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Boeing-Chef Stonecipher - "Weil wir besser sind, okay?"


Gast Jörgi

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Geschrieben

DIE WELT: Herr Stonecipher, warum haben Sie den Streit mit Airbus um die Flugzeugsubventionen ausgerechnet während des US-Wahlkampfs vor die Welthandelsorganisation gebracht?

 

Stonecipher: Wir haben das schon im März aufs Tapet gebracht, nicht erst im September. Es ärgert mich, wenn mich die Leute ignorieren. Bislang hat noch kein Vertreter der Europäer erklärt, daß er ein neues Abkommen verhandeln wolle.

 

DIE WELT: Welche Lösung würden Sie gerne sehen?

 

Stonecipher: Die Starthilfen für neue Flugzeuge müssen abgeschafft werden, die Steuervorteile können bleiben, weil sie von beiden Seiten in Anspruch genommen werden können. Die Abschaffung der Starthilfen wird Airbus' Konkurrenzfähigkeit aber überhaupt nicht einschränken. Die bauen jetzt schon mehr Flugzeuge als wir und sind sehr profitabel. Die können zu jeder Bank in der Welt gehen und sich Geld leihen.

 

DIE WELT: EADS hat Ihnen vorgeworfen, daß Sie mit dem Herumreiten auf dem Subventionsthema nur von Ihren eigenen Problemen ablenken wollen?

 

Stonecipher: Glauben Sie das?

 

DIE WELT: Es geht nicht darum, ob ich das glaube, sondern ob die Menschen in Europa das glauben.

 

Stonecipher: Die meisten Europäer haben nicht damit gerechnet, daß wir das Thema vor die WTO bringen würden. Die meisten Europäer verstehen gar nicht, worum es in der Vereinbarung von 1992 überhaupt geht.

 

DIE WELT: Airbus sagt, daß Boeing die Subventionen einbeziehen muß, die die japanische Regierung an Boeings Zulieferer zahlt.

 

Stonecipher: Auf dem Zuliefermarkt herrschen weltweit die gleichen Wettbewerbsbedingungen. Wir haben Zugang zum selben Zuliefernetz. Wenn die Europäer ein Problem mit Japan haben, sollen sie mit den Japanern reden.

 

WELT: Und was ist mit den Steuererleichterungen, die Ihnen der Bundesstaat Washington gewährt?

 

Stonecipher: Die kann jeder bekommen, der dort Teile für die Luftfahrtindustrie produziert. Das hat EADS jüngst selbst einem Senator im Kongreß verdeutlich. Ich glaube, sie wünschten jetzt, daß sie das nie herausgestellt hätten. Washington hat die Steuern zwar gesenkt, wir zahlen aber noch immer Millionen an Steuern. Wieviel Steuern zahlt Airbus in Hamburg und in Toulouse?

 

DIE WELT: Boeing sieht sich Vorwürfen wie Industriespionage und Korruption ausgesetzt. Ist das ein "kulturelles" Problem?

 

Stonecipher: Das glaube ich nicht. Wir haben das Problem trotzdem so behandelt, als ob wir ein kulturelles Problem hätten. Viele fragen, warum wir alle jedes Jahr aufs Neue einen Verhaltenskodex unterschreiben, wenn zwei, drei Leute etwas falsch gemacht haben. Die Antwort ist einfach: Weil ich jeden Mitarbeiter an Bord holen will. Jeder soll sich auf den anderen verlassen können.

 

DIE WELT: Für Boeing steht einiges auf dem Spiel. Der 20-Milliarden-Dollar-Tankerauftrag für die US Air Force zum Beispiel.

Stonecipher: Ich bin sicher, daß wir den Auftrag bekommen.

 

DIE WELT: Airbus, der einzige Konkurrent, hat keine Chance?

 

Stonecipher: Ich glaube nicht, daß Airbus das einzige andere Unternehmen ist, das in der Lage wäre, ein solches Produkt zu bauen.

 

DIE WELT: Wer wäre der Dritte?

 

Stonecipher: Lockheed natürlich. Bei dem britischen Tankerauftrag hat Airbus die Kurve übrigens noch immer nicht gekriegt.

 

DIE WELT: Boeing hat bis zum Schluß nicht damit gerechnet, daß Airbus den Auftrag bekommen wird.

 

Stonecipher: Sie haben den Auftrag noch nicht bekommen.

 

DIE WELT: Aber das grundsätzliche O.K.. Nur die Details müssen noch ausgearbeitet werden.

