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Lufthansa prüft Kosten im Europaverkehr


Gast WeißBlau

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Gast WeißBlau
Geschrieben

Aus der SZ vom 15.7.03

 

München – Lufthansa arbeitet mit Hochdruck an der Verbesserung ihres Europa-Geschäftes. Oberstes Ziel sei es, dort wieder Geld zu verdienen, sagt Christoph Klingenberg, der das Projekt betreut. Voraussichtlich im Herbst wird es erste Lösungen geben, die den Erlösverfall bremsen und die Stückkosten senken sollen.

 

 

Das vom neuen Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber auf den Weg gebrachte Vorhaben ist dringlich. Immerhin macht die Fluggesellschaft etwa die Hälfte ihres Umsatzes auf den europäischen Strecken. Der Erlösverfall in diesem so genannten Kontverkehr wird durch die schwache Konjunktur und das Vordringen der Billiganbieter aber beschleunigt. Lufthansa produziere zu teuer, um im Europaverkehr konkurrenzfähig zu sein, sagt Klingenberg in der hausinternen Zeitschrift für das Cockpit- und Kabinen-Personal der Lufthansa. Sie habe im Vergleich zu den Billiganbietern deutlich höhere Kosten. Jede einzelne Kostenart werde deshalb genau geprüft.

 

 

Der Experte kritisiert, dass die Fluggesellschaft bisher „sehr komplex produziert“ habe, um möglichst allen Kunden ein optimales Produkt zu bieten. Kunden, für die das „optimale Produkt“ das preisgünstigste ist, könne Lufthansa mit ihrer bisherigen Produktionsweise nicht bedienen, ohne Verlust zu machen, sagt er. Deshalb müsse sich die Fluggesellschaft stärker als bisher auf diese Passagiere einstellen. Sie könne von den Billiganbietern lernen, ohne gleich ein Einheitsprodukt ohne Service anzubieten. „Damit würden wir unsere ertragsstarken Kunden verlieren und unser Markenpremium aufzehren“, sagte Klingenberg unlängst auch in der Mitarbeiterzeitung Lufthanseat .

 

 

Er drängt vor allem darauf, Prozesse zu verändern. So werde beispielsweise das Luftverkehrs-Drehkreuz Frankfurt so geplant, dass die Umsteigezeit für die Passagiere möglichst kurz ist. Dies habe den Effekt, dass die Flugzeuge – weil sie auf die Umsteiger warten – häufig mehr als eine Stunde am Boden verbringen, bis sie wieder starten. Billigflieger kommen laut Klingenberg nur mit der halben Zeit aus – sie haben keine Transitpassagiere. Für Lufthansa wäre es aus seiner Sicht kostengünstiger, den Umsteigestrom zu entspannen, die Verkehrsspitzen abzuflachen und damit auch den Flugplan zu entzerren. Dies hieße konkret, dass es in Frankfurt nicht wie bisher viermal am Tag eine Verkehrsspitze gebe, sondern öfter.

 

 

Ein wichtiges Thema ist die Produktivität der Flugzeuge, die steigen soll. „Derzeit fliegen unsere Flugzeuge acht Stunden, bei den Billiganbietern zehn bis zwölf Stunden pro Tag“, sagt Klingenberg. Es müsse beispielsweise am Boden Zeit eingespart werden, etwa durch schnellere Abfertigung. Außerdem müssten mehr Blockstunden (der Zeitpunkt vom Losrollen des Flugzeuges auf einem Flughafen bis zum Stillstand auf einem anderen) pro Tag geflogen werden.

 

 

Lufthansa könne in diesem Punkt nur begrenzt „die Schrauben anziehen“, sagt ein Unternehmenssprecher. Geltende Tarifverträge und ein weltweites Netz zusammenhängender Anschlussflüge verhinderten radikale Einschnitte. So ließe sich die Produktivität des bisherigen Flugbetriebs nur schwer über längere Arbeitszeiten der Piloten steigern. Lufthansa-Piloten dürfen derzeit pro Tag maximal zwölf Stunden am Stück fliegen. Das hat die Pilotenvereinigung Cockpit (VC) tariflich ausgehandelt. Nach allgemeinem deutschen Luftrecht könnten Fluggesellschaften ihre Piloten bis zu 14 Stunden täglich im Cockpit einsetzen.

 

 

Die zunehmende Konkurrenz durch Billigflieger zwinge die etablierten Fluggesellschaften, den gesetzlichen Rahmen weitgehend auszuschöpfen. Die Gewerkschaft VC kritisiert, dass die Arbeitsbelastung von Piloten steige. „Viele Piloten leisten derzeit, was gerade noch physisch möglich ist, ohne gegen die rechtlichen Grundlagen zu verstoßen“, sagt Carsten Reuter, Lufthansa- Kapitän und Mitglied der VC. Bei Zielen, an denen die Crew früher nach der Ankunft eine Nacht im Hotel blieb, würde jetzt häufig gleich wieder kehrt gemacht. Vor allem bei Langstreckenflügen mit Zeitunterschieden sei das eine Belastung.

 

 

Zwar stünden den Piloten innerhalb von sieben Tagen 36 freie Stunden zu. Doch weil das Gesetz grundsätzlich nur reine Flugzeiten regele, könne sich die Ruhezeit leicht mit Büroarbeit überschneiden. Hierzu gebe es keine expliziten Regeln. Nach Ansicht von Reuter entstehen dann hohe Sicherheitsrisiken, wenn Bürodienste und intensiv ausgenutzte Flugschichten über mehrere Wochen hinweg aufeinander folgen. Die effektive Arbeitszeit könne dann schnell 94 Stunden in einer Woche erreichen.

 

 

Billiganbieter seien vor diesem Hintergrund die riskanteren Fluggesellschaften, warnte die Europäische Pilotengewerkschaft ECA in der Vergangenheit immer wieder. Internen ECA-Umfragen zufolge müssten Piloten von Billiganbietern 25Prozent mehr fliegen als ihre Kollegen von den etablierten Unternehmen.

 

 

In zwanzig Minuten startklar

 

 

„Unsere Piloten haben zum Teil sogar wesentlich kürzere Arbeitstage“, widerspricht Ray Conway, Chefpilot der irischen Ryanair. Da nur kurze Städteverbindungen geflogen werden, bleibe die Belastung überschaubar. Vier Mal pro Tag sei ein Ryanair-Pilot etwa auf der Strecke Frankfurt/ Hahn–London/Stansted im Einsatz. Weil die Maschinen in zwanzig Minuten gereinigt und wieder startklar gemacht würden, sei die Arbeit effizienter. Letzte Zweifel beseitigt seiner Meinung nach ein Blick ins Gesetz. Das irische Luftrecht erlaube eine jährliche Maximalflugzeit von 900 Stunden. Das deutsche eine von 1000 Stunden.

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