Zulu Geschrieben 19. Januar 2003 Melden Geschrieben 19. Januar 2003 Ziviler Luftverkehr Eiskalt ist brandgefährlich Rutschende Bugräder, gefrorene Tragflächen: Die kalte Jahreszeit bedeutet für Fluggesellschaften Risiken und hohe Kosten http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/getA...artikel2463.php Am vergangenen Montag war es wieder soweit: Nur drei Zentimeter Neuschnee und Eis legten den Frankfurter Flughafen teilweise lahm. „Wir hatten rund 60 Flugausfälle, vor allem wegen der Verzögerungen, die durch die Enteisung der Flugzeuge entstehen,“ zieht Karl- Heinz Schäfer, der Leiter des Winterdienstes am Rhein-Main-Flughafen, Europas größtem Luftverkehrsdrehkreuz, Bilanz. „Es war ein normaler Wintereinsatz,“ sagt Schäfer über den Tag, an dem seine 330 Mitarbeiter ordentlich zu tun hatten. „Verspätungen entstanden auch, weil wir häufig eine der beiden Landebahnen schließen mussten, um Schnee zu räumen.“ 40 bis 50 Minuten dauert es, eine der vier Kilometer langen und 60 Meter breiten Betonbahnen schnee- und eisfrei zu machen. Eine Armada von 16 Kehrblasgeräten und zwei Schneefräsen beseitigt zunächst die weiße Pracht, zwei Multi-Enteiser bringen danach biologisch abbaubares Formiat – Grundstoff: Ameisensäure – in flüssiger oder Granulatform auf den Asphalt. „Bei Eisregen müssen wir diese Prozedur bis zu viermal am Tag wiederholen, sonst alle drei bis fünf Stunden,“ erklärt Schäfer. Abschließend fährt ein so genannter Friction-Tester über die gesäuberte Bahn, ein speziell ausgerüsteter, 130 000 Euro teurer Personenwagen vom Typ Saab 9000. Mit einem fünften Rad am Heck wird der Brems-Koeffizient gemessen und diesen Wert erhalten die anfliegenden Piloten gemeldet. Schäfer: „Die müssen dann selbst entscheiden, ob sie landen. “ „Fliegen im Winter ist eigentlich kein Problem,“ sagt Lufthansa- Copilot Nils Wulkop, der auf der Boeing 747-400 fliegt. „Aber die Landebahnen sind oft besser gepflegt als die Abrollwege, und wenn man dann am Boden noch schneller ist, als man denkt, kommt man mit dem Bugrad oft dem Rand der Piste bedrohlich nahe.“ Karl-Heinz Schäfer wendet dagegen ein: „Wir haben auf allen Bahnen mehr als 50 Messsonden installiert, die uns solche Gefahren melden.“ Am wichtigsten für sicheres Fliegen im Winter ist aber die sorgfältige Enteisung der Flugzeuge. Manchmal noch am Flugsteig, meist aber kurz vor Erreichen der Startbahn, nähern sich den Fliegern futuristisch aussehende Fahrzeuge mit langen Teleskoparmen. Unvermittelt verspritzen die Ungetüme dann eine Flüssigkeit, die der Enteisung der aerodynamisch wichtigen Bereiche wie Tragflächen und Rudern dient. Die jüngere Luftfahrtgeschichte ist voller bizarrer Unfälle, bei denen die Pflicht zur ausreichenden Enteisung vernachlässigt wurde. Unvergessen etwa der Fall der SAS-MD-81, der im Dezember 1991 nach dem Start in Stockholm große Eisstücke von den Tragflächen abplatzten und in die am Heck angebrachten Triebwerke gerieten. Die Motoren fielen aus, dem Piloten gelang es aber mit einer fliegerischen Meisterleistung, die antriebslose Maschine auf einem Feld notzulanden und die Insassen zu retten. Sogar als Spielfilm in Hollywood verfilmt wurde der Absturz einer Boeing 737 der Air Florida 1982 in Washington DC, die wegen vereister Tragflächen und durch Eis blockierte Instrumente nicht in die Luft kam, eine Brücke streifte und in den vereisten Potomac-Fluss stürzte. 