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FTD-Berichte zur swiss (in Fortsetzung)


huschi

Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Die swiss hängt am Tropf der Politik, insofern fühlt sich wohl jeder Schweizer Politiker berufen, seine lokalen Interessen durchzusetzen (cih denke nur an die Abenddiskussion im Schweizer Fernsehen vor ein paar Tagen über den Abschlußbericht zum Thema Swissair). Zudem wird das leidige Basel/Züricher Verhältnis hier wieder sehr offenbar. Ich habe durchaus Verständnis, wenn die Basler/ex-Crossairler jetzt klagen, sie hätten die SR gerettet und müssten nun dafür bitter bezahlen. Nur, die akuten Probleme werden damit eben nicht gelöst. Es ist ein Irrglaube, man könne die Probleme der LX lösen, wenn jede der mittlerweile zahllosen Interessengruppen nur laut genug schreit.

Mutige, ggf. auch unpopuläre Entscheidungen sind gefragt.

  • 4 Monate später...
Geschrieben

Ein meiner Meinung nach sehr gute Einschätzung von Jens Flottau zum Thema swiss aus der heutigen FTD. Es stimmt mich schon traurig, immer nur solche Berichte lesen zu müssen, zumal ich der Swiss, insbesondere mit dem neuen und sehr attraktiven Produktangebot im A343 (was aber wohl zu spät kommt), eine bessere Zukunft wünschen würde.

 

http://www.ftd.de/ub/di/1057486294452.html

 

Aus der FTD vom 9.7.2003 http://www.ftd.de/agenda

 

Swiss - Abgeschmiert

 

Von Jens Flottau, München

 

Swiss-Chef André Dosé wiederholt die Fehler der Swissair-Manager: Weil die Schweizer an einer nationalen Airline mit weltweiten Verbindungen festhalten wollen, droht sein Unternehmen in die Pleite zu steuern.

 

Der Auftritt zwischen den vielen weißen Laken ist inszeniert bis ins letzte Detail und läuft genau auf diesen einen Punkt zu: Der neue Airline-Chef André Dosé schildert seine Strategie und seinen Geschäftsplan. Nur eine Frage lässt er offen: Wie heißt die neue Fluggesellschaft? Mit einem Mausklick will er die Spannung lösen und schaut erwartungsvoll ins Publikum. "Swiss", blinkt es auf. Doch statt des erhofften Szenenapplauses für die neue Kreation folgten ein paar Momente betretenen Schweigens.

 

Der Event fand im Frühjahr 2002 in Basel statt. "Welcome to civilized aviation", versprach die neu gegründete Schweizer Fluggesellschaft: Qualität und "Swissness", das sympathisch Schweizerische, sollten Fluggäste für den Swissair-Nachfolger begeistern. Mit dem heute 46-jährigen André Dosé hatte ein Mann den Steuerknüppel übernommen, der sich vom Pilot von Sprühflugzeugen in der Landwirtschaft an die Spitze der schweizerischen Regionalfluggesellschaft Crossair hochgearbeitet hatte. Ein Topmanager, der drei Sprachen fließend spricht und den Ruf hatte, ein sachkundiger, verbindlicher Mensch zu sein - ein sympathischer Schweizer eben. Dosé war angetreten, mit dem Zusammenschluss von Crossair und den Resten der abgeschmierten Swissair den eidgenössischen Stolz auf eine nationale Airline mit Verbindungen in alle Welt hochzuhalten.

 

Ein gutes Jahr später ist ungewiss, wie lange die Swiss noch fliegen wird. Die neue Airline ist in Rekordzeit zum Sanierungsfall und zum Übernahmekandidaten geworden. Unter politischem Druck hat die Swiss strategische Fehler der im Herbst 2001 Pleite gegangenen Swissair wiederholt. Doch weil die Zeiten schlechter sind und der Konsolidierungsdruck in der Branche wächst, ist die neue Airline schneller als vermutet in der bitteren Realität angekommen.

