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Concorde Absturz im TV


FKB

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Geschrieben
Selten so einen Blödsinn gelesen wie in dem o.g. Aufmacher.

 

Was ist da Blödsinn?

 

Lies mal den Untersuchungsbericht, dann wirst Du sehen, dass das mit dem zu frühem Rotieren und dem zu hohem Startgewicht stimmt.

 

 

Hier findest Du/findet ihr den Untersuchungsbericht dazu (dauert etwas mit dem Download, sind 16,4 MB)

 

Ich nenne mal ein paar Punkte (frei übersetzt) aus dem Abschlussbericht (copy&paste geht bei dieser Seite leider nicht)

 

(S. 174ff)

[...]

 

[...]

 

- wenn man einen Treibstoffverbrauch für das taxiing vernachlässigt war dass take off weight um eine to. überschritten.

 

- ein großes Stück von der Unterseite des Tanks Nr. 5 wurde auf der RWY gefunden. Es war von innen nach aussen weggerissen.

 

- nach dem überfahren des Metallstückes, dem Aufreissen des Tanks 5, dem entzünden des Kraftstoffs kamen Triebwerk 1 und 2 gleichzeitig ins pulsieren, mit leichtem Schubverlust bei Triebwerk 1 und starkem Schubverlust bei Triebwerk 2.

 

[...]

 

- die Crew begann bei einer Geschwindigkeit von 183 kt. zu rotieren, 15 kt. unterhalb der Rotationsgeschwindigkeit Vr

(Im Anhang steht hierzu folgendes: No early rotations on

Concorde since 1990 + crew very aware of importance of respecting reference speeds on Concorde!!!)

 

[...]

 

Triebwerk Nr. 1 gewann fast vollen Schub zurück, begann aber genau beim take off wieder zu pulsieren was zu einem schweren Schubverlust führte; Triebwerk 2 hatte sich leicht erholt, kam aber genau in diesem Moment wieder ins Pulsieren.

 

[...]

 

- Feueralarm Triebwerk 2

 

[...]

 

- Thrust lever #2 wurde auf idle gezogen

 

- wegen der nicht ganz geöffneten Haupt-Fahrwerksschacht-Tür oder fehlender Wahrnehmung der geöffneten Tür konnte die Crew das Fahrwerk nicht einziehen.

 

- wegen des Schubverlustes und der offenen Fahrwerkstür war die Maschine nicht in flight configuration, was es unmöglich machte zu steigen oder die Geschwindigkeit zu vergrößern.

 

[...]

 

Der Schubverlust an Triebwerk 3 und 4 wurde verursacht von einer bewußt reduzierten Leistung und einem Pulsieren verursacht durch extreme Luftströmungen.

 

[...]

Geschrieben

Der Film war bis auf die Tatsache, dass er von 2001 war, ganz interessant. Aber ich hätte mir gewünscht, dass mehr über die aviatischen Tatsachen als über Schadenersatzforderungen berichtet würde.

Geschrieben

Glareshield, ich stimme Dir zu.

 

Obwohl ich sonst kein Freund von "Berichten" im Privatfernsehen bin, solltet ihr Euch mal folgende Termine vormerken.

 

Montag, 01.08.2005 - 00:30 Mayday - Alarm im Cockpit

 

Außer Kontrolle

Januar 2000. Für Crew und Passagiere einer Maschine der Alaska Airlines wird ein Routineflug zum Albtraum, als nach dem Start plötzlich die Höhenflosse am Heck blockiert und den Jet praktisch manövrierunfähig macht. Trotz einer Meisterleistung der Piloten kommt es zum Absturz. Die nachfolgende Untersuchung des Unglücks bringt Erschreckendes ans Tageslicht: Wartungsfehler und mangelhafte behördliche Aufsicht

 

Montag, 08.08.2005 - 00:05 Uhr Mayday - Alarm im Cockpit

 

Mit leeren Tanks

August 2001, Air Transat Flug 236 von Toronto nach Lissabon. Fünf Stunden lang verläuft Flug 236 problemfrei. Dann: Erst eine Öldruck-Warnung, dann wird ein Ungleichgewicht bei der Verteilung des Treibstoffs angezeigt. Die Piloten ergreifen erste Notmaßnahmen und nehmen sicherheitshalber Kurs auf die 340 Meilen entfernten Azoren. Wenige Meilen vor dem rettenden Land fallen beide Triebwerke aus - dennoch gelingt es der Crew, die Maschine sicher auf den Azoren zu landen ...