 

Stonecipher: Wie bitte?

 

DIE WELT: Sie glauben doch nicht, daß die britische Regierung irgendwann sagt, oh, Airbus ist offenbar doch inkompetent.

 

Stonecipher: Die sind natürlich überhaupt nicht inkompetent. Das habe ich nie über Airbus gesagt. Und ich kenne das Unternehmen schon seit meiner Zeit bei General Electric.

 

DIE WELT: Warum glauben Sie dann, daß Airbus niemals den Tanker-Auftrag der US-Luftwaffe bekommen wird?

 

Stonecipher: Weil wir besser sind, okay?

 

DIE WELT: Aber Ihre Boeing 767 ist ein alter Flieger.

 

Stonecipher: Die 767 ist kein altes Flugzeug. Wovon reden Sie?

 

DIE WELT: Die Konstruktion ist viel älter als beim Konkurrenzmodell von Airbus.

 

Stonecipher: Na und? Sie reden von der Konstruktion, aber die Technik ist nicht veraltet. Warum hat uns die US-Luftwaffe vor zwei Jahren den Auftrag denn zunächst überhaupt gegeben?

 

DIE WELT: Damals konnte niemand ahnen, daß Boeing in einen Vergabeskandal verwickelt war.

 

Stonecipher: Dann sagen Sie also, es geht nicht um Flugzeug-Design, sondern um ein ethisches Problem?

 

DIE WELT: Keine Ahnung. Ich gucke mir das Ganze nur von oben an und stelle Fragen.

 

Stonecipher: (lacht) Um die Frage zu beantworten: EADS wird den Auftrag nicht bekommen.

 

DIE WELT: Weil Sie das bessere Produkt haben?

 

Stonecipher: Genau.

 

DIE WELT: Warum hat sich die britische Regierung dann gegen Boeing aber für Airbus entschieden?

 

Stonecipher: Sie sagten, sie wollten "Best Value for Money". Was heißt das? Wir konnten den Auftrag über den Preis nicht gewinnen.

 

DIE WELT: Hat Boeing Airbus unterschätzt?

 

Stonecipher: Wenn man 30 Jahre zurückblickt, haben Sie Recht. Aber keineswegs in den vergangenen 10, 15 Jahren. Die Frage ist aber, hätte Airbus das auch geschafft, wenn es alles selbst finanziert hätte.

 

DIE WELT: In Wahrheit ist doch Boeings relativ alte Flotte das Problem. Seit die B777 vor 14 Jahren auf den Markt kam, gab es kein neues Flugzeug mehr.

Stonecipher: Die überarbeitete B737 kam 1996 auf den Markt. Noch immer unser meistverkauftes Flugzeug. Jetzt entwickeln wir die besonders sparsame B7E7. Das ist es, was der Markt verlangt. Es ist interessant: Kaum hatten wir die Maschine vorgestellt, sagte die Konkurrenz gleich, sie sei überflüssig.

 

DIE WELT: Das hat Boeing über die A380 auch gesagt.

 

Stonecipher: Ich habe gesagt, daß der Markt für einen solchen Typ nicht groß genug ist. Wir sehen eine Nachfrage nach 400 Maschinen. Airbus rechnet aber mit 1500 in den kommenden 20 Jahren. Die Zeit wird zeigen, wer Recht hat. Wenn die Nachfrage steigen sollte, werden wir ein neues großes Flugzeug bauen.

 

DIE WELT: Wie? Einen Konkurrenten zur A 380?

 

Stonecipher: Wenn wir glauben, daß der Markt 1500 Maschinen will, werden wir eine große Maschine bauen.

 

DIE WELT: Die Wachstumsmärkte im Nahen und Fernen Osten glauben jedenfalls daran, bauen neue Flughäfen für den A380 vor. Eine sichere Wette für Airbus!

 

Stonecipher: Eine sichere Wette für 400 Flugzeuge, da gebe ich Ihnen Recht. Schauen Sie sich die Teilmärkte für Flugzeuge an. Airbus geht offenbar davon aus, daß wir mit der B7E7 Marktanteile zurückgewinnen. Warum würden die sonst von einem Konkurrenzmodell A 350 reden?

 

DIE WELT: Airbus will die A350 vermutlich gar nicht bauen, sondern nur ihre Kunden verunsichern.

 

Stonecipher: Der Startschuß für die B7E7 ist längst gefallen.

