akayama Geschrieben 9. Oktober 2002 Melden Geschrieben 9. Oktober 2002 Neue Fluglinie hebt im Geschäftsreisemarkt ab Von Jenny Genger, Hamburg, und Gerhard Hegmann, München In der Luftverkehrsbranche zeichnet sich ein weiterer Wettbewerbskampf ab: Neben dem Billigflieger-Boom schwappt die Gründungswelle auch auf den Luxussektor. Wiederum hat ein neuer Anbieter seinen Start im lukrativen Geschäftsreisesegment angekündigt. Unter dem Namen Blue Wings will die Gesellschaft bereits Ende November/Anfang Dezember den Flugdienst aufnehmen. "Mit einem sehr flexiblen Angebot und absoluter Kostenkontrolle konzentrieren wir uns auf einen Nischenmarkt", sagte der Vorstandsvorsitzende von Blue Wings, Jörn Hellwig, im Gespräch mit der Financial Times Deutschland. Blue Wings und LTU starten in wenigen Wochen Unterstützung bekommt das in Bocholt beheimatete Unternehmen dabei von der LTU. Die Düsseldorfer Ferienfluggesellschaft wird Dienstleistungen im Flugbetrieb und bei der Wartung der Maschine anbieten. "Darüber wurde ein Vorvertrag abgeschlossen," bestätigte LTU-Sprecher Marco Dadomo. Darüber hinaus sieht LTU-Operationsleiter Helmut Himmelreich bereits Potential für eine weitgehende Zusammenarbeit "bei der Blue Wings und LTU gemeinsam zusätzliches Kundenpotential erschließen", so der Manager in einem Interview der Mitarbeiterzeitschrift. "Das heißt konkret: ähnlich des Musters PrivatAir/Lufthansa Märkte erschließen zu können, die für LTU in der Anfangsphase unwirtschaftlich wären." Vor einem Monat hatte die LTU schon angekündigt, sich stärker auf das Hochpreissegment zu konzentrieren, in dem zunächst die Komfortklasse in den eigenen Fliegern ausgebaut wird. Bereits Mitte August hatte eine Münchner Projektgruppe ein Geschäftskonzept für reine Business-Flüge unter dem Namen Bluetail Professional angekündigt. Die Initiatoren um den Ex-Vorstand des Fahrradverleihkonzeptes Call-a-Bike, Josef Gundel, schrauben ihre ehrgeizigen Ziele jedoch bereits wieder zurück. Ursprünglich war der Linienverkehr zwischen Deutschland und den USA ab Ende 2003 geplant. "Wenn wir den Zeitplan noch schaffen wollen, müssen wir in den nächsten Wochen eine Gründungsgesellschaft vorab auf die Beine stellen", sagte Mitinitiator und Ex-Lufthansa-Pilot Eckehard Kraska auf Anfrage. Derzeit sei die Projektgruppe auf der Suche nach Gründungsgesellschaftern. Da ist Blue Wings einen Schritt weiter. Die im Februar gegründete AG ist seit Ende Juli mit einem Grundkapital über 250.000 Euro im Handelsregister eingetragen. Die Anteile verteilen sich über vier Gesellschafter; denen steht ein sechsköpfiger Aufsichtsrat zur Seite. "Der Start kann mit dieser Eignerstruktur erfolgen", so Alleinvorstand Hellwig. Dennoch ist der 34-jährige Jurist mit Flugkapitänslizenz für neue Finanzinvestoren und strategische Partner aufgeschlossen. Für die Aufnahme des Flugbetriebs benötigt die Gesellschaft noch die Genehmigung des Luftfahrtbundesamts. "Blue Wings hat den Antrag gestellt", bestätigte die Behördensprecherin. Über den Prüfungszeitraum macht das Amt keine Angaben. Die Bocholter gehen den so genannten Business Aviation-Markt mit neuen Ansätzen an. Sie setzen mit dem Airbus A319 auf großes Fluggerät, dass auch für Langstreckenflüge geeignet ist. Bislang operieren in diesem Spezialsegment vorrangig kleine Jets mit durchschnittlich zehn Sitzen. Allerdings setzten etwa DaimlerChrysler oder VW bei ihren konzerneigenen Flotten ebenfalls auf den A319. Für die hochpreisigen Business-Flüge will Blue Wings den Jet mit 80 Plätzen ausstatten. Branchenexperten halten diese Anzahl für sehr hoch. Die Lufthansa etwa fliegt bei ihren seit Juni eingerichteten reinen Businessflügen zwischen Düsseldorf und New York mit dem Schweizer Partner PrivatAir eine vergleichbar große Maschine vom Typ Boeing Business Jet mit lediglich 48 Sitzen. Kenner haben