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Leserbrief zu Merkur Artikeln bezüglich "Dornier-Jet"


belinea

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Geschrieben

Ein Kollege von mir mir schrieb einen Leserbrief an den Münchner Merkur den ich hier gerne veröffentlichen will:

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren Reporter und Redakteure,

 

ich bin seit nunmehr fast 30 Jahren Angestellter der Firma Dornier. Mit meinen Kolleginnen und Kollegen habe ich in diesem Zeitraum einiges auf die Beine gebracht. Nennen wir nur Alpha Jet, Do228, Do328, 328 Jet und jetzt den 728 Jet. Dies sind technische Meisterleistungen, auf die wir stolz sind und die wir uns nicht nehmen lassen. Das Schicksal hat es so gewollt, daß die Familie Dornier uns in andere Hände übergeben hat und sich eine Reihe von Managern bei uns versuchen durfte. Leider hatten die meisten keine Ahnung vom Flugzeugbau, in dem auch heute noch im Gegensatz zum Autobau Kleinserienbau mit anderen Gegebenheiten herrscht. Das bringt mit sich, daß die Automation dort weniger Raum greifen konnte und viele Arbeitsabläufe auch heute von hoch qualifizierten Fachkräften ausgeführt werden müssen. Für „eine schnelle Mark“ scheint der Flugzeugbau nicht geeignet, das mußten Daimler-Benz und auch CD & R lernen. Aber das hätten sie einfacher durch einen Blick über den Zaun haben können. Damit meine ich nicht nur unsere Konkurrenz im Regionalflugzeugbau, sondern auch Airbus. Der viel geschmähte FJ Strauß hat trotz seiner Fehler viel bewegt und Weitblick gezeigt. Mindestens 10 Jahre war Airbus eine Hungerpartie und bietet heute Boeing als ebenbürtiger Gegner Paroli. Ganz Europa ist stolz auf „seinen“ Airbus, auch wenn er in der Realität ein französischer Flieger ist, an dem wir Deutschen jedoch mit einiger Eigenverantwortung mitmachen dürfen. Fairchild-Dornier aber ist der einzige deutsche Entwicklungsbetrieb, der systemfähig ist und Passagierflugzeuge selbständig entwickeln, zulassen und in Serie bauen kann und darf. Mit dem 728 Jet haben wir das weltweit beste Flugzeug seiner Klasse geschaffen, das zugegebener Weise noch des Feintunings und der Erprobung und Zulassung bedarf. Maßgeschneidert mit Hilfe der Lufthansa und auf deren Belange können wir mit diesem Konzept nicht falsch liegen. Nur haben sich ein paar Manager dabei verrechnet, wieviel Zeit und Geld es kostet, dieses ja auch durch die Zulieferer europäische und transantlantische Projekt zum Laufen zu bringen. Alle technischen Fachleute haben immer wieder darauf hingewiesen, daß die Zeitpläne unrealistisch sind. Der Versuch, über gesteigerte Manpower diese einzuhalten, die Folgen des 11. September und ein Einfuhrstopp für bereits fertiggestellte und in der Fertigung befindliche Flieger nach China führten zur Insolvenz. Das ist schlimm und kann auch - aber muß nicht - zur Katastrophe führen. Die Zerschlagung der Firma ist sicher auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter Braun das letzte aller Mittel. Deshalb - mit Verlaub - kotzt es mich an, mit welcher Aasgeiermentalität die meisten Medien wie auch der Merkur berichten. Was glauben eigentlich Ihre Reporter und Redakteure, welche Wirkung Artikel wie am Freitag und am Samstag nach innen und außen haben? Sie, die angeblich so wichtigen und verantwortungsbewußten Journalisten schüren die Angst und sorgen mit dafür, daß kein Kunde mehr bestellt und das Personal davonläuft! Können sie sich ausmahlen, was den jungen Familienvater bewegt, der gerade sein Haus fertig hat? Mit 55 Jahren habe ich keine Illusionen mehr; denn falls der schlimmste Fall eintritt, wird es für mich Techniker keinen auch nur annähernd vergleichbaren Arbeitsplatz mehr geben. Da haben es Politiker und vielleicht auch Journalisten leichter. Ich führe ein kleines hochmotiviertes Ingenieurteam mit Mitarbeitern, die überwiegend um die 30 Jahre alt sind. Sie sind nur ein Beispiel für viele andere in dieser Firma, die in den letzten Jahren alles für die Projekte 328 Jet und 728 Jet gegeben haben. Aufgrund der Art der Berichterstattung fallen sie in ein großes Loch und es raubt nicht nur mir den Schlaf, in anbetracht dessen keine Hoffnung gebenden Argumente mehr zu finden. Ich habe eine ohnmächtige Wut auf die Götter in Wort, Bild und Schrift! Können wir Deutschen denn nicht ein wenig mehr positiv denken? Eine seriöse Zeitung sollte die Vorzüge unserer Firma und unserer Produkte hervorheben, sich sachlich über die Insolvenz und deren logische Folgen äußern und zum Ausdruck bringen, daß alles zu unternehmen ist, um unsere Fähigkeiten und Arbeitsplätze für Bayern, für Deutschland und für Europa zu erhalten! Nicht zu vergessen alle Zulieferer! Einem Manager, der in diesen Zeiten nicht davongelaufen ist und der mit uns kämpft gebührt mein Respekt; Thomas Brandt. Er hätte es verdient, sich nicht zweifelhafter Sensationspresse mit Halbwissen erwehren zu müssen, sondern deren Unterstützung zu erfahren! Ich bin überzeugt: Mit ein wenig Glück werden wir es schaffen!

