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Interview mit Thomas-Cook-Chef Stefan Pichler


MiG MFI

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"Kein großer Reise-Veranstalter verdient derzeit Geld"

 

Thomas-Cook-Chef Stefan Pichler will die Kosten bei den Flugbetrieben weiter senken / Für 2004 erwartet er wieder steigende Nachfrage

 

Frankfurter Rundschau: Die Tourismusbranche steckt in der Krise. War die Pleite von Aero Lloyd nur ein Einzelfall?

 

Stefan Pichler: Ich bitte um Verständnis, die wirtschaftliche Lage von Wettbewerbern nicht beurteilen zu wollen. Ich kann nur feststellen, dass bei einem endgültigen Ausscheiden von Aero Lloyd insgesamt eine Kapazität von 20 Flugzeugen im deutschen Ferienflugverkehr verschwinden würde. Damit würde zumindest ein Teil der Überkapazitäten, die im deutschen Markt die Renditen drücken, abgebaut.

 

Und Thomas Cook verkauft einen Teil der Flotte und legt Flugbetriebe zusammen.

 

Richtig, wir bauen unsere Teilflotte von 13 Boeing 757-200 ab. Zusammen mit den 20 Flugzeugen der Aero Lloyd wäre das ein nicht unerheblicher Teil der zurzeit in Deutschland vorhandenen Überkapazität.

 

Und der Rest der Überkapazitäten?

 

Das kann sich auf zweierlei Art regeln - zum einen, indem der Markt wieder wächst, was mittelfristig sicherlich zu erwarten ist, da die vergangenen zwei Jahre eine historische Krise für die Touristik darstellten. Zum anderen ist zu erwarten, dass auch Wettbewerber ihre Kapazitäten anpassen werden.

 

Folgen also weitere Pleiten?

 

Wir machen es ja vor, dass Kapazitätsanpassung nichts mit Pleiten zu tun hat.

 

Durch die Zentralisierung der Flugbetriebe von Thomas Cook sollen 50 Stellen im Management wegfallen. Müssen die Beschäftigten mit weiteren Entlassungen rechnen?

 

Wir sind mitten in einer Restrukturierung des Gesamtkonzerns. Auch im Airline-Bereich. Wir gehen jetzt davon aus, dass wir mit dem Verkauf der 13 Boeing-Maschinen im deutschen Markt eine Größe erreicht haben, die unserer Marktbedeutung als Reiseveranstalter entspricht. Nach den Produktivitätsverbesserungen im Flugbetrieb wird als nächster Schritt die Harmonisierung der Flotte, also die Beschränkung auf weniger Flugzeugtypen, angegangen werden müssen. Das führt noch einmal zu einem Produktivitätsschub bei den Betriebskosten.

 

Warum reagieren die Konzerne erst mit deutlicher Verspätung auf die Krise?

 

Das trifft auf uns nicht zu. Wir haben bereits im vorigen Jahr sechs Flugzeuge aus unserer Flotte herausgenommen. Damit waren wir die Ersten. Wir haben auch als Erste in der Branche gleich nach dem 11. September 2001 Programme zur Kostenreduzierung eingeführt .

 

Aber warum herrschte so lange Blauäugigkeit in den Chefetagen?

 

Das gilt, wie gerade angeführt, gewiss nicht für uns. Ich gebe Ihnen aber generell Recht, dass die Touristikindustrie es als Sonnenscheinbranche - vom Erfolg verwöhnt für viele Jahre - psychologisch etwas schwerer hat, sich solchen veränderten Rahmenbedingungen zu stellen. Schließlich verkaufen wir Optimismus und Träume.

 

Und mancher Manager hat ein bisschen zu viel geträumt und vielleicht auch nicht gemerkt, dass die Kunden zunehmend individuelle Angebote wollten. Hat die klassische Pauschalreise - das wichtigste Geschäft der großen Konzerne - ausgedient?

 

Die Pauschalreise hat nach wie vor Zukunft. Sie wird weiterhin 80 bis 90 Prozent des Marktvolumens ausmachen. Sie wird sich aber stärker an die geänderten Bedürfnisse der Kunden anpassen und immer flexibler und individueller werden.