Zweifel Neben möglichen Abstrichen beim Komfort - etwa dem Verzicht von Schlafliegen - bezweifeln Industriekenner vor allem, dass die 80 Sitze im Hochpreissegment ständig ausreichend Abnehmer finden. "Ich sehe nicht, wie das Modell bei dieser Flugzeuggröße profitabel sein kann", so auch Lufthansa-Bereichsvorstand Netzmanagement und Marketing Ralf Teckentrup. "Denn selbst Anbieter mit kleinen Maschinen können das Segment im Moment nur sehr schwierig bedienen, da dieser Markt sehr fragmentiert ist und die einzelnen Gesellschaften kaum wahrgenommen werden." Von den 1200 Anbietern in Europa teilen sich nach einer Studie der Unternehmensberatung Cell Consulting 150 allein den deutschen Markt. Blue Wings geht jedoch davon aus, dass sich die Nachfrage in den nächsten zwei bis drei Jahren stärker entwickeln wird. Das stützen die Untersuchungen von Cell Consulting, die in den kommenden fünf Jahren für den europäischen Business-Charterverkehr ein jährliches Wachstum von 5 bis 15 Prozent auf ein Umsatzvolumen zwischen 3,8 und 5,4 Mrd. $ erwarten (2001: 3 Mrd. $). Bis dahin soll das Risiko durch ein zweites Standbein minimiert werden: Um auch in anderen Segment auftreten zu können soll der Airbus je nach Bedarf im handumdrehen auf 120 Sitze umgerüstet werden, so dass mehr Tickets entsprechend preiswerter angeboten werden können. Das sei vor allem auf touristische und so genannte ethnische Flüge ausgerichtet, die im normalen Linienverkehr nicht angeboten werden. Technisch ist diese Umrüstung nach Herstellerangaben längst möglich, konsequent vermarketet wird solch ein flexibles Produkt bislang jedoch noch nicht. "Für ein solches Konzept bietet der fragmentierte deutsche Markt Platz", so Cell Consulting-Berater Thomas Tomkos. Marktpotential sieht Blue Wings-Gründer Hellwig vor allem für Verbindungen nach Ost- und Mitteleuropa, vor allem dem Balkan und Russland. Ein Großteil der Flüge wird von Düsseldorf operieren, aber auch Berlin, Hannover, Münster/Osnabrück, und Köln/Bonn stehen auf dem Plan, genau sie wie Flüge ab Großbritannien und den Benelux-Staaten. Hellwig rechnet, dass das margenträchtigere Business-Segment im ersten Geschäftsjahr etwa ein Drittel des Umsatzes einbringen wird: "Die Freizeitreisenden werden uns am Anfang in den Markt helfen." Mit diesem Zuschnitt will er bereits im ersten Jahr auf operativer Basis den Break-Even erreichen. Die Kosten für den ersten Airbus beziffert Hellwig mit 18 Mio. Euro. Das Unternehmen beschäftigt 25 Mitarbeiter. Mit 80.000 bis 100.000 Passagiere und marktüblichen Ticketpreisen sei anfänglich ein Umsatz von 20 Mio. Euro anvisiert. Dazu soll der Jet 3000 Flugstunden im Jahr absolvieren. Im reinen Business Avition-Bereich sind die Jets nach der Cell Consulting-Studie in Europa bislang nur zu 350 bis 400 Stunden im Jahr ausgelastet: "Das sind vor allem kleine Maschinen, die keine Langstrecke fliegen", so Tomkos. Pläne von Bluetail abhängig von Investorensuche Die Wettbewerber Bluetail haben in ihren Geschäftsplänen sogar noch größeres Fluggerät vorgesehen: Von Frankfurt/Main aus sollen Boeing 777-200-Maschinen (rund 64 Meter lang; für 320 bis 400 Plätze konstruiert abheben, die maximal 120 Sitze, 68 Schlafplätze, 6 Konferenzräume und Unterhaltungsmöglichkeiten haben (zum Vergleich: der Airbus A319 ist rund 34 Meter lang und typischerweise für 124 bis 134 Sitze ausgerichtet). Die Initatoren wollen im vierten Geschäftsjahr auf vier Strecken wöchentlich 19 Flüge anbieten. Jährlich sollen dann über 74.000 Passagiere befördert werden. Im Jahr 2008 wird ein Umsatz von 262 Mio. Euro erwartet. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) soll 2005 erstmals positiv ausfallen. Soweit die bisher nur auf dem Papier vorliegende Geschäftsplanung. http://www.ftd.de/ub/di/1034169861569.html?nv=hpm
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