 

Diese Senmdereihe auf PRO7 war bisher recht gut. Als letztes wurde am 17. Juli der Aero Peru crash einer B757 im Jahre 1996 behandelt.

Geschrieben

Fande auch, dass die potentiellen Ursachen etwas zu kurz kamen. In dem offiziellen Untersuchungsbericht findet sich bestimmt mehr. Werde ihn mir in einer ruhigen Minute zu Gemüte führen. Danke Munich!

Geschrieben

Besonders interessant fand ich das Nachladen von ca. 500 kg (?) Gepäck in letzter Sekunde ohne dem Pilot Bescheid zu geben. Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.

Und der fehlende Spacer samt evt. Nachwirkungen. Davon hatte ich bisher noch gar nichts mitbekommen...

Geschrieben

@munich

super für die Vorabinfo.Bis letzte Woche kamen ja auch Teile von Mayday im Cockpit.Glaube das waren Wiederholungen.Mit der Air Transat und der A330 -notlandung ohne Treibstoff, ist aber wohl neu.Grüße

Geschrieben

Diese Dokumentation wurde vor einigen Jahren schon einmal in der ARD ausgestrahlt. Ohne die Stichhaltigkeit der Argumentation selbst überprüfen zu können stelle ich mir aber nach wie vor die Frage, warum ein so hoher Aufwand für die Nachbesserungen an der Maschine getrieben wurde (NZG-Reifen, Verstärkungen der Tanks, leichtere Innenausstattung usw.), wenn der Unfall schlicht auf eine Verkettung von Wartungs-, Beladungs- und Pilotenfehlern zurückführbar war und das Flugzeug keine prinzipiellen Schwachpunkte im Hinblick auf den Unfallhergang hatte.

Obwohl ich nach wie vor ein Fan der Maschine bin und mir die Erklärungen der Filmautoren subjektiv auch "lieber" wären als die offizielle Lesart, riecht mir Grundaussage des Films doch ein bißchen nach Verschwörungstheorie.

Geschrieben
...

Obwohl ich nach wie vor ein Fan der Maschine bin und mir die Erklärungen der Filmautoren subjektiv auch "lieber" wären als die offizielle Lesart, riecht mir Grundaussage des Films doch ein bißchen nach Verschwörungstheorie.

 

Es würde mich sehr wundern wenn es keine Bemühung der Einflussnahme gäbe, wenn DAS Flagschiff der Staatsairline, DIE Ikone der Luftfahrt und DER nationale fliegende Stolz, nahe des Hauptstadtflughafens vor den Augen der Weltöffentlichkeit und des Staatspräsidenten abstürzt. Mir fällt im Moment kein Land ein wo das nicht so wäre.

Geschrieben

Ich habe mir den Bericht auch angesehen. Er ist ja nun schon ein Jahr nach dem Unglück entstanden, in einem recht frühem Stadium der Ermittlungen und es wurde noch spekuliert.

 

Ob der leichte Rückenwind oder 500kg mehr Gepäck. Das hatte auf den Ausgang keinen Einfluss.

Die Story mit dem fehlenden "Spacer" ,dem dadurch verursachten Abdriften von der Runway und dem vorzeitigen Abheben um die 747 mit Chriac nicht zu treffen, halte ich für erfunden. Im CVR-Transcript ist kein Hinweis darauf zu erkennen.

Die Erklärung mit dem scharfkantigen Metallteil ist einfach am plausibelsten.

Wie dem auch sei, dass Feuer war nun einmal da und auch eine höhere Geschwindigkeit hätte das Flugzeug nicht mehr gerettet.

 

Als grosser Concorde-Fan hat mich neben den getöteten Menschen auch der Verlust dieses einzigartigen Flugzeuges sehr berührt und ich habe mich lange mit den Details des Unglücks beschäftigt.

 

Es war numal ein tragischer Unfall, an dem nichts mehr zu ändern ist, leider.

Geschrieben
[...]

