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Ernst, sehr ernst sogar. Interview mit Michael Frenzel.


Gast Badmax

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Geschrieben

TUI-Chef Michael Frenzel über die Rolle seines Reisekonzerns als Spielball von Spekulanten und Investoren

 

 

 

SPIEGEL: Herr Frenzel, wann haben Sie erfahren, dass die US-Investmentbank Morgan Stanley im großen Stil TUI-Aktien aufgekauft hat und neuerdings mehr als zehn Prozent der Anteile hält?

 

Frenzel: Ich bekam die Information am Donnerstag vorvergangener Woche. Da erhielten wir eine schriftliche Mitteilung der Firma, die parallel dazu auch an die Finanzaufsicht ging. Wir haben daraufhin vergangene Woche innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist die Öffentlichkeit informiert. Es gab keinerlei Vorwarnung.

 

SPIEGEL: Was steckt Ihrer Ansicht nach hinter dem Überraschungscoup?

 

Frenzel: Ich kann dazu nichts Konkretes sagen, weil uns die Manager von Morgan Stanley über ihre Motive nicht aufgeklärt haben. Aber gewisse Vermutungen drängen sich schon auf.

 

SPIEGEL: Konkreter bitte!

 

Frenzel: Die TUI-Aktie hat allein seit Frühjahr über ein Drittel ihres Wertes eingebüßt. Mit dem operativen Geschäft, das gerade in den letzten Wochen sehr erfreulich anzieht, hat diese Entwicklung jedoch nichts zu tun. Hier läuft im Hintergrund offenbar ein Spiel, das nur ein Ziel hat: den Kurs unseres Papiers systematisch nach unten zu treiben.

 

SPIEGEL: Haben Sie dafür Belege?

 

Frenzel: Ich bin kein Staatsanwalt, der Beweise zusammenträgt. Aber die Indizien sind schon ziemlich eindeutig. Seit bekannt ist, dass die TUI im Herbst auf Grund der veränderten Zulassungsregeln womöglich aus dem deutschen Aktienindex Dax fallen könnte, wetten so genannte Hedge-Fonds in Scharen auf einen weiteren Verfall unseres Kurses. Da sind im Moment Riesenvolumina im Markt. Die Preise für solche kurzfristigen Spekulationsgeschäfte mit der TUI-Aktie sind steil nach oben geschossen. Durch das Paket, das Morgan Stanley sich gesichert hat, könnte sich diese Situation noch verschärfen.

 

 

 

DER SPIEGEL

SPIEGEL: Branchenkenner erwarten, dass die Investmentbanker die TUI-Papiere nur kurze Zeit halten wollen. Später könnte das Paket an einen großen Investor weitergereicht werden. Haben Sie eine Idee, wer dafür in Frage kommen könnte?

 

Frenzel: Klar ist ja, dass sich die WestLB von ihrem 31-prozentigen TUI-Paket trennen möchte. Nach unseren Informationen sind Finanzinvestoren vor allem an unserer Container-Sparte interessiert, von der wir im Lauf der zweiten Jahreshälfte bis zu 49 Prozent an die Börse bringen wollen. Sollte die Spekulation gegen unsere Aktie aufgehen und der Kurs weiter künstlich nach unten getrieben werden, bekäme ein potenzieller Aufkäufer das gesamte Touristikgeschäft zusätzlich zur Containerschifffahrt quasi zum Nulltarif dazu.

 

SPIEGEL: Wollen Sie den geplanten Börsengang Ihrer Logistikperle Hapag-Lloyd nun absagen?

 

Frenzel: Ich denke gar nicht daran, mich unter Druck setzen zu lassen. Für uns ist allein entscheidend, ob der Preis, den wir am Markt erzielen können, unseren Vorstellungen entspricht.

 

SPIEGEL: Vielleicht kommt es dazu ja gar nicht mehr, weil Ihr Konzern vorher von Eroberern auseinander genommen wird.

 

Frenzel: Ich werde sicher nicht tatenlos zusehen, wie Aufkäufer bei der TUI einsteigen und das Unternehmen dann zerschlagen.

 

SPIEGEL: Was planen Sie konkret?

 

Frenzel: Ich verrate auch dem SPIEGEL nicht meine Gegenstrategie. Aber ich bin lange genug im Geschäft, um zu wissen, was jetzt zu tun ist.

 

SPIEGEL: Kritiker orakeln, auch die TUI könne ein Interesse daran haben, die Übernahmegerüchte anzuheizen. Das stimuliere den Kurs und sichere eventuell den Klassenerhalt im Dax, was den Wert weiter stabilisieren würde.

 

Frenzel: Es gehört schon viel Phantasie dazu, uns eine derartige Über-Bande-Taktik zu unterstellen. Nein, wir wollen mit Zahlen überzeugen, nicht mit Phantasien.

 

SPIEGEL: Im vergangenen Sommer gab es schon einmal Übernahmespekulationen. Damals hieß es, der Logistikkonzern Kühne & Nagel oder die Milliarden-Erben des Hamburger Kaffeerösters Tchibo wären an einem Einstieg interessiert.

 

Frenzel: Damals gab es lediglich Gerüchte. Diesmal ist klar, dass Morgan Stanley mindestens zehn Prozent unserer Anteile erworben hat. Eine Erklärung zu diesem Vorgang wird mir verweigert. Deshalb nehmen wir die Sache ernst, sehr ernst sogar.

 

SPIEGEL: Sie haben damals die Investmentbank Goldman Sachs gebeten, einen Abwehrplan auszuarbeiten. Heute betreuen die Banker den geplanten Börsengang Ihrer Tochterfirma Hapag-Lloyd, obwohl Analysten desselben Hauses die Geschäftsaussichten für die Containerschifffahrt vor wenigen Tagen äußerst negativ bewertet haben. Wäre es nicht besser gewesen, andere Berater auszuwählen?

 

Frenzel: Goldman Sachs gilt als eine der ersten Adressen für solche Kapitalmarkt-Transaktionen. Gleichwohl halte ich die Einschätzung ihrer Research-Abteilung für falsch.

 

INTERVIEW: DINAH DECKSTEIN

 

 

© DER SPIEGEL 32/2004

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