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FTD-Bericht zur geplanten Fusion VARIG - TAM/schlechte Zahle


huschi

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Geschrieben

Aus der FTD vom 7.2.2003

 

http://www.ftd.de/ub/di/1044527459914.html?nv=hpm

 

Varig sucht Rettung in Fusion mit TAM

Von Jens Flottau, München

 

Die beiden brasilianischen Fluggesellschaften Varig und TAM wollen fusionieren und damit die mit weitem Abstand größte Fluglinie Südamerikas bilden. Der schwache brasilianische Real verschärft die prekäre Lage der Unternehmen.

 

Die genaue Struktur des neuen Unternehmens soll in den nächsten Monaten verhandelt und bis zum 30. Juni beschlossen werden. Die Unternehmen gaben die Entscheidung am Donnerstag nach langen Spekulationen in São Paolo bekannt. Für Varig könnte die Fusion die Rettung vor dem finanziellen Kollaps sein. Die beide Unternehmen sind bislang weltweit die einzigen nennenswerten Fluglinien, die in der aktuellen Branchenkrise ihr Heil in der Konsolidierung suchen. Varig und TAM hatten sich bislang vor allem auf dem großen brasilianischen Inlandsmarkt erbittert gegenübergestanden und dabei große Verluste eingefahren. Zusammen würden sie 70 Prozent des Marktes kontrollieren.

 

Die Einigung kommt nach Ansicht von Beobachtern unter enormem Druck der neu gewählten brasilianischen Regierung und des neuen Wirtschaftsministers Luiz Fernando Furlan zustande. Die staatliche Entwicklungsbank wird den beiden Fluglinien nach deren Angaben womöglich schon bald neue, überlebenswichtige Kredite gewähren.

 

 

Die prekäre wirtschaftliche Lage hat sich in den vergangenen zwölf Monaten durch die Abwertung des brasilianischen Real um 36 Prozent weiter verschärft. Beide Fluggesellschaften haben Einnahmen fast nur in Real, während wesentliche Teile der Ausgaben für Flugzeuge und Kerosin in Dollar anfallen. Von der Fusion könnte auch die Star Alliance profitieren, deren Gründungsmitglied Varig ist. TAM ist derzeit nicht in einer globalen Allianz, wird aber vor allem von Skyteam (Air France, Delta Air Lines) umworben.

 

Schuldenlast

 

Varig drücken Schulden in Höhe von rund 900 Mio. $. Ende November 2002 scheiterte ein bereits fast beschlossener Sanierungsplan am Widerstand des Varig-Eigners, der Rubem Berta Stiftung. Seither hat das Unternehmen vergeblich versucht, kurzfristige Verbindlichkeiten zu refinanzieren.

 

Das Leasingunternehmen ILFC ließ in der vergangenen Woche eine Varig-Boeing 777 in Paris festhalten. Die brasilianische Börsenaufsicht hat zudem Unregelmäßigkeiten im Jahresbericht 2001 und in den Quartalsberichten 2002 festgestellt und Varig aufgefordert, korrigierte Zahlen abzugeben. Das Unternehmen schreibt seit 1997 ununterbrochen Verluste. Im ersten Quartal 2002 waren es Varig zufolge 135 Mio. Real, im Gesamtjahr 2001 480 Mio. (nach aktuellem Kurs 133 Mio. $) bei einem Jahresumsatz von ungefähr 2,8 Mrd. Real.

 

TAM wuchs elf Jahre lang bis 2001 unter ihrem charismatischen Chef Rolim Amaro profitabel und hatte zuletzt einen Marktanteil von 31 Prozent. Amaro leitete eine groß angelegte Expansion auf den Langstrecken ein und bestellte in großem Umfang neue Flugzeuge, doch hat sich die Fluglinie nach hohen Verlusten (angeblich 62 Mio. $ im dritten Quartal 2002) wieder stark aus dem internationalen Geschäft zurückgezogen. Amaro verunglückte im Jahr 2001 tödlich bei einem Hubschrauberabsturz. In 2002 war TAM überdies wegen einer beispiellosen, allerdings weitgehend glimpflich verlaufenen Unfallserie ins Gerede geraten.

 

Unterdessen hat Air Canada, ein weiteres Star-Alliance-Mitglied, den Markt mit schlechten Zahlen für das vierte Quartal 2002 geschockt. Der operative Verlust lag bei 262 Mio. kanadischen Dollar. Merrill-Lynch-Analyst Michael Linenberg, der Air-Canada-Aktien bislang zum Kauf empfohlen hatte, hat nun ein "Sell"-Rating eingeführt. Die Aktie verlor am Donnerstag 13 Prozent. Er hält die Zahlen deswegen für so bedenklich, da Air Canada drei Viertel des Inlandsmarktes kontrolliere und von geopolitischer Unsicherheit wenig betroffen sei. Air Canada will nun Anteile in der Technikabteilung und der Regionaltochter Jazz verkaufen.

 

Zweierlei Pech

 

Macht

 

Gemeinsam kontrollieren TAM und Varig 70 Prozent des großen brasilianischen Marktes.

 

Verhängnis

 

Dadurch erzielen sie fast nur Einnahmen in der abgestürzten Landeswährung Real.

 

Fall

 

Dies und internationale Abenteuer ließen die Schulden zusätzlich wachsen.