 

Ob der leichte Rückenwind oder 500kg mehr Gepäck. Das hatte auf den Ausgang keinen Einfluss.

 

[...]

 

Wie dem auch sei, dass Feuer war nun einmal da und auch eine höhere Geschwindigkeit hätte das Flugzeug nicht mehr gerettet.

 

[...]

 

SST, Du bist mir schon oben mit Deiner "qualifizierten Aussage" aufgefallen. Wo nimmst Du denn nun diese "Weisheiten wieder her?

 

Glaubst Du dass die normalerweise exakte Berechnung des Gewichts, die Berücksichtigung des Windes und die von mir oben zitierte Warnung "crew very aware of importance of respecting reference speeds on Concorde" alles nur überflüssiger Blödsinn der fliegenden Zunft ist?

 

 

 

[...]

Die Story mit dem fehlenden "Spacer" ,dem dadurch verursachten Abdriften von der Runway [...] halte ich für erfunden.

 

Dass der Spacer (zu gut deutsch: Abstandshalter, Distanzhalter) fehlte wird auch im offiziellem Unfallbericht bestätigt (siehe Bild). Glaubst Du, dass dieses Teil nur aus Lust und Tollerei eingebaut wurde?

 

 

 

Spacer_Concorde.jpg

 

Concorde_Loading.jpg

Geschrieben

Obwohl man es von diesem Vormat nicht unbedingt erwartet hätte, habe ich vor einigen Jahren bei Focus-TV einen sehr interessanten Bericht und investigativen Bericht gesehen.

 

Im Grunde hat er munichs Aufführungen bekräftet (bzw. umgekehrt). Es kam auch ein ehemaliger englischer Concorde Pilot zu Wort. Der Abstürz erschin somit als eine Reihe von Unglück und Schlampereien !

 

Der Bericht sinngemäß:

 

- Das Medical des ersten Offiziers wurde nicht rechtzeitig eingeholt und somit war seine Lizenz nach französischem Recht abgelaufen, ergo das Flugzeug hätte nicht starten dürfen.

 

- Vor dem Take-Off wurden zusätzliche Koffer im hinteren Bereich des Flugzeugs eingeladen, die auf keinem Load-Sheet auftauchen.

 

- Für das Taxing wurde zusätzlicher Treibstoff im hinteren Tank aufgenommen. Da dieser nicht vollständig verbracht würde ergab sich, in kombination mit der Windsituation, eine deutliche Überschreitung der MTOW und eine Hecklastigkeit (der Concorde-Pilot maß dieser tatsache eine entscheidene Wichtigkeit zu) !

 

- Während Wartungsarbeiten wurde ein Spacer vergessen (für die Spurtreue der Räder zuständig). Auf Grund von Abriebspuren (zusätzlich soll dasFlugzeug Teile der Befeuerung überrollt haben) ist abzuleiten, dass das Flugzeug nicht mehr stabiel auf der RWY gehalten werden konnte und somit unter Vr rotieren musste !

 

- Das vielfach erwähnte Metallteil habe die Treibstoffzellen durchschlagen und somit einen entscheidenen - aber nicht den alleinigen - Beitrag zum Abstürz geleistet.

 

Gruß.

Geschrieben

Hi munich,

 

warum so angegriffen?

 

SST, Du bist mir schon oben mit Deiner "qualifizierten Aussage" aufgefallen.

 

Danke, das schmeichelt mir, bin aber leider schon vergeben. ;-)

 

Glaubst Du dass die normalerweise exakte Berechnung des Gewichts, die Berücksichtigung des Windes und die von mir oben zitierte Warnung "crew very aware of importance of respecting reference speeds on Concorde" alles nur überflüssiger Blödsinn der fliegenden Zunft ist?

 

Habe ich nie behauptet. Ich habe lediglich festgestellt, dass die genannten Aspekte nichts am Ausgang des Unglücks verändert haben.

Ich glaube, dass der Pilot über diese Werte informiert war, dies aber aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen in Kauf genommen hat.

 

SST hat folgendes geschrieben:

 

[...]

Die Story mit dem fehlenden "Spacer" ,dem dadurch verursachten Abdriften von der Runway [...] halte ich für erfunden.