 

Milliardenverlust

 

Fast 1 Mrd. Schweizer Franken (644 Mio. Euro) Verlust hat die Swiss in ihrem ersten Geschäftsjahr gemacht, 200 Mio. waren es im ersten Quartal 2003. Rund 500 Mio. Franken an frischem Kapital braucht das Unternehmen - sonst geht zum Jahresende das Geld aus.

 

Dabei haben die Swiss-Gesellschafter vor kaum mehr als eineinhalb Jahren tief in die Tasche gegriffen, damit die Schweizer Airline erneut abheben kann. Eidgenossenschaft, Kantone, Städte, die Großbanken Credit Suisse und UBS sowie andere Investoren übernahmen per Kapitalerhöhung die Crossair, gaben ihr einen neuen Namen und zwei Drittel der alten Swissair-Flotte.

 

Weitermachen, als ob nichts geschehen wäre, lautete ihre unausgesprochene, aber dennoch unmissverständliche Vorgabe. Swiss-Chef Dosé beugte sich dem politischen Druck und steuerte die Swiss auf einen Kurs, auf dem schon die Vorgängerin Swissair in schwere Turbulenzen geraten war: Das kostspielige Langstreckennetz, durch viele europäische Zubringerflüge gefüttert, wurde erhalten.

 

Regionale Interessen

 

Der neue Chef ließ, wie von den Eigentümern gewünscht, 26 Langstreckenmaschinen in alle Welt ausschwärmen, obwohl die Swissair mit ihren weltweiten Ambitionen zuvor jahrelang hohe Verluste eingeflogen hatte und externe Analysen davon ausgingen, dass allenfalls zwischen fünf und zwölf Maschinen profitabel einzusetzen seien. Die vielen Regionalflugzeuge der Crossair wurden dabei nicht auf das Drehkreuz im Zürcher Flughafen Kloten konzentriert, sondern flogen zum Teil weiter von Basel, Bern oder Genf - die Regionen, die in die Swiss investiert hatten, wollten weiter bedient werden.

 

Über den Verwaltungsrat und dessen Vorsitzenden, den ehemaligen KLM -Chef Pieter Bouw, kontrollierten die Investoren das Geschehen. Dosé fügte sich, während das Murren im eigenen Unternehmen immer lauter wurde. "Es liegt nicht an Dosé, sondern am Problem. Man kann in einem Dorf kein 1000-Betten-Hotel betreiben", erklärt ein Branchenkenner. "Als Chef muss man seine eigene Meinung vertreten", sagt ein langjähriger Mitarbeiter. "Aber André hat keine eigene Strategie." Dass Dosé zuvor bei Crossair einen guten Job gemacht habe, sei auch Verwaltungsratschef und Crossair-Gründer Moritz Suter zu verdanken gewesen, der ihn strategisch geführt habe.

 

Doch die Swiss-Investoren drängten Suter aus der neuen Gesellschaft. Und Dosé, der sich einst als fähiger Flugbetriebschef einen Namen gemacht hatte, der bei Piloten und Gewerkschaften gleichermaßen Ansehen genoss, muss sich nun den Vorwurf gefallen lassen, er sei ein "Anpassertyp, der nicht geradlinig ist im Umgang mit den Leuten".

 

Hohe Fluktuation

 

Vor allem bei den alten Crossair-Leuten hat sich Dosé unbeliebt gemacht. Aus der einstigen Führungsmannschaft haben sich die meisten bekannten Gesichter bereits verabschiedet: Verkaufschef Arjen Pen ging Anfang 2003, nachdem ihm der ehemalige Star-Alliance-Chef Bill Meaney als kommerzieller Direktor vor die Nase gesetzt wurde. Die in der Branche hoch angesehene Kommunikationschefin Ruth Züblin verließ das Unternehmen, weil sie ins Veranstaltungsmanagement abgeschoben werden sollte. Finanzchef Thomas Hofmann erfuhr angeblich erst auf einer Pressekonferenz, bei der er selbst noch auf dem Podium saß, dass er durch den Schweden Ulrik Svensson abgelöst werden sollte.

