Axel Geschrieben 10. Juli 2003 Melden Geschrieben 10. Juli 2003 Heute in Spiegel-Online ein langer Bericht über Brände, die durch die In-Flight Entertainment-Anlagen verursacht werden. Ist das wirklich so ein Problem, wie dort geschildert? http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,256556,00.html Feuerfalle Bordkino Von Marc Pitzke, New York Die Bordunterhaltungssysteme vieler Flugzeuge sind gefährliche Feuerfallen, die die Jets zum Absturz bringen können. In den USA gab es nach einem Zeitungsbericht in den letzten Jahren Dutzende Zwischenfälle. New York - Die Passagiere der Boeing 757 kamen gerade noch mal mit dem Schrecken davon. Wenige Minuten nach dem Start, in fast 5000 Metern Höhe, begann das Bordunterhaltungssystem Funken zu versprühen. Qualm füllte die Kabine. Zugleich spielten im Cockpit die Instrumente verrückt. Das Höhenruder bewegte sich von alleine. Wie durch ein Wunder kamen die Passagiere mit dem Schrecken davon. Der Pilot konnte den Jet noch sicher wieder landen. Der mysteriöse Vorfall vom März dieses Jahres, der auch tödlich hätte ausgehen können, war beileibe kein Einzelfall. Mindestens 60-mal, so berichtet die amerikanische Zeitung "USA Today" gestern in einem Aufsehen erregenden Exklusivreport, hätten US-Fluglinien in den letzten Jahren Probleme mit ihren "In-Flight Entertainment Systems" gehabt. Und dies, warnt Luftfahrtexperte Alex Richman, dessen Firma Algo Plus Consulting FAA-Statistiken analysiert, "ist wahrscheinlich erst die Spitze des Eisbergs". Die meisten Zwischenfälle würden womöglich erst gar nicht gemeldet. Im vorigen August quollen betäubende Dämpfe aus der defekten Bordunterhaltungsanlage einer Boeing 767; einer Flugbegleiterin wurde übel, ein Passagier erbrach sich. Bei der Landung eines Airbus A-300 im Dezember 2000 mussten Passagiere von ihren Plätzen aufspringen, weil eine Videokontrollbox unter einem Sitz plötzlich in Flammen aufging. Im April 2000 berichtete die Crew einer Boeing 767 über ein ähnliches Missgeschick. Ebenso die einer McDonnell Douglas MD-11 im Februar 1999. Spitze des Eisbergs Die elektronischen Anlagen, die die Passagiere an Bord mit TV, Video und Musik versorgen, erweisen sich nicht selten als Feuerfallen. Offenes Feuer ist dabei noch recht einfach zu bekämpfen. Als viel gefährlicher erwiesen sich häufig Schwelbrände, die nach Kurzschlüssen in den Black Boxes entstehen. Dabei treten oft sehr giftige Dämpfe aus. Das tragischste - und bisher einzig bekannte - Unglück dieser Art ereignete sich im September 1998. Da schmorten die Kabel des Videosystems einer Swissair-Maschine durch und lösten an Bord einen Brand aus, der den Jet manövrierunfähig machte. Das Flugzeug, auf dem Weg von New York nach Genf, stürzte vor der kanadischen Küste in den Atlantik. Alle 229 Insassen starben. Seitdem geloben Flugsicherheitsbehörden und Airlines, diese Gefahrenquelle zu beseitigen. Fliegende Särge Doch Insider halten das für Beschwichtigungstaktik. "Die Zeit, dass wir diese Systeme als risikofrei bezeichnen können, sind lange vorbei", sagt Jim Shaw, Sicherheitsexperte der Pilotengewerkschaft ALPA und selbst ein Pilot. Auf seinen eigenen Flügen habe er oft erlebt, wie die Entertainment-Systeme "Rauch und Feuer" gespuckt hätten. Die International Aviaton Safety Association (IASA) - eine private Gruppe, die sich nach dem Swissair-Unglück auf die Suche nach den möglichen Ursachen machte - stieß auf ähnlich erschreckende Zahlen. Von 1972 bis 2000 habe es mindestens 400 Vorfälle gegeben, in denen Kabel und brennbares Isolationsmaterial zu Beinahe-Katastrophen geführt haben. "Ich war schockiert", sagt Elektronikexperte Ed Block, der den IASA-Bericht mitverfasste. Eine