Gast Jörgi Geschrieben 19. Dezember 2004 Melden Geschrieben 19. Dezember 2004 Artikel erschienen am 19. Dezember 2004 in der Welt am Sonntag Luftfahrt bleibt ein Minusgeschäft von Jens Flottau Die Branche verlor in den letzten drei Jahren rund 25 Milliarden Dollar. Umdenken ist nicht in Sicht Diser Wirtschaftszweig hat es geschafft, in seiner Geschichte seit dem ersten Flug der Gebrüder Wright insgesamt gerechnet nie Geld zu verdienen. Sosehr die kommerzielle Luftfahrt eine Schlüsselrolle für die Entwicklung vieler anderer Sektoren gespielt hat, so sehr hat sie dabei versagt, profitable Strukturen zu schaffen. Waschmaschinen, Autos, Häuser - alles kostet heute ein Vielfaches des vor Jahrzehnten üblichen Preises. Nur bei den Flügen ist das anders, sie wurden immer billiger. Und das wird sich nicht ändern. Die Gründe sind hausgemacht. Dabei ist seit vielen Jahren klar, daß viel zu viele verschiedene Fluggesellschaften zu viele Sitze anbieten. Das Problem war bereits vor dem Aufkommen der Billig-Airlines bekannt, und es ist durch sie noch größer geworden. SAS-Scandinavian-Airlines-Chef Jörgen Lindegaard sieht in der Branche "eine fast absurde Bereitschaft, viel Geld in Überkapazität zu investieren". Mehr nach Hoffnung als nach Überzeugung klingt es, wenn er glaubt, "es wird ein Tag kommen, an dem keine Verrückten mehr in diese Industrie investieren". Da muß sich allerdings noch viel ändern, hat sein Kollege und Konkurrent Keijo Suila von Finnair erkannt: "Es gibt viel zu viel Leidenschaft fürs Fliegen und viel zu wenig wirtschaftlichen Sachverstand im Luftverkehr." In Finnland sind in den vergangenen beiden Jahren acht neue Fluggesellschaften gegründet worden, vier davon sind schon wieder vom Markt verschwunden. In den letzten 25 Jahren, so hat der Branchenverband International Air Transport Association (IATA) berechnet, hätte sich der Luftverkehr in den USA nur verdoppelt, wenn man die Entwicklung der natürlichen Nachfrage zugrunde legt. Tatsächlich aber ist er um das 2,5fache gewachsen. Die zusätzliche Nachfrage wurde laut IATA-Chefökonom Brian Pearce dadurch erzeugt, daß die Fluglinien ständig die Preise gesenkt haben. Eine Fluggesellschaft zu betreiben ist ein kapitalintensives Geschäft, ein großer Langstreckenjet wie die Boeing 777 oder der Airbus A340 kosten rund 200 Millionen Dollar. Einmal gekauft, müssen die Maschinen soviel wie möglich eingesetzt werden. Der Zwang, bei fixen Kosten wie festgeschriebenen Leasingraten soviel wie möglich zu fliegen, führt dazu, daß die Preise sinken. In den vergangenen zehn Jahren - geprägt durch zwei tiefe Krisen und einen langen Aufschwung in der Mitte - sind die Preise laut IATA von fast 90 Cent pro Tonnenkilometer auf 74 gefallen. Die Überkapazität ist auch politisch bedingt. Erst seit Ende der 90er Jahre dürfen Fluglinien innerhalb der EU fusionieren und müssen dabei strikte Regeln beachten, um nicht Verkehrsrechte in Drittstaaten zu verlieren. Fusionen zwischen großen amerikanischen und europäischen Fluggesellschaften sind nicht möglich. Statt Konsolidierung zuzulassen, schießen die Regierungen lieber noch einmal Geld zu, um ihre Fluglinien - wie bei Swiss International und Alitalia - zu unterstützen. "Seit Jahren findet die Konsolidierung immer nächstes Jahr statt", ulkt Martin George, Vorstandsmitglied bei British Airways. Immer noch gelten die Fluggesellschaften als nationale Symbole, die man in multinationalen Konzernen nicht verschwinden lassen will. Entsprechend sind die finanziellen Ergebnisse. Während und nach der ersten Golfkrise von 1990 bis 1994 machte die Branche nach einer Studie von Mercer Management Verluste von 20,5 Milliarden Dollar und brauchte bis 1998, um diese wieder auszugleichen. Die nachfolgende kurzzeitig positive Phase kam 2001 zu einem abrupten Ende, als der neue Markt sich in seine Bestandteile auflöste und die Billigtarife in der Economyklasse nicht mehr ausreichend mit Mondpreisen in First und Business quersubventioniert werden konnten. Mercer Management geht für 2001 bis 2004 von Verlusten in Höhe von 25 Milliarden Dollar aus, IATA kalkuliert für ihre Mitglieder gar mit 35 Milliarden Dollar. Ein Teil der Preisreduzierungen ist sogar zu rechtfertigen, denn neben den durchschnittlichen Erlösen sind auch die Stückkosten im Zeitverlauf gefallen, wenn auch nicht schnell genug. Dies geschah rechnerisch durch das Wachstum selbst und durch den Einsatz wirtschaftlicherer Flugzeuge und besserer Verfahren. Dabei legt die Branche in den vergangenen drei Jahren viel mehr Aufmerksamkeit auf die Kostenseite, während sie früher vor allem Umsatzmaximierung betrieb. Ergebnis: Kostenträchtige Drehkreuze werden entweder ganz aufgegeben oder zumindest so umorganisiert, daß sich die Produktivität verbessern läßt. Viele bezweifeln, daß die moderaten Änderungen in der Branche ausreichen, um Rückschläge wie die in den vergangenen Jahren besser abfedern zu können. Denn zum Teil können die Luftfahrtgesellschaften die Kosten auch nicht beeinflussen. Die Flugsicherungen arbeiten immer noch nach dem Prinzip der Vollkostendeckung. Wird in einer Schwächeperiode weniger geflogen, erhöhen sie die Preise und verschärfen die Krise. Wettbewerb ist bei vielen Zulieferern der Airlines - Flugsicherung, Flughäfen - eher unterentwickelt, entsprechend hoch sind die Preise. Einzelne Mitarbeitergruppen wie die Piloten haben großen Einfluß. Über die Senioritätslisten, durch die die Karriereplanung von Anfang an in groben Zügen feststeht, sind sie von äußerer Konkurrenz weitgehend geschützt und können, wie 2001 bei der Lufthansa geschehen, teure Tarifabschlüsse durchsetzen. In den USA wurden Reduzierungen um bis zu 30 Prozent durchgesetzt, allerdings waren die Unternehmen bis dahin schon so gut wie pleite oder hatten, wie United Airlines und US Airways, bereits Insolvenz angemeldet. http://www.wams.de/data/2004/12/19/376890.html?s=1 [ Diese Nachricht wurde geändert von: Jörgi am 2004-12-19 13:05 ]
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