8stein Geschrieben 28. November 2005 Melden Geschrieben 28. November 2005 Weil ich gerade den dichten Schnee vor meinem Fenster sehe: Hat Schneefall eigentlich einfluss auf die Performance von Triebwerken? Es wird ja schon, bei dichtem Schneetreiben, eine menge sehr kaltes Wasser angesaugt und gelangt mit der Luft ins Triebwerk. Oder ist diese Menge immernoch so klein, dass es absolut keine Performanceverluste gibt? Danke für eventuelle Aufklärung, 8stein
b737pic Geschrieben 29. November 2005 Melden Geschrieben 29. November 2005 Dichtes Schneetreiben beinhaltet in einem Kubikmeter Luft weniger Wasser, als beispielsweise ein Platzregen. Schneeflocken haben eine geringere "Wasserdichte" als die gleiche Menge in Form von Regen. Da wäre der belegte Raum wesentlich kleiner. Da die Triebwerke ja schon für den Schlechtwettereinsatz konstruiert sind, tritt auch kein Problem auf. Leistungsversluste kann es allerdings schon geben, jedoch aus oben genannten Gründen eher bei Starkregen als bei Schneefall. Hat man sehr hohe Wasseranteile in der Luft, sinkt die relative Dichte je cbm Luftmenge, da ja Luftanteile im definierten Raum ( 1 cbm ) durch Wasser ersetzt werden ( physikalisch nicht ganz korrekt ausgedrückt aber verständlich, hoffe ich ). Folglich hat man dann schon in gewissem Rahmen Leistungseinbußen. Interessanter ist da das Thema Temperatur. Da sind die Einbußen bei großer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit ( da haben wir es wieder ) ungleich höher als bei kalter Nässe... Der Grund ist der gleiche: Hohe Temperatur = hohe Ausdehnung. Folglich sind im definierten Raum ( bsp. 1 Kubikmeter ) weniger Sauerstoffteile vorhanden als bei kalter Luft, die eine größere Dichte hat. Kommt jetzt noch Feuchte dazu, "fehlen" weitere Sauerstoffanteile. Da merkt man die nachlassende Performance schon sehr deutlich. Gruß B737PIC
Loran Geschrieben 29. November 2005 Melden Geschrieben 29. November 2005 Die Triebwerksleistung P wird errechnet als: P = m*cp*Delta T Wobei m der Massenstrom ist (eigentlich 'm punkt', (dm/dt)), cp der Druckbeiwert und Delta T ist der Temperaturunterschied zwischen Brennkammereintritt und -austritt. Erst einmal, der Schnee an sich hat kaum einen Einfluss, eher die Umgebungstemperatur (die bei Schnee niedrig ist). Die Schneeflocken, sowie Eis, dass sich an den Nacellen bildet und oft wegbröckelt, wird durch den Fan nach außen in den Bypass geschleudert, wo es weniger Schäden anrichten kann. Dasselbe passiert zum großteil mit einem Vogel bei einem Birdstrike, obwohl oftmals doch noch Überreste in den Mittel- und Hochdruckverdichter gelangen, und dort Schäden anrichten. Es gibt diese Highspeed Videos der TW-Hersteller, wenn zum Test gefrorene Hünchen in den Fan geschossen werden, und dann scheibchenweise durchgehen, dabei aber größtenteils nach außen in den Fan geschleudert werden. Zurück zum Schnee : gelangen Flocken in den Kernstrom, werden sie sofort zu Wasser gerschmolzen. Eine hohe Menge an Schnee (und somit auch Wasser) kann die Leistung herabsetzen, aber nur dadurch, dass das Delta T der Brennkammer herabgesetzt wird. Gleichzeitig wird aber der Massenstrom erhöht, der wiederum die Leistung erhöht. Dasselbe gilt für besonders niedrige Temperaturen, durch die höhere Dichte der Luft geht die Leistung der Triebwerke nach oben. Es Somit hat Schnee drei Folgen: Einmal steigt der Massentrom durch das zusätzliche Wasser (dieser Vorteil wird auch bei der Wassereinspritzung genutzt), ferner steigt der Massenstrom durch die kalten Umgebungstemperaturen und das Delta T der Brennkammer wird herabgesetzt. Gruß, Loran
b737pic Geschrieben 29. November 2005 Melden Geschrieben 29. November 2005 @ loran Sehr wissenschaftlich, aber richtig. Ich wollte den Ball nur etwas flacher halten. Denk dran, dass nicht nur Profis im Forum unterwegs sind und Menschen wie Du ( und ich ? ) ja helfen sollen, es allen irgendwie näher zu bringen und verständlich zu machen. Trotzdem, sehr schöner Beitrag Gruß
Loran Geschrieben 29. November 2005 Melden Geschrieben 29. November 2005 Ok, b737pic war schneller. Falls Dich die Materie genauer interessiert, hier ist ein Paper über Wassereinspritzung. Boeing hat untersucht, ob sich der Einsatz wieder lohnen könnte, und zwar hauptsächlich um die NOx Emissionen in Flughafennähe zu reduzieren. Ich bin auch als Co-Autor drauf . Damals hat die NASA unsere Abteilung beauftragt. http://gltrs.grc.nasa.gov/reports/2004/CR-2004-212957.pdf Gruß, Loran EDIT: @b737pic, Lol, danke. Da bin ich wohl etwas abgedriftet, hoffe aber dass es verständlich rüberkommt. Falls nicht, kann ich es noch etwas umformulieren.