 

Du hättest vielleicht etwas länger zitieren sollen

Ich bestreite nicht, dass der Spacer gefehlt hat, sondern halte, wie geschrieben, die Story darum, mit Chriac etc. für reine Effekthascherei.

Ich bestreite aber, dass der fehlende Spacer eine gravierende Auswirkung auf den Start hatte.

Hätte sich das fehlende Teil in irgendeiner Form bemerkbar gemacht, so wäre das bei der Untersuchung sicher aufgefallen. Zum Beispiel als "Gegensteuern" oder auch einen Kommentar des Piloten.

 

Der Absturz wurde letztendlich durch das Feuer verursacht. Mit oder ohne Spacer. Vielleicht hätte eine kleine Chance bestanden, wenn das Fahrwerk hätte eingefahren werden können.

In dem verursachten Luftwirbel konnten die Flammen aber immer mehr zerstören, dass dadurch neben dem Schubverlust der Triebwerke 1 und 2 durch keine Kontrolle mehr möglich war. Es wird angenommen, dass durch die Hitze auch wichtige Steuerleitungen zerstört wurden.

 

Oder meinst Du, dass dies ohne die zusätzlichen Koffer und mit Spacer nicht passiert wäre?

Klar wurde bei Air France geschlampt. Bei Air France gab es immer mehr Fehler bei der Concorde als bei British Arways.

Im Grunde war die Ausmusterung der Concorde der Air France nur recht, keiner stand mehr so richtig dahinter, abgesehen von der Kostenfrage.

 

Bei British Airways sah es da schon anders aus. Hier wurden bis kurz vor dem Ende noch immense Investitionen z.B. in die Inneneinrichtung getätigt und der Flieger hatte eine richtige Lobby.

Soweit ich das verstanden habe, kam das endgültige aus, als Airbus sich weigerte, weiterhin die Unterstützung für die Concorde zu erbringen. Es gab dann noch einige Überlegungen seitens BA, evtl. selbst einen grossen Part zu übernehmen, dies wurde aber schnell wieder verworfen.

 

Interessante Informationen findest Du hier: http://www.concordesst.com

 

Gruß, Olli

Geschrieben

Hallo Olli/SST,

 

jetzt kommen wir schon eher zusammen! :-)

 

Hi munich,

 

warum so angegriffen?

 

Ich war durch Deine 1. pauschale Aussage schon etwas irritiert und jetzt kam sozusagen der 2. (pauschale) Schlag.

 

 

Habe ich nie behauptet. Ich habe lediglich festgestellt, dass die genannten Aspekte nichts am Ausgang des Unglücks verändert haben.

Ich glaube, dass der Pilot über diese Werte informiert war, dies aber aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen in Kauf genommen hat.

 

[...]

 

Ich bestreite aber, dass der fehlende Spacer eine gravierende Auswirkung auf den Start hatte.

Hätte sich das fehlende Teil in irgendeiner Form bemerkbar gemacht, so wäre das bei der Untersuchung sicher aufgefallen. Zum Beispiel als "Gegensteuern" oder auch einen Kommentar des Piloten.

 

Der Absturz wurde letztendlich durch das Feuer verursacht. Mit oder ohne Spacer. Vielleicht hätte eine kleine Chance bestanden, wenn das Fahrwerk hätte eingefahren werden können.

In dem verursachten Luftwirbel konnten die Flammen aber immer mehr zerstören, dass dadurch neben dem Schubverlust der Triebwerke 1 und 2 durch keine Kontrolle mehr möglich war. Es wird angenommen, dass durch die Hitze auch wichtige Steuerleitungen zerstört wurden.

 

Oder meinst Du, dass dies ohne die zusätzlichen Koffer und mit Spacer nicht passiert wäre?

 

Zunächst mal zum Spacer:

 

Auf Grund des Berichts erscheint mir das zur Seite ziehen der Maschine aus beiden Gründen möglich. Die Untersuchungskommision erklärt das zwar sehr schön mit dem Ausfall des/der linken Triebwerks/Triebwerke, es würde aber m.E. genauso gut, auf Grund der höheren Geschwindigkeit zusammen passen. Da ja das Ruder erst so bei 80kts greift, würden auch diese Ausschläge zu dem relativ spätem Zeitpunkt passen.