Folgeuntersuchung kam Anfang dieses Jahres zum Schluss, dass bis heute täglich mindestens drei Flüge in den USA von Rauch- und Feuerproblemen in Mitleidenschaft gezogen werden. Pro Jahr müssten deshalb über 350 Maschinen notlanden. Die Fluggesellschaften und die FAA müssten sich nicht nur Schlamperei vorwerfen lassen, sondern "fahrlässige Tötung", sagt IASA-Chefin Lyn Romano, deren Mann Ray an Bord der Swissair-Maschine umkam. Die Flugzeuge drohten, "fliegende Särge" zu werden. Sieben Kilometer Kabel Dass aber die Entertainment-Anlagen dabei offenbar eine maßgebliche Rolle spielen, wird erst jetzt deutlich. Von derzeit 3700 Großraumflugzeugen weltweit besitzen rund 80 Prozent solche Bordsysteme - rund 2000 davon mit individuellen Monitoren an jedem Platz. Der dafür betriebene Aufwand ist enorm. Die Anlagen bestehen in der Regel aus über 2000 Einzelkomponenten und sieben Kilometern Kabeln und wiegen mehrere Tonnen. Die Krux ist nach Ansicht des früheren FAA-Beamten Nick Lacey, dass die FAA das Design und die Installation ihrer Produkte von privaten Firmen oder Personen abzeichnen lässt - ohne Aufsicht. Dies sei "unakzeptabel", sagte er "USA Today". Dem widerspricht die FAA. Sie lege "sehr strenge Maßstäbe" an, hieß es in einer Erklärung. Die Bordanlagen aller US-Flugzeuge würden regelmäßig überprüft, Korrekturen bei Bedarf angemeldet. In der Tat hat die FAA den Airlines seit dem Swissair-Absturz in 22 Einzelfällen die Reparatur, die Umrüstung oder den gänzlichen Ausbau bestimmter Systeme auferlegt. Betroffen waren mindestens 182 Maschinen des Typs Boeing, McDonnell Douglas (DC-9 und DC-10) und Airbus. Elektronikbranche fürchtet um ihr Geschäft Die jüngste dieser "Airworthiness Directives" erließ die Behörde erst am 21. Mai dieses Jahres. Darin ordnen die Prüfer die "Modifizierung des Bordunterhaltungssystems" für 37 Boeing 767-300 an - wegen "unsicheren Zustands". Die jetzigen Modelle könnten im Notfall nicht manuell von der Stromzufuhr abgeschnitten werden, um "Rauch und Dämpfe im Cockpit oder der Kabine" zu verhindern. Gesamtkosten der Nachrüstung: 146.520 Dollar. Gemessen an der Sicherheit von hunderttausenden Fluggästen ist diese Summe ein Klacks. Die Hersteller wollen sich denn auch nicht als Schlamper abstempeln lassen. "Sicherheit ist unsere absolut erste Priorität", sagt Rob Brookler, Sprecher der World Airline Entertainment Association (WAEA). "Wir unterstützen jede Prozedur, die die Sicherheit der Systeme verstärkt." Schließlich geht es auch um ein Riesengeschäft. Die Bordunterhaltungs-Branche machte nach Angaben der WAEA im Jahr 2000 2,1 Milliarden Dollar Umsatz. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ging es dann aber, wie mit dem Rest der Luftfahrtindustrie, erstmal bergab. Im vorigen Jahr erholte sich das Geschäft wieder halbwegs auf 1,8 Milliarden Dollar Umsatz. Wie Gas aufs Feuer Um den Kritiker den Wind aus den Segeln zu nehmen, schlagen Experten jetzt die Umrüstung auf Glasfaserkabel als Alternative zu den feuergefährlichen Kupferkabeln vor. Andere fordern eine komplette Abschaffung des Bord-Luxus. Etwa Ed Block, ein ehemaliger Pentagon-Mitarbeiter, der an den Ermittlungen zum Swissair-Absturz beteiligt war: Die komplizierten Systeme seien "wie Gas aufs Feuer". Davon wollen die Unternehmen natürlich nichts wissen. Schon planen sie die nächste Generation von In-Flight Entertainment: Tausende Wunschfilme per CD-ROM, Live-Satellitenfernsehen, Steckdosen für Laptops, Internet-Anschluss, externe Computer-Kameras, die den Flug von außen in die Kabine übertragen. Doch echter Komfort muss weder kompliziert noch tödlich sein. "Ein Buch", sagt FAA-Veteran Nick Lacey, "würde mir völlig reichen."
