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Droht der Lufthansa ein Streik?


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Lufthansa droht Streik

Deutschlands größte Fluglinie hat ihre Piloten schwer verärgert. Nun ist der Umbau des Streckennetzes in Gefahr

 

Die Lufthansa und die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) steuern offenbar auf einen massiven Konflikt zu. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" halten Insider zumindest Warnstreiks für ein immer wahrscheinlicheres Szenario, wenn die beiden Seiten nicht doch noch deutlich von ihren bisherigen Positionen abrücken. Der Streit gefährdet auch die von der Lufthansa vorgegebenen Kostensenkungsziele und teilweise die Umstrukturierung des Europaverkehrs.

 

 

In der Auseinandersetzung geht es um einen Kernpunkt des vom früheren Lufthansa-Chef Jürgen Weber mit der Gewerkschaft geschlossenen sogenannten Konzerntarifvertrags (KTV), der die Arbeitsbedingungen und das Betätigungsfeld der Lufthansa-Besatzungen beschreibt. Der KTV sieht unter anderem vor, daß alle Maschinen mit mehr als 70 Sitzen, die Lufthansa-Flüge durchführen, auch von Lufthansa-Piloten geflogen werden müssen. Ausgenommen sind lediglich 18 Maschinen bei der Konzerntochter CityLine. Nach Ansicht der VC hat die Lufthansa gegen diese Vereinbarung verstoßen, weil sie ihre italienische Tochtergesellschaft Air Dolomiti nun auch 100sitzige Jets fliegen läßt. Die Gewerkschaft hat deswegen den erst Ende vergangenen Jahres geschlossenen Tarifvertrag gekündigt und baut nun die Möglichkeit eines Streiks als glaubhafte Drohkulisse auf.

 

 

Der Tarifvertrag war Teil eines auf drei Jahre und 1,2 Milliarden Euro angelegten Sparprogramms und sollte der Lufthansa jährliche Einsparungen von rund 55 Millionen Euro bringen. Mit dem Deal wollte die Lufthansa vor allem im Europaverkehr ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, dort will sie die Stückkosten um mindestens 20 Prozent senken. Der nun wieder in Frage gestellte Tarifvertrag integrierte zum ersten Mal auch die Besatzungen des Lufthansa-Partners Germanwings in den KTV - eine Konzession, die die Fluggesellschaft im Tausch gegen mehr Produktivität und niedrigere Einstiegsgehälter eingehen mußte. Denn die Lufthansa-Piloten wollen nicht, daß Germanwings auf ihre Kosten wächst. An der Einigung von 2004 hing auch der Sanierungstarifvertrag bei der Ferienfluglinie Condor.

 

 

Nach der Kriegserklärung der Pilotengewerkschaft stehen sich die beiden Seiten nun mit bislang unvereinbaren Forderungen gegenüber. Dem Vernehmen nach plant die Lufthansa neben dem Air-Dolomiti-Affront auch, eine neue Flotte von 90- bis 100sitzigen Flugzeugen zu beschaffen und diese bei ihrer Tochter CityLine und der 49-Prozent-Beteiligung Eurowings einzusetzen. "Dem werden die Piloten nicht zustimmen", sagt einer, der Einblick in die Lage hat. Die VC drängt statt dessen offenbar darauf, die Maschinen bei der Lufthansa selbst einzusetzen und für die Besatzungen ein Gehaltsniveau zu verhandeln, das zwischen dem der Regionalpiloten und der Airbus- und Boeing-Flotte liegt. Das Thema scheint heikel: Weder die Lufthansa noch die VC wollten sich auf Anfrage äußern.

 

 

Das von der Gewerkschaft vorgeschlagene Szenario könnte weitreichende Konsequenzen für die Konsolidierung des Luftverkehrssektors in Deutschland haben. In der Branche gilt es als wahrscheinlich, daß die Lufthansa zumindest mittelfristig ihren Anteil an Eurowings aufstockt. Vorausgesetzt aber, die Fluglinie darf größere Maschinen einsetzen. Müßte die Lufthansa die neuen Jets selbst betreiben, würde dies den Sinn der Eurowings-Beteiligung in Frage stellen. Allerdings hat die Lufthansa ein hohes strategisches Interesse an der Dortmunder Airline, weil sie über Germanwings auch das Billigflugsegment besetzt.

 

Unterdessen tut sich an anderer Stelle der deutschen Luftfahrt einiges. Mit der Saarbrücker Cirrus Airlines sucht offenbar ein weiterer Lufthansa-Partner nach einer neuen Position. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" bestätigte das Management gegenüber den eigenen Mitarbeitern die Übernahme der Oberurseler Ferienfluggesellschaft Aero Flight. Cirrus betreibt sowohl Regionalflugzeuge als auch Business Jets für Prominente und Unternehmen und bedient für die Lufthansa diverse Regionalstrecken. Aero Flight besitzt derzeit sechs Airbusse. Gerüchten in der Branche zufolge will Cirrus die Aero-Jets mitsamt Besatzungen an Germanwings verleihen, um dort die Kapazitäten aufzustocken.

 

 

Cirrus-Chef Gerd Brandecker dementierte die aktuelle Übernahme zwar in der vergangenen Woche. Er bestätigt lediglich, daß man ihn "vor ein paar Monaten" nach seinem "Interesse" gefragt habe. Aero Flight sagt gar nichts. Angeblich stehen die Verhandlungen aber kurz vor dem Ende. Ein Abschluß scheint fast sicher.

 

 

Aero Flight gilt in der Branche seit längerem als Wackelkandidat. Die Fluglinie gehörte bislang zu jeweils 45 Prozent dem Frankfurter Notar Gerhard Walter und dem mittlerweile 84jährigen ehemaligen Gründer Bogomir Gradisnik. Beide wollen sich, so heißt es im Umfeld der Fluglinie, auf Dauer zurückziehen, außerdem war das Unternehmen seit längerem auf der Suche nach einem neuen Investor. "Ich suche durchaus noch jemanden, der sich mitbeteiligt", sagte Walter im Februar in einem Interview. Vom Startkapital in Höhe von 22 Millionen Euro seien nur noch sieben Millionen übrig. Bereits das klang sehr danach, daß das Geschäft auf Dauer allein gar nicht zu halten wäre.

 

 

Aero Flight ist weitgehend auf das klassische Chartergeschäft ausgerichtet, das unter erheblichen Druck durch die Billigflieger geraten ist. Versuche, sich stärker im Liniengeschäft zu etablieren, waren bislang offenbar ein Zuschußgeschäft. Jens Flottau

 

 

 

 

Artikel erschienen am 16. Oktober 2005

 

 

Quelle: WamS, 16.10.2005

http://www.wams.de/data/2005/10/16/789590.html

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