 

Nur dass wir uns richtig verstehen. Ich behaupte nicht, dass es so war, sondern ich kritisiere, dass es im Unfallbericht relativ achtlos zur Seite geschoben wurde.

 

Ähnlich geht es mir mit den Gewichts- und Geschwindigkeitsberechnungen. Die ganze Geschichte wirkt in dem Unfallbericht - wie soll ich sagen - etwas konstruiert. Sie versuchen über die Beschleunigungsrate auf die Geschwindigkeit zu schließen und erklären damit, soweit ich es noch in Erinnerung habe, eine Abweichung zur Anzeige bzw. des Fludatenschreibers.

 

Ein Strömungsabriss, verursacht, sowohl von den durch die Flamme ungünstigen Luftströmungen im Zusammenspiel mit der zu geringen Geschwindigkeit und des zu hohen Loads wäre für mich wahrscheinlicher.

 

Was mich an dem Bericht auch wundert, ist, dass sie von strukturellem Versagen auf Grund der von den Flammen berührten Teile (Tragflügel) sprechen. Die Tragflügel wurden ja an der Absturzstelle gefunden, ebenso wie alle möglichen Teile im Track der Maschine. Es dürfte also ein Leichtes gewesen sein solch ein strukturelles Versagen anhand von Untersuchungen nachzuweisen. Auch davon ist im Bericht nix zu sehen.

 

Ich habe schon viele Unfallberichte im Original gelesen, aber selten hab ich so viele Lücken gefunden. Insofern braucht man sich nicht wundern, wenn "Verschwörungstheorien" zu Stande kommen.

 

Nochmals, um nicht missverstanden zu werden: ich behaupte nicht, dass der Absturz hätte vermieden werden können, wenn Geschwindigkeit, Wind- und Gewichtsberechnung gestimmt hätten. Allerdings möchte ich es aber auch nicht ausschließen.

 

Gruß

Robert

  • 2 Monate später...
Geschrieben

heute in der FAZ:

 

http://www.faz.net/s/RubCD175863466D41BB9A...n~Scontent.html

 

Mythos mit platzenden Reifen

Von Michaela Wiegel, Paris

 

 

19. Oktober 2005 War die Katastrophe wirklich unvermeidlich? Diese Frage gerät fünf Jahre nach dem Absturz der Concorde kurz nach dem Start vom Pariser Flughafen Charles de Gaulle Roissy ins Zentrum der Ermittlungen, die der französische Untersuchungsrichter Christophe Regnard leitet. Bei dem schrecklichen Unfall des Überschallflugzeugs kamen 113 Menschen ums Leben: hundert deutsche Flugreisende auf dem Weg zu einer Karibik-Kreuzfahrt, neun Mitglieder der Air-France-Besatzung und vier Personen am Absturzort Gonesse.

 

 

Auf die Bestürzung und Trauer über die Flugkatastrophe folgten Zweifel an der Sicherheit der Concorde. Hatte der Hersteller des Überschallflugzeugs, das wie ein nationales Wahrzeichen bewundert wurde, tatsächlich alles unternommen, um einen Unfall wie jenen von Gonesse zu vermeiden? Ist die zuständige Flugaufsichtsbehörde, die Direction generale de l'aviation civile (DGAC), ihrer Kontrollpflicht nachgekommen? Untersuchungsrichter Christophe Regnard ist bei seinen Recherchen auf Versäumnisse und Unzulänglichkeiten gestoßen. Drei ehemalige leitende Mitarbeiter der DGAC und vier für das Concorde-Programm verantwortliche Angestellte des Herstellerunternehmens Aerospatiale (heute EADS) sind vorgeladen. Gegen den früheren Concorde-Chefingenieur Henri Perrier wurde Ende September Anklage wegen „fahrlässiger Tötung” erhoben. Weitere Anklageerhebungen sind noch in dieser Woche zu erwarten, am Dienstag wurde ein weiterer Zeuge vernommen.