D-AGNT Geschrieben 29. November 2005 Melden Geschrieben 29. November 2005 Es gibt diese Highspeed Videos der TW-Hersteller, wenn zum Test gefrorene Hünchen in den Fan geschossen werden... Die Viecher werden vorher aufgetaut.
Zonki Geschrieben 29. November 2005 Melden Geschrieben 29. November 2005 Es gibt diese Highspeed Videos der TW-Hersteller, wenn zum Test gefrorene Hünchen in den Fan geschossen werden... Die Viecher werden vorher aufgetaut. LOL Hat jamand ein solches video?
D-AGNT Geschrieben 29. November 2005 Melden Geschrieben 29. November 2005 Die Viecher werden vorher aufgetaut.LOL Wieso LOL?
8stein Geschrieben 29. November 2005 Autor Melden Geschrieben 29. November 2005 Danke erstmal für die interessanten und fundierten Antworten! Somit hat Schnee drei Folgen: Einmal steigt der Massentrom durch das zusätzliche Wasser (dieser Vorteil wird auch bei der Wassereinspritzung genutzt), ferner steigt der Massenstrom durch die kalten Umgebungstemperaturen und das Delta T der Brennkammer wird herabgesetzt. Loran Also verstehe ich das richtig, dass die Performance bei Schnee nicht schlechter sondern sogar besser und dazu, dank der niedrigeren Brennkammertemperatur, auch noch umweltfreundlicher ist? Dann plädiere ich ab jetzt für 365 Tage Schnee :) Gruß, 8stein
Loran Geschrieben 30. November 2005 Melden Geschrieben 30. November 2005 Es gibt diese Highspeed Videos der TW-Hersteller, wenn zum Test gefrorene Hünchen in den Fan geschossen werden... Die Viecher werden vorher aufgetaut. Natuerlich werden die vorher aufgetaut, sonst koennte ich ja auch einen Granitblock reinschiessen. Dazu wuerde wahrscheinlich ein Vollguss Stahlbeton Fan mit 20cm dicken Fanschauefeln nicht mal reichen. Mein Punkt war der, dass das Viehzeug aus Tiefkuehlbestaenden kommt und keine lebenden Tiere dafuer verwendet werden. Hat jamand ein solches video? Die hat unser Flugantriebe Prof in den Vorlesungen gezeigt, der kam von RR. Wenn Du E-mule etc. hast such mal danach. Vielleicht gibts die auch auf den Herstellerseiten. Triebwerkszertifizierung ist eine spannende Sache... Also verstehe ich das richtig, dass die Performance bei Schnee nicht schlechter sondern sogar besser und dazu, dank der niedrigeren Brennkammertemperatur, auch noch umweltfreundlicher ist? Die Summe all dieser Effekte verhaelt sich so, dass eine Leistungssteigerung eintritt. Ich denke wenn Du von dem Normallfall 15 deg C und 1013 mbar ausgehst, und dann sagen wir mal eine Umgebung von -5 deg C und 995 mbar (mit dem besagten Schneefall) zum Vergleich hast, wird sich die Leistung in der Summe durch den Dichteunterschied der Luft erhoehen. Das Delta T durch Schnee/Wasser sowie niedrigere Brennkammereintrittstemperatur ist weniger einflussreich als der Anstieg des Massenstroms. Zum Verlgeich, ein GE90-115B der 773ER schaufelt schon mal ueber 1200 Kubikmeter Luft pro Sekunde durch beim Takeoff!! Da verursachen die Dichteunterschiede bei winterlichen Temperaturen einen Leistungssprung. Der NOx-Ausstoss ist direkt mit der Brennkammertemperatur verknuepft. Sinkt diese, sinkt auch der NOx-Ausstoss. Da der Trend zu immer hoeheren Bypass-Ratios geht, muss das Delta T der Brennkammer steigen, um diesen riesigen Fan noch anzutreiben. Dadurch sinkt zwar der Spritverbrauch, Russausstoss, CO2-Emission, etc., jedoch ist die NOx-Kurve seit Jahrzehnten konstant geblieben, oder sogar gestiegen. Deswegen wollen die Hersteller nun daran gehen. NOx ist naemlich einer der Haupt-Ozonverursacher /-zerstoerer. Gruss, Loran
DRS Geschrieben 1. Dezember 2005 Melden Geschrieben 1. Dezember 2005 @ Loran: Danke fuer Deine fundierten Beitraege zum Thema. Ich finde, Du solltest ruhig exakte Darstellungen geben und ein paar Formeln haben noch niemandem geschadet. Falls es jemand nicht gleich versteht, kann er/sie ja immer noch nachfragen. Gruss, DRS
Empfohlene Beiträge
Archiviert
Dieses Thema ist jetzt archiviert und für weitere Antworten gesperrt.