 

© 2003 Financial Times Deutschland

 

[ Diese Nachricht wurde geändert von: huschi am 2003-02-07 09:52 ]

Geschrieben

Hier noch ein Bericht zur AC aus der heutigen Ausgabe der NZZ:

 

http://www.nzz.ch/2003/02/10/wi/page-article8O5Y8.html

 

10. Februar 2003, 02:19, Neue Zürcher Zeitung

 

 

Anhaltender Höhenverlust von Air Canada

 

Personalkürzungen und Verkauf von Unternehmensteilen

 

Air Canada geht schwierigen Zeiten entgegen. Das von Bürokratie und hohen Lohnkosten geplagte Unternehmen tut sich im Kampf gegen Billigflieger schwer und will deshalb zu drastischen Massnahmen Zuflucht nehmen.

 

Fdr. Vancouver, 8. Februar

 

Nach zwei gewinnbringenden Quartalen ist die grösste kanadische Fluggesellschaft, Air Canada, welche rund 74% des Inlandverkehrs dominiert, wieder in die Verlustzone geraten. Ein Fehlbetrag im vierten Quartal von 364 Mio. kan. $ beschloss ein Gesamtjahr, das mit insgesamt 428 Mio. $ in den roten Zahlen endete. Von den letzten fünf Jahren schlossen vier mit einem Defizit, und auch das neue Jahr lässt sich dem Vernehmen nach nicht gut an; Air Canada verliert mehr und mehr an Höhe. Dabei besitzt die Gesellschaft - im Gegensatz etwa zur Swiss - einen Heimmarkt von erheblicher Grösse. Darüber hinaus geniesst das Unternehmen spürbaren Schutz vor ausländischen Konkurrenten, und schliesslich ist das Auslandengagement der Firma im internationalen Vergleich relativ klein. Dennoch scheint es der oberste Chef der Firma, Robert Milton, nicht fertig zu bringen, diese auf einen soliden Kurs zu bringen. Der Aktienkurs von Air Canada legt davon lebhaft Zeugnis ab (am Freitag lag der Kurs bei $ 2.65, während er im vergangenen Frühling einmal 8 $ erreicht hatte), und Standard & Poor's Inc. hat noch vor dem Wochenende die ohnehin schlechte Kreditbonität der Gesellschaft weiter zurückgestuft.

 

Milton im Clinch mit den Gewerkschaften

 

In dieser Situation sah sich Milton vor dem Wochenende veranlasst, sozusagen den Vorschlaghammer hervorzunehmen. Er schlägt beispielsweise vor, die Lohnkosten der Firma, welche 35 000 Angestellte beschäftigt, drastisch, nämlich um mindestens 20%, zu senken. Das wird ihm angesichts der starken Gewerkschaften erheblichen Widerstand mit möglichen Streikfolgen einbringen. Eine Vielzahl der Angestellten sind in mehr oder weniger unkündbaren Stellungen, was Air Canada im Wettbewerb mit Billigfliegern wie Westjet oder Jetsgo erheblich benachteiligt. Darüber hinaus will Milton die Regionalfluggesellschaft Jazz verkaufen, welche als Zubringerfluggesellschaft fungiert. Ferner will er 49% von Air Canada Technical Services abstossen, nachdem er in der Vorwoche schon einen Teil des Vielfliegerklubs Aeroplan für 245 Mio. $ an die Onex Corp. veräussert hat. Noch nicht zur Diskussion steht vorläufig Air Canada Cargo.

 

Hilfe auf Kosten der Steuerzahler?

 

Weil Air Canada mit dieser Strategie ganz klar auf Kollisionskurs mit den Angestelltenorganisationen liegt, hat sich Ottawa bereits vage dazu bereit erklärt, dem Unternehmen ein weiteres Mal zu helfen. Unter anderem könnte die neue Sicherheitsgebühr von 24 $ je Retourflug reduziert werden sowie andere Abgaben und Steuern, die jeweils am Ende einer individuellen Flugabrechnung unvermittelt aufscheinen und Fliegen letztlich zu einer teuren Angelegenheit machen. Im Hintergrund droht indessen eine völlig andere Hilfestellung: Angesichts der Tatsache, dass Jazz im jetzigen Umfeld nur schwerlich einen Käufer finden dürfte, könnte sich Air Canada veranlasst sehen, für Jazz die Stundung zu beantragen. Das wiederum kann sich die Regierung nicht leisten, verbindet Jazz doch 75 mittlere und kleine Destinationen mit den Hauptarterien, Destinationen, deren Aussenverbindungen sonst gekappt würden.

 

So führt letztlich nichts an der Tatsache vorbei, dass Air Canada eine drastische Abspeckkur nötig hat, wobei die Gefahr besteht, dass Verkehrsminister Collenette diese aus Steuergeldern finanzieren könnte. Unbestreitbar sind indessen bei Air Canada die Lohnkosten eindeutig zu hoch, und die Verschuldung ist mit rund 12 Mrd. $ auf die Dauer untragbar. Zudem gibt es bei der Gesellschaft zu viel Bürokratie und bei den Mitarbeitern zu wenig Motivation. So ist es jedenfalls nicht immer einfach, telefonisch zu Air Canada durchzudringen und freundlich bedient zu werden. Da kommt man beispielsweise bei Westjet bedeutend schneller und effizienter ans Ziel. Vielleicht wird es sich Ottawa nun doch noch einmal überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, mehr Konkurrenz und mehr Auslandsbeteiligungen zuzulassen.

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