 

Die Stimmung im Unternehmen ist auf dem Tiefpunkt, weil es Dosé bislang nicht gelungen ist, die Swissair- und die Crossair-Kultur zusammenzuführen. "Katastrophal" findet ein Swiss-Manager den Versuch, die Piloten der beiden Airlines in einem Korps bei einem Arbeitgeber zu vereinigen, statt wie branchenüblich die Regionalflotte mit dem geringer entlohnten fliegenden Personal separat zu betreiben.

 

Nach vielen rechtlichen Verwicklungen hatte das zur Folge, dass Dosé erst alle Ex-Crossair-Leute hinauswerfen müsste, bevor er dem ersten Swissair-Piloten kündigen dürfte. Die Kurzstrecke würde dann stärker abgebaut als die Langstrecke. Hoch bezahlte Langstrecken-Kapitäne müssten auf 50-Sitzer umgeschult werden - und würden die Kosten des Regionalverkehrs nach oben treiben.

 

Dosé steuert um

 

Erst spät steuerte Dosé um: Ab Herbst will er die Regionalflotte samt Piloten wieder ausgliedern - in die neu gegründete Tochter Swiss Express. Die Swiss-Flotte wird von einst 136 Flugzeugen auf 71 reduziert, fast 4000 Arbeitsplätze werden abgebaut. Nur wenn Dutzende Strecken gestrichen werden, ist die Pleite noch abzuwenden. In den nächsten Wochen will Dosé verkünden, welche Ziele betroffen sind.

 

Offen bleibt aber, wie das im Sanierungsplan angekündigte Billigpreissystem aussehen wird. Auch für eine weitere Finanzierungsrunde fehlt bislang die Geschäftsgrundlage. Inzwischen sind die Swiss-Kunden so verunsichert, dass sie für den Herbst so gut wie gar nicht mehr vorausbuchen - mit schlimmen Folgen für den Cashflow.

 

Schon laufen Gespräche mit der Lufthansa über eine mögliche Beteiligung, doch dies gilt immer noch als politisch heikel - wegen dem weiter starken Wunsch nach Unabhängigkeit. Sogar ein Teil des Managements, das es besser wissen müsste, scheint diese im Verwaltungsrat und im Berner Bundeshaus populäre Haltung zu teilen. Doch für Dosé ist inzwischen klar: "Wir müssen den Weg, übernommen zu werden oder zu fusionieren, ins Auge fassen." Bislang war es ihm nicht einmal gelungen, die Swiss in einer der großen Allianzen unterzubringen: Nachdem er über sein Drehkreuz in Zürich bei Air France und Lufthansa gewildert hatte, mochten ihn die Konkurrenten nicht mit einer Mitgliedschaft bei SkyTeam oder Star belohnen.

 

Es ist das Pflichtgefühl, das den Swiss-Chef an seinem Job festhalten lässt, sagen die Dosé-Unterstützer: Er will beweisen, dass die Firma noch zu retten ist. Er überschätzt sich, sagen seine Kritiker: "Dosé ist in eine sehr schwierige Rolle hineingeschoben worden", erklärt ein Begleiter. "Aber er hatte keinerlei Erfahrung als Chef eines Unternehmens. Er spielt jetzt eine Liga zu weit oben." Und viele stellen fest, dass Dosé sich seit seinem Sprung an die Swiss-Spitze stark verändert hat, verschlossen und empfindlich geworden ist. "Er argumentiert nicht mehr. Wenn er keine Argumente mehr hat, dann lacht er nur", sagt ein langjähriger Bekannter. Und ein anderer erinnert sich an Philippe Briggisser, der die Swissair in die Pleite führte: "Der hatte auch abgehoben."

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