Zum Inhalt springen
airliners.de

[Tripreport] Südpolnische Winterreise


redguy

Empfohlene Beiträge

Geschrieben

So, diesmal ein anderer "Tripreport". Polen hat mich inspiriert ;-)

 

Lesen is ja Abenteuer im Kopf, die dementsprechend desillusionierenden echten Bilder dazu kommen dann morgen.

 

Zu meiner Route: Ich bin nach Kattowitz geflogen, dann mim Zug nach Krakau und dann nach Wien zurück par avion. Wir steigen ein bei der Fahrt mim Linienbus vom Flughafen Kattowitz ins Zentrum.

 

(Weil das hier ja trotzdem noch das Fliegerforum is, hier trotzdem noch die harten Fakten:

 

20.11.07

4U 4759 VIE-DTM

ET 0825-0950

RT 0825-0949

A319 - D-AKNT

46 pax

 

20.11.07

W6 162 DTM-KTW

ET 1210-1340

RT 1416-1544

A320 - HA-LPI

145 pax

 

21.11.07

NE 3277 KRK-VIE

ET 1250-1350

RT 1318-1416

B73G - OM-NGM

ca. 55 pax

 

ausser den Fotos dann morgen auch noch, warum ich mich furchtbar über WizzAir ärgern musste...)

____________________________________________________________

 

Südpolnische Winterreise

 

Der Winter war gekommen. Nicht überraschend für die Jahreszeit, nicht einmal ungewöhnlich in seiner Ausprägung war er und dennoch: etwas besonderes war an ihm. Es war ein Winter, wie Er ihn schon lange nicht mehr erlebt hatte. Wie es ihn in seinen Breitengraden gar nicht mehr gab. Womöglich gab es ihn nie und er ist wie so vieles eine Art romantisierte Vergangenheitsverklärung.

 

Aber jetzt wo sie da waren, wo sich die beiden wieder getroffen haben: der Winter als sein Ur-Winter und Er selbst auf einer seiner Reisen durch den Kontinent, da erkennen sie sich wieder. Und es war nicht nur der Geruch.

 

Irgendwann musste man den Bus auch wieder verlassen, er spuckt die Fahrgