtlich, das in gleichen Zeitintervallen gleiche Volumina durch jeden Rohrquerschnitt strömen müssen. Diese sogenannte Kontinuitätsgleichung besagt, daß die Geschwindigkeit in einem engen Strömungsquerschnitt höher sein wird, als in einem weiten. (Durchfahrt also in Zukunft Autobahnbaustellen, die einen Fahrstreifen sperren, einfach doppelt so schnell, dann bildet sich kein Stau.http://www.smiliemania.de/smilie.php?smile_ID=282) An der Verengung muß die Luft also beschleunigt werden. Daraus kann man schließen, daß im weiten Querschnitt ein höherer Druck herrschen muß als im engen. Verschiebt man beispielsweise ein bestimmtes Luftvolumen im Bereich des weiten Querschnitts, so muß dazu folgende Arbeit gegen den dort herrschenden Druck p geleistet werden: Ebenso im engen Querschnitt: Die Differenz zwischen diesen beiden sogenannten Druckenergien ist gerade die kinetische Energie, die zum Beschleunigen der Luft an der Verengung genutzt wird: Dies läßt sich auch als Differenz der kinetischen Energie, die das Luftvolumen jeweils vor bzw. hinter der Verengung besitzt, ausdrücken: Daher lassen sich die beiden Ausdrücke gleichsetzen: Der Satz des Bernoulli lautet: Sehen wir ihn uns einmal genauer an: p ist der statische Druck. Er entsteht aufgrund der Teilchenbewegung und wirkt gleichmäßig in alle Richtungen. ist der dynamische Druck oder Staudruck. Wie der Name schon sagt, wirkt er nur in Strömungsrichtung. Der Satz des Bernoulli besagt also, daß die Summe aus dynamischem und statischem Druck, der sogenannte Gesamtdruck, immer konstant ist. Was heißt das nun für unseren Regenschirm? Über seiner gewölbten Oberseite ist gewissermaßen der Strömungsquerschnitt geringer (siehe Abb.1); die Geschwindigkeit muß also nach der Kontinuitätsgleichung höher sein als vor oder hinter dem Schirm. Es wird demnach dort ein höherer dynamischer Druck herrschen. Da nun nach dem Satz des Bernoulli der Gesamtdruck stets konstant ist, muß der statische Druck hier relativ niedrig sein. Entscheidend ist nun, daß der Staudruck nur in Strömungsrichtung wirkt, also an der engsten Stelle, wo er sein Maximum erreicht, überhaupt keine Kraft auf die Schirmfläche ausübt, während der in alle Richtungen, also auch auf die Schirmfläche wirkende statische Druck hier geringer ist als der unter dem Schirm herrschende Normaldruck. Dieser wiederum drückt nun den Schirm nach oben. Der umklappende Schirm ist aber nur eine von vielen auf den ersten Blick unerklärlichen und doch alltäglichen Erscheinungen. So werden z.B. die Vorhänge vor einem offenen Zugfenster bei fahrendem Zug immer nach außen geweht. Bei starkem Sturm werden Hausdächer regelrecht nach oben gehoben. Der Bernoulli-Effekt ist auch verantwortlich dafür, daß Vögel und Flugzeuge, vom Segelflieger bis hin zum Jumbo, überhaupt fliegen können. Sieht man sich die Tragfläche eines Flugzeugs im Schnitt an, so erkennt man, daß das Flügelprofil unten mehr oder weniger gerade, auf der Oberseite aber gewölbt ist. Oben wird die Luft also schneller strömen, der dynamische Druck wird größer und der statische geringer sein als an der Unterseite. Das Flugzeug wird also gewissermaßen nach oben gesogen. Propeller und Hubschrauberrotoren sind ähnlich profiliert und arbeiten auf gleiche Weise. Ein weniger bekannter Effekt ist der, daß sich entgegenkommende Schnellzüge gegenseitig ansaugen können, wenn die Gleise zu wenig Abstand haben. In Wasser gibt es ganz ähnliche Phänomene: es kommt z. B. vor, daß sich Schiffe, die parallel fahren, aneinander ansaugen. An Kanälen werden häufig Schäden dadurch verursacht, daß die Schiffe sich aufgrund des geringen Strömungsquerschnitts zwischen Schiffsboden und Kanalgrund an letzteren ansaugen. Tragflügelboote (nicht Luftkissenboote!) nutzen den Bernoulli-Effekt auf ganz ähnliche Weise wie Flugzeuge, indem sie sich mit Hilfe ihrer unter dem Rumpf angebrachten Flügel aus dem Wasser heben und so schneller fahren können. Zum Schluß sei noch eine verblüffende "Anwendung" des Bernoulli-Effekts aus dem Tierreich genannt. In Nordamerika leben die Präriehunde. Sie graben tiefe Bauten mit je zwei Ausgängen in den Boden, in denen etwa 10-15 Tiere leben. Lange Zeit war nicht klar, wie sie die Sauerstoffversorgung sicherstellen, denn durch normale Konvektion ist dies nicht möglich. Der Trick: Um einen der Ausgänge ist ein kleiner Wall aufgeschüttet. Der Wind strömt nun in absoluter Bodennähe etwas langsamer als in der Höhe, in die der Turm hineinragt. Höhere Strömungsgeschwindigkeit, geringer statischer Druck, Sogwirkung, Luftaustausch gesichert, Präriehund lebt... Das ist lebendige Physik! Quellen: Martin Mahrla, Jan Hendrik Peters, Jan Lyczywek [ Diese Nachricht wurde geändert von: munich am 2003-04-09 10:45 ]
Mapel Geschrieben 9. April 2003 Melden Geschrieben 9. April 2003 nett! Erinnert mich irgendwie an die Tafel nach einer Physikstunde
PHIRAOS Geschrieben 9. April 2003 Autor Melden Geschrieben 9. April 2003 Hallo! @munich: Herzlichen Dank für die ausführliche und deutliche Erklärung. Mein Mitbewohner dankt Dir auch recht herzlich. Deine Erklärung hat mich übrigens an meine Fluidmechanik-Vorlesungen erinnert. Ich habe selber vier Semester lang Maschinenbau studiert, musste mein Studium dann aber wegen "zu doof" abbrechen. gruß phil
munich Geschrieben 10. April 2003 Melden Geschrieben 10. April 2003 Freut mich, wenn ich weiterhelfen konnte PHIRAOS - auch wenn es Deine Frage nicht genau beantworten konnte. Ist bei mir auch schon eine Eeewigkeit her und mußte mir den Krempel zusammensuchen. Übrigens hat der Abruch Deines Maschinenbaustudiums nichts mit zu doof zu tun - ist einfach nicht jedermanns Sache. Außerdem wird der Stoff - wie auch bei anderen naturwissenschaftlichen Fächern einfach auch besch.....eiden gelehrt. Man müsste den Studierenden einfach mehr Praxisbezug geben. Deshalb auch die Beispiele mit den Prairiehunden, Autobahnstau (hier zeigt sich eben, dass Theorie und Praxis manchmal ziemlich weit auseinander klaffen), Golfball, etc.. Mich faszienieren diese Zusammenhänge immer wieder - und auch wenn man nicht an konkreten Berechnungen interessiert ist kann das Betrachten von Kurven etc. vieles verdeutlichen. Überhaupt finde ich Bionik eine faszinierende Wissenschaft, eben weil da deer Praxisbezug gegeben ist. Wird erfreulicherweise heute ganz anders praktiziert, als zu meiner Zeit und hat sich, soweit ich weiß zu einem eigenem Studiengang entwickelt. Um nochmals auf Deine Frage zurückzukommen, hab ich noch 2 Links zu Studienarbeiten bezüglich Wirbelschleppen. Dieses Thema ist im gewissen Sinn mit Deiner Frage eng verknüpft. 1.178 KB http://www.sla.maschinenbau.tu-darmstadt.d...k_I_(VL-06).pdf 981 KB http://www.wb-on.de/Galerie/Wiss/sa-wirbel.pdf Viel Spass!
Empfohlene Beiträge
Archiviert
Dieses Thema ist jetzt archiviert und für weitere Antworten gesperrt.