 

DIE WELT: Bislang haben Sie aber erst 52 Bestellungen vorliegen. Bis zum Jahresende wollen Sie 200 präsentieren. Wie das?

 

Stonecipher: Das Interesse ist sehr groß und die Aufträge kommen in großen Stückzahlen.

 

DIE WELT: Hat Sie die A350 überrascht?

 

Stonecipher: Hat tatsächlich irgend jemand geglaubt, wir seien so dumm gewesen und hätten uns nicht auf ein Konkurrenzmodell für die B7E7 eingestellt? Airbus wird die A350 bauen, weil sie wissen, daß es einen Markt dafür gibt. Ich habe die Kommentare, daß die 7E7 überflüssig sein soll, wirklich genossen. Am besten fand ich jedoch das Statement von Airbus-Chef Forgeard, daß die B7E7 die "chinesische Kopie" einer A330 sei. Dann laßt uns die Maschine mal nach China fliegen.

 

DIE WELT: Die Lufthansa war immer ein wichtiger Boeing-Kunde und hat natürlich kein Interesse, daß Airbus zu stark wird. Wann können Sie endlich die erste Lufthansa-Order für die 7E7 verkünden?

 

Stonecipher: Das weiß ich nicht. Das müssen Sie Lufthansa fragen.

 

DIE WELT: Ist es eine Frage der Technik oder des Preises?

 

Stonecipher: Wenn es um die Technik ginge, würden die sofort kaufen. Die Lufthansa ist eine tolle Fluglinie und sehr diszipliniert, wenn sie neue Flugzeuge auswählt.

 

DIE WELT: Sie haben keine Angst, daß die A380 die B747 überflüssig machen könnte?

Stonecipher: Nein. Airbus will nur 60 Maschinen dieses Typs pro Jahr bauen, das sind nur fünf pro Monat.

 

DIE WELT: Die könnten die Kapazität problemlos hochfahren.

 

Stonecipher: So einfach ist das nicht. Wir haben den Markt jahrelang untersucht. Ursprünglich mit Airbus und McDonnell-Douglas zusammen. 1997 haben wir den Markt noch einmal alleine unter die Lupe genommen und uns dagegen entschieden ...

 

DIE WELT: ... Sie meinen eine Langversion der B747?

 

Stonecipher: Genau. Airbus hat übrigens immer das Ziel verfolgt, die gesamte Palette anzubieten.

 

DIE WELT: Wie in der Autoindustrie.

 

Stonecipher: Ja, nur ab und zu muß man einen verdammt hohen Preis dafür bezahlen. Ich verstehe die Theorie, aber wir geben unser eigenes Geld aus, während die jetzt eine Abmachung haben. Wenn Airbus nicht mindestens 750 der angekündigten 1500 A380 verkauft, müssen sie die Startfinanzierung nicht zurückzahlen. Wußten Sie das?

 

DIE WELT: Airbus sagt, bislang habe man alle Kredite zurückbezahlt.

 

Stonecipher: Nicht bei der A340. Airbus hat bislang nur die Kredite der A320 zurückbezahlt. Aber das ist das Problem der europäischen Steuerzahler. Stellen Sie sich doch mal diese Frage: Warum sollte Boeing nicht ein großes Flugzeug bauen? Schauen Sie sich unsere Bilanz an: Wir haben mehr als sechs Milliarden Dollar Bargeld. Was uns fehlt, ist ein Markt. Wenn der Markt irgendwann sagt, wir wollen ein Flugzeug für 600 Passagiere haben, dann bauen wir ihm eins. Und es wird besser sein als der A380. Airbus muß sich indessen Gedanken machen, wie sie ein besseres Flugzeug als unsere B7E7 entwickeln wollen.

 

DIE WELT: Wie hat eigentlich Ihre Frau reagiert, als Sie aus dem Ruhestand geholt wurden, um Boeing wieder flottzumachen?

 

Stonecipher: Sie sagte: "Das ist in Ordnung. Du bist sowieso ein besserer Arbeiter als Rentner."

 

DIE WELT: Im Ernst. Sie sind 68 Jahre alt und könnten statt dessen mit Ihren Enkelkindern spielen.

 

Stonecipher: Die sind zum Spielen schon zu groß. Ich bin im Mai zum ersten Mal Urgroßvater geworden.

 

DIE WELT: Warum sind Sie dann zurückgekommen?