78 Menschen starben. Beide Unfälle führten dazu, dass die Luftfahrtbranche das Thema Vereisung sehr viel ernster nimmt, als zuvor. Bei SAS etwa ist seitdem zwingend vorgeschrieben, dass Piloten oder Bodenpersonal vor jedem Start die Tragflächen mit der Hand überprüfen – besonders tückisch ist nämlich Klareis, das mit dem bloßen Auge nicht wahrzunehmen ist. Eis und Schnee auf den Tragflächen verändert die Aerodynamik und führt dazu, dass die anströmende Luft nicht mehr ungehindert den Konturen des Flügels folgen kann und deshalb der Auftrieb nicht ausreicht. Gleichzeitig erhöhen sich Luftwiderstand und Gewicht – eine im schlimmsten Fall tödliche Mischung. Ob enteist wird, muss allein der Pilot entscheiden, der dabei in Grenzfällen gehörig unter Druck steht. Denn die Spezialbehandlung mit bis zu 85 Grad heißem Wasser und einem Glykolzusatz ist für die jeweilige Fluggesellschaft nicht billig – bis zu 5000 Euro kostet die bis zu 40 Minuten dauernde Prozedur etwa bei einem Jumbo. In den letzten Jahren ist die Enteisung zur High-Tech-Prozedur geworden, seit die neuesten Enteisungsfahrzeuge vom Typ Elephant beta an deutschen Flughäfen bereit stehen – in München allein 22, in Frankfurt sogar 36. Rund 550000 Euro kostet so ein Wagen, der von einem einzigen Mann in einer kleinen Kabine an der Spitze eines bis auf neun Meter Länge ausfahrbaren Teleskoparms bedient wird. Fahrzeug und Enteisungsfunktionen werden mittels insgesamt drei Joysticks gesteuert. Unterhalb der Kabine ist der Sprühkopf angebracht, aus dem bis zu 220 Liter des Enteisungsgemisches pro Minute strömen. Davon werden 60Prozent wieder gewonnen und können weiter verwendet werden. Sogar die Strahlbreite lässt sich von zehn Zentimeter (um Schneematsch zu beseitigen) auf 1,5Meter verbreitern, um einen Schutzfilm gegen erneuten Eisansatz aufzubringen. Ein Sensor sorgt dafür, dass der üblicherweise 50 Zentimeter über der Tragfläche geführte Sprühkopf nicht zu dicht an die empfindliche Flugzeughaut herankommt. Entscheidend ist, dass schnell nach dem Aufsprühen gestartet wird, damit es nicht wiederholt werden muss. Auch im Winter ist der Anti-Eis-Einsatz allerdings nicht immer nötig. „Als Faustregel gilt: Immer wenn Sie auch am Auto die Scheiben kratzen müssen,“ sagt Hans-Joachim Püschner, Chef der Firma EFM, die am Münchner Flughafen die Enteisung besorgt. Manchmal aber auch im Sommer. „Wenn ein Flugzeug nach einer Langstrecke zum Weiterflug startet und nicht nachgetankt hat,“ sagt Püschner, „ist der Sprit so kalt, dass es bei feuchtem Wetter auch noch bei plus 15 Grad Eisansatz geben kann.“ Andreas Spaeth
728JET Geschrieben 19. Januar 2003 Melden Geschrieben 19. Januar 2003 In wieweit ist eigentlich die Entwicklung von umweltfreundlicheren aber trotzdem effizienten Enteisungsmethoden gediehen um das ja nun nicht gerade sehr angenehme Glykol zu ersetzen? Wird noch immer mit Infrarotstrahlung experimentiert bzw ist diese Technologie inzwischen im Einsatz? Gruß 728JET http://fly.to/rorders
Gast Geschrieben 19. Januar 2003 Melden Geschrieben 19. Januar 2003 Bisher wird immer noch mit Glykolgemischen enteist.
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