 

Ausstellungsstück in Luftfahrtmuseen

 

 

Der "fliegende Bleistift"

Zunächst hatte es ausgesehen, als sollte nur die amerikanische Fluggesellschaft Continental Airlines von der französischen Justiz zur Rechenschaft gezogen werden. Im März ist ein Strafverfahren gegen Continental als Rechtsperson eröffnet worden. Ein Mechaniker der Fluggesellschaft, der einer gerichtlichen Vorladung im Juni nicht gefolgt war, wird seither mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Doch das Continental-Verfahren könnte schon bald zum Nebenschauplatz werden. Continental wird zur Last gelegt, daß eines ihrer Flugzeuge, eine DC 10, ein 44 Zentimeter langes Titan-Teil auf jener Startbahn verloren hatte, von der die Concorde fünf Minuten später abheben sollte. Das Titan-Teil soll die fatale Kettenreaktion ausgelöst haben, die zum Absturz führte. Das wird in zwei voneinander unabhängigen Untersuchungsberichten festgehalten. Die linken Reifen des Concorde-Fahrwerks rollten bei einer Geschwindigkeit von mehr als 200 Kilometern in der Stunde über das Metallstück und platzten bei dem Schock.

 

Die Reifenstücke prallten auf den Seitenflügel der Concorde und rissen ein Loch in den Kerosintank. Das auslaufende Kerosin fing Feuer; in Sekundenschnelle breiteten sich die Flammen aus und beschädigten die linken Triebwerke. Eine Minute und 17 Sekunden nach dem Start entschloß sich der Concorde-Mechaniker, eines der linken Triebwerke auszuschalten. Fünf Sekunden später richtete der Kontrollturm vergeblich eine letzte Nachricht an „Air France 4590”. Um 16.44 Uhr und 36 Sekunden, am 25. Juli 2000, stürzte die Concorde „Sierra Charlie” in Gonesse ab. Für die französische Staatsführung war damit auch der Traum vom modernsten und schnellsten Flugzeug der Welt geplatzt. Wie schwer es fiel, sich von dem eleganten Flugzeug, in das Millionen aus der französischen - und britischen - Staatskasse geflossen waren, zu verabschieden, zeigte auch die Wiederaufnahme des Flugbetriebs nach dem Absturz. Erst im Oktober 2003 wurde der Flugbetrieb eingestellt - und die Concorde zum Ausstellungsstück in Luftfahrtmuseen.

 

„Eine sehr schwere Entscheidung”

 

Schon am 3. Oktober 1979 war es zu einem Concorde-Unfall gekommen, der heute von allen Flugfachleuten als Vorläufer der Katastrophe von Gonesse angesehen wird. Beim Start am Flughafen in Washington D. C. waren Reifen geplatzt und hatten ein Leck in die Treibstofftanks gerissen. Wie durch ein Wunder fing das auslaufende Kerosin nicht Feuer, und die Concorde konnte nach 26 Minuten Flug wieder in Washington landen. Der Unfall wurde damals zum Thema einer französischen Kabinettssitzung. Präsident Valery Giscard d'Estaing stellte die Frage, ob der Flugbetrieb mit der Concorde eingestellt werden müsse. „Das war eine sehr schwere Entscheidung, denn die Concorde stellte für die Franzosen etwas Bedeutsames dar”, sagt der Luftfahrt-Historiker Claude Alain Sarre. „Sie war kein Flugzeug mehr, sondern ein Mythos. Und für einen Staatsmann ist es sehr heikel, einen Mythos zu zerstören.”

 

Der damalige französische Transportminister Joel Le Theul wandte sich direkt an den Chefingenieur Michel Bourgeois, der für die Flugbehörde BEA den Unfall in Washington analysiert hatte. Die französischen Journalisten Bernard Vaillot und Ludovic Fossard haben den inzwischen pensionierten Bourgeois für die im zweiten französischen Fernsehen France 2 ausgestrahlte Sendung „Envoye special” befragt. Bourgeois erinnerte sich, daß seine Rolle nicht einfach war: „Man hat mich gefragt, ob sich so etwas wiederholen kann. Ich habe gesagt, ein Reifen kann immer platzen, das kann passieren. Es ist unwahrscheinlich, aber möglich.” Im Namen der Flugbehörde BEA habe er damals empfohlen, die Reifen zu verstärken sowie die Tanks besser vor äußeren Schocks zu schützen. Aber die BEA-Empfehlungen wurden offensichtlich nicht befolgt. Erst nach dem Absturz der Concorde, also mehr als 20 Jahre nach der BEA-Empfehlung, wurden die Treibstofftanks durch eine spezielle Beschichtung verstärkt. „Die Concorde war das einzige Linienflugzeug”, sagt Bourgeois, „bei dem Fahrgestell, Treibstofftanks und das Getriebe so nah beieinander lagen.”