 

Stonecipher: Ich liebe die Branche. Im März kommenden Jahres werden es 50 Jahre. Außerdem habe ich viel Geld investiert.

 

DIE WELT: Sie sind der größte Einzelaktionär, nicht wahr?

 

Stonecipher: Der zweitgrößte. John McDonnell hält noch mehr. Andere Kandidaten waren wegen der Geschehnisse vor einem Jahr beschädigt. Sie brauchten jemanden, der das ganze wieder zusammenfügen kann, ohne alle mit einem Maschinengewehr zu erschießen. Als ich vor einem Jahr kam, hieß es gleich, der schmeißt alle aus dem Fenster raus. Mein Mitarbeiterstab besteht noch immer aus denselben elf Leuten wie vor einem Jahr. Ich mag sie alle. Wenn nicht, wären sie nicht mehr hier.

 

DIE WELT: Wie lange bleiben Sie Vorstandschef?

 

Stonecipher: Ich habe dem Board gesagt, daß ich bis zur Hauptversammlung im Frühjahr 2006 bleiben werde. Ich bin bereit zu gehen, sobald wir unsere Probleme gelöst haben. Darüber entscheidet der Board. Ich werde sicherstellen, daß genügend Nachfolgekandidaten bereitstehen, wenn ich gehe.

 

Das Gespräch führte Peter Herkenhoff

 

Artikel erschienen am Di, 16. November 2004

 

Quelle:

http://www.welt.de/data/2004/11/16/360960.html?s=1

 

Grüsse,

Jörg

Geschrieben

DIE WELT: Bislang haben Sie aber erst 52 Bestellungen vorliegen. Bis zum Jahresende wollen Sie 200 präsentieren. Wie das?

 

Stonecipher: Das Interesse ist sehr groß und die Aufträge kommen in großen Stückzahlen

 

 

Ja und wo bleiben dann die Großen Aufträge Herr Stonecipher?

 

Sorry, aber ich habe ja jetzt schon so einige Interviews von dem Herrn Stonecipher gelesen und für mich redet der Herr nur Stuß.

Geschrieben

Tolle Argumentation icon_razz.gif

 

ja ja wenn zwei das Gleiche machen ist es noch lange nicht das Selbe....

 

Dieses blabla erinnert mich stark an manche Manager in den 80er Jahren in D (Grundig, AEG-Daimler usw.) schön brav auf "wir sind besser" setzen und dann mit voller Kraft in den Abgrund > ein Grund weshalb es in D so aussieht. Vom Ausruhen auf den Lorbeeren ist keiner groß geworden.

 

Ich hoffe nur, dass Airbus nicht auch in diese Mentalität verfällt und die Amis endlich eine verbraten bekommen - meinetwegen kann Boeing ruhig den Bach runter gehen icon_razz.gif

 

Ich freue mich über jeden Auftrag den die Europäer den Amis wegschnappen (auch mein Arbeitsplatz hängt indirekt von AB ab) und da ist mir mein Hemd sehr viel näher als von ner Family in Seattle (by the way - die Amis stören unsere Arbeitslosen ja auch nicht)

Geschrieben

@NUECGN

Sotneciphers Art sich und sein Unternehmen zu präsentieren ist m.E. sicherlich wirklich unerträglich (ich hab mal eine ARTE Doku über Airbus gesehen in der Forgeard gefilmt wurde als er im Kreis von Kollegen Stonecipher "The wrost man on earth" nannte).

Aber Boeing den Untergang zu wünschen ist für Airbus das schlechteste was ihnen passieren kann. Airbus ist nur so stark geworden, weil sie die Mängel an Boeing Flugzeugen erkannt haben und für diese Lösungen entwickelt haben, die die eigenen Flugzeuge verbesserten. Ein Monopolmarkt führt immer zu Qualitätsmangeln, schlechten Preisen und schlechten Produkten. Gibt es nur einen Anbieter, der den Markt dominiert, dann wird er aus Erfahrungsmangel, Überheblichkeit etc. Scheitern und der Kunde hat das Nachsehen. Stonecipher Äußerungen halte ich jedenfalls für die eines eigentlich gescheitertenjedenfalls Ex-Monoplisten der erheblich Probleme hat das einzusehen und sich neu zu orientieren. Ich jedenfalls wünsche Boeing, daß sie außer der 777 endlich mal wieder sich auf ihre Kreativität rückbesinnen und ein gutes Flugzeug bauen, vielleicht ja die 7E7 ...

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