 

Aber gerade Spezialreisen - Sport-, Kultur- oder Studienreisen - haben ein immenses Potenzial. Kann ein großer Konzern mit dem Know-how kleiner Spezialanbieter überhaupt mithalten?

 

Natürlich sind Spezialisten in ihren Marktnischen im Vorteil. Deshalb bemühen wir uns, den Konzern Thomas Cook nicht als Riesentanker zu steuern, sondern als Verbund von Schnellbooten mit vielen, zum Teil hochgradig spezialisierten Einheiten.

 

Können sich die Kunden künftig nicht nur auf diversifizierte, sondern auch auf billigere Angebote freuen?

 

Es wird immer Schnäppchen geben, das ist klar. Aber man muss auch mal sagen, dass in Deutschland zurzeit Urlaubsreisen weit unter Wert verkauft werden.

 

Die Unternehmen legen drauf?

 

Es gibt in Deutschland derzeit keinen großen Veranstalter, der Geld verdient. Das kann kein Dauerzustand sein.

 

Viele Tourismus-Manager hoffen, dass die Konsumenten nun den Urlaub nachholen, auf den sie in den vergangenen zwei Jahren verzichtet haben. Kann dieser Mechanismus tatsächlich funktionieren?

 

Erholung kann man nicht nachholen. Wir denken aber, dass viele Urlauber, die in diesem Jahr wegen der starken Verunsicherung durch den Irak-Krieg und Sars nicht gereist sind, 2004 wieder an die Strände und in die Feriengebiete zurückkehren. Deshalb rechnen wir in Deutschland und in Europa mit einem moderaten Wachstum.

 

Experten gehen davon aus, dass die Branche mit externen Schocks etwa durch Terroranschläge leben muss. Wird dies auf absehbare Zeit ihre Renditen drücken?

 

Unsere Strategie ist, die Krisenresistenz durch eine flexiblere Produktion zu erhöhen. Das Thema lautet: Zugriff statt Eigentum. Deshalb investieren wir beispielsweise nicht direkt in den Bau von Hotels, sondern beteiligen uns an Finanzierungsgesellschaften. Auf diesem Weg haben wir die Kontrolle über viele Betten, ohne sie aber gleich substanziell im Eigentum zu halten.

 

Aber Risikominimierung bedeutet immer eine geringere Rendite.

 

Wenn man mit externen Faktoren leben muss, die man nicht beeinflussen oder vorhersehen kann, dann ist es wichtig, flexibel zu sein.

 

Thomas Cook wird im Geschäftsjahr 2002/03, das am 31. Oktober endet, erneut rote Zahlen schreiben. Wie lange machen das ihre Eigentümer, Lufthansa und Karstadt-Quelle, noch mit?

 

Ich kann nur sagen, dass unsere beiden Anteilseigener uns als strategisches Investment ansehen. Beide sind zu nahe am Geschäft, um nicht auch die Schwankungen und Widrigkeiten dieser Industrie nachvollziehen zu können.

 

 

INTERVIEW

Stefan Pichler machte sich schon in jungen Jahren einen Namen - und zwar als Marathonläufer. Er war Mitglied der deutschen Nationalmannschaft. Seine Managerkarriere begann beim Sportartikelkonzern Nike. 1989 wechselte er zur Lufthansa. Nach mehreren Zwischenstationen bei der Kranichgesellschaft übernahm Pichler Anfang 2000 den Posten des Vorstandssprechers der C&N Touristic. Das Unternehmen, das seit Mitte 2001 als Thomas Cook firmiert, ist hinter TUI die Nummer zwei der europäischen Reisebranche. Der Konzern, der jeweils zur Hälfte Karstadt-Quelle und Lufthansa gehört, erwirtschaftete im vorigen Geschäftsjahr mit 28000 Beschäftigten einen Umsatz von 8,1 Milliarden Euro. Mit Pichler sprach FR-Redakteur Frank-Thomas

Wenzel

 

 

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2003

Dokument erstellt am 24.10.2003 um 17:56:25 Uhr

Erscheinungsdatum 25.10.2003

 

[ Diese Nachricht wurde geändert von: MiG MFI am 2003-10-26 21:49 ]

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