 

Eine abwartenden Passivität

 

Eine weitere Schwachstelle der Concorde - die Reifen - war dem Hersteller Aerospatiale ebenfalls seit Ende der siebziger Jahre bekannt. In 24 Betriebsjahren wurden 70 Pannen durch geplatzte Reifen registriert, von denen 67 „signifikante Schäden” bewirkten. Im Vergleich zu einem Flugzeug des Typs Airbus war das Risiko einer Reifenexplosion bei der Concorde 66 Mal höher. 1981 hatte der französische Reifenhersteller Michelin einen den besonderen Anforderungen der Concorde besser gewachsenen Reifentyp konzipiert und Aerospatiale angeboten. Doch die Entwicklungskosten in Höhe von umgerechnet zwei Millionen Euro führten bei Aerospatiale dazu, das Michelin-Angebot zurückzuweisen. Der Anwalt der Nebenkläger, der Familie des verunglückten Concorde-Piloten Christian Marty, will herausgefunden haben, warum nicht weiter in eine verbesserte Sicherheit bei der Concorde investiert wurde. „Wie erklärt sich, daß auf bekannte Schwächen der Concorde nicht reagiert wurde?

 

In ihrem jüngsten Bericht sprechen die Fachleute von einer abwartenden Passivität. Warum? Weil sich niemand mehr für die Concorde interessierte”, sagt Anwalt Roland Rappaport. „Wenn man ein Flugzeug entwickelt, dann nicht, um 16 Modelle davon zu bauen. Aber von der Concorde wurden nur 16 Maschinen gebaut. Die Entwicklungskosten waren sehr hoch. Doch schon bald war klar, daß die Concorde ein Ausnahmemodell bleiben würde. Deshalb interessierte man sich nicht mehr für die Concorde. Man interessierte sich für den Airbus.”

 

Verwirrende Augenzeugenberichte

 

Bernard Vaillant und Ludovic Fossard sind bei ihrer Recherche für das französische Fernsehen auf zumindest verwirrende Augenzeugenberichte der Feuerwehrmänner gestoßen, die während des Concorde-Unglücks ihren Dienst am Pariser Flughafen versahen. Einer der Feuerwehrmänner berichtete den Journalisten, daß die Concorde schon Feuer gefangen hatte, bevor die Reifen in Kontakt mit dem Metallstück gerieten. War die Unglücks-Concorde nicht flugtauglich? Zwei ehemalige Concorde-Piloten stellen sich diese Frage. „Das Flugzeug hätte nicht in Dienst genommen werden dürfen. Aber der kommerzielle Druck war so stark, und es war die letzte Concorde, die zur Verfügung stand”, sagte Pilot Jean-Marie Chauve. Der Unglücksmaschine fehlte nach den jüngsten Erkenntnissen der Ermittler ein Verbindungsstück am linken Fahrwerk. Im offiziellen Unfallbericht der BEA wird das Fehlen des Teils als „schwerer Fehler” der Air-France-Wartung hervorgehoben.

 

Die ehemaligen Piloten halten diesen Mißstand für eine der Unfallursachen, zu dem erschwerend hinzukam, daß die Concorde beim Unglücksflug überladen war. Die Concorde sei von Anbeginn des Starts geringfügig nach links abgedriftet. „Das hat viele Dinge bewirken können. Zum Beispiel, daß die Reifen schon überstrapaziert waren, bevor sie auf das Metallstück stießen”, sagte der ehemalige Concorde-Chefmechaniker Michel Suaud. Die vielbeachtete Fernsehreportage hat in Frankreich zu einer Debatte über die Ausnahmestellung der Concorde geführt, die offenbar auf Kosten der Sicherheit ging. Die französische Justiz wird darüber zu befinden haben, wie weit sich vom Staat dominierte Unternehmen wie Aerospatiale und Air France sowie die staatliche Flugaufsichtsbehörde DGAC Fahrlässigkeit vorwerfen lassen müssen.

 

 

Text: F.A.Z., 19.10.2005, Nr. 243 / Seite 9

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