 

Leider ist der Brief ziemlich lang geworden und traue ich Ihnen den Mut nicht zu, ihn ungekürzt zu veröffentlichen.

Geschrieben

Dieser Brief spricht wahrscheinlich allen Mitarbeitern aus dem Herzen.

 

 

Unten ein weiterer Artikel zu diesem Thema aus dem Münchner Merkur von heute:

 

Darin werden schwere Vorwürfe gegen Teile des Managements von FD erhoben, sogar der Vorwurf der Insolvenzverschleppung steht im Raum.

 

Es ist schon krass, wie unfähige Manager ein derart aussichtsreiches und zukunftsfähiges Unternehmen mit vollem Tempo an die Wand fahren lassen.

 

 

Fairchild: Durch Misswirtschaft in den Ruin

 

Chef des Aufsichtsrats zurückgetreten

 

Wird in Oberpfaffenhofen ein falsches Spiel gespielt? Mittlerweile mehren sich die Hinweise, dass den Verantwortlichen bei Fairchild-Dornier das drohende Aus längst bekannt gewesen sein muss.

 

Dennoch wurden Mitarbeiter eingestellt und Aufträge vergeben. Insolvenzverwalter Eberhard Braun sagte gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen": "Es fehlte eine nachhaltige finanzwirtschaftliche Führung und Kontrolle." Von einem "Armutszeugnis für Dornier-Investoren" ist weiter die Rede.

 

Was in der Region bereits die Spatzen von den Dächern pfeifen und der Betriebsratsvorsitzende Günter Pfeiffer schon seit Wochen anprangert, wurde jetzt auch von Eberhard Braun bestätigt. Nicht der 11. September sei für das Desaster bei Fairchild-Dornier verantwortlich, sondern eine unglaubliches Misswirtschaft. "Bei Fairchild-Dornier hatte das Management so wenig Überblick, dass am 2. April, dem Tag des Insolvenzantrags, noch 25 neue Mitarbeiter anfangen sollten", resümiert die FAZ.

 

Ein Ingenieur aus dem Badischen ist entsetzt. "Ich bin erst vor sechs Wochen mit meiner Familie hier hergezogen. Das hat mich mehrere tausend Euro gekostet." Heute ist er überzeugt, dass zum Zeitpunkt des Umzugs das drohende Aus längst bekannt gewesen sein muss. Ein untrügliches Zeichen dafür sei auch der Weggang des Finanzchefs Wolfgang Weiß gewesen. Er habe bereits Anfang 2002, ein halbes Jahr nach Dienstantritt, das Unternehmen verlassen. Vermutet wird, dass er die auswegslose Situation erkannt hat.

Sollte sich der Verdacht be-

stätigen, wird es für die verantwortlichen Geschäftsführer eng werden. Denn im Falle einer nachgewiesenen Insolvenzverschleppung werden sie persönlich für die Schäden haftbar gemacht. Wie berichtet, prüfen derzeit auch Gläubiger, ob eine Anzeige Aussicht auf Erfolg hat.

 

Wie ein Mitarbeiter bestätigte, hat Aufsichtsratsvorsitzender Chuck Pieper sein Amt inzwischen niedergelegt. Die Geschäftsführer Lou Harrington und Barry Eccleston waren vor einer Woche zurückgetreten. Vor Ort versuchen noch die Geschäftsführer Thomas Brandt und John Wolf zu retten, was zu retten ist.

 

ULI SINGER

Geschrieben

1) Dem Leserbrief kann man so zustimmen, er spricht damit wahrscheinlich vielen deutschen Unternehmern aus der Seele wenn er die Technikfeindlichkeit dieses Landes anspricht.

 

2) Gerüchte über Missmanagement hatte ich schon gehört, speziell bei der Materialplanung für die 328JET soll einiges im Argen liegen, hab gehört das da um die 500 Mio DM in Material vorhanden sein sollen.

 

Gruß

728JET

http://fly.to/rorders

Geschrieben

Berlinea, unser Kollege trifft den Nagel auf´m Kopf mit dem Leserbrief. Sehr gut.

Es ist doch immer wieder erstaunlich was die Presse jeden Tag für Unsinn berichtet, da von der Firmenleitung zu diesem Thema weder an die Mitarbeiter noch an andere Personen Auskunft gegeben wird, um eben die Rehe (mögliche Investoren) im Wald nicht zu verscheuchen.

 

 

[ Diese Nachricht wurde geändert von: Zulu am 2002-04-30 01:32 ]

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