sk Geschrieben 10. Juli 2003 Melden Geschrieben 10. Juli 2003 Panikmache erster Güte - natürlich ist jedes Kabel, durch das Strom fliesst feuergefährlich. Aber die meisten Airlines sorgen hier sehr gut vor - spätestens seit man beim SR Absturz dort die Quelle des Übels erkannt hat.
Nosig Geschrieben 10. Juli 2003 Melden Geschrieben 10. Juli 2003 Bitte auch die Tanks ausbauen, denn heisse Pumpen im Tank sind bekanntlich auch nicht ohne.
Gast anwalt Geschrieben 10. Juli 2003 Melden Geschrieben 10. Juli 2003 Was, bitte, soll daran "Panikmache" sein? Die Zahlen sprechen für sich. @Nosig: Ginge es ohne Tanks, wäre der Ausbau derselben in der Tat nur konsequent.
Axel Geschrieben 10. Juli 2003 Autor Melden Geschrieben 10. Juli 2003 @anwalt: Na ja, die Frage ist, ob denn die Zahlen in dem Beitrag wirklich stimmen können. Ich kann mir das kaum vorstellen. Wenn das Inflight-Entertainment wirklich so gefährlich wäre, würden dann nicht viel mehr Fluggesellschaften aus Sicherheitsgründen ganz darauf verzichten? Daher nochmal die Frage: Hat jemand schonmal gehört, daß das Problem wirklich so akut ist? Und wäre ein Videosystem mit Deckenbildschirmen (so z. Bsp. bei LH-Eco) weniger "gefährlich", als ein Bildschirm mit großer Medienauswahl an jedem Sitz (fast überall in Business und First, zunehmend aber auch in der Eco)? Ging der Swissair-Absturz seinerzeit wirklich auf einen Brand im Entertainmentsystem zurück? Fragen über Fragen ...
HAMoth Geschrieben 11. Juli 2003 Melden Geschrieben 11. Juli 2003 Wenn's denn alles so gefährlich wäre, sollte man auch schleunigst wieder Navigationssysteme aus Kraftfahrzeugen ausbauen - das Prinzip ist ja dasselbe ... Desweiteren sollte man die Flugzeuge wieder auf die guten alten Seilzüge zurückrüsten - fly-by-wire braucht ja Strom und wo der fliesst *muss* es ja laut dem Artikel zwangsweise brennen !
Nosig Geschrieben 11. Juli 2003 Melden Geschrieben 11. Juli 2003 Also, um mal wieder etwas ernster zu werden. Feuerfeste Kabelisolierungen sollte man schon zwingend vorschreiben. Ist doch verrückt: Eine neue 737 für die Navy kriegt die (ist beim US Militär vorgeschrieben) eine neue zivile 737 nicht. (Gilt sinngemäß auch für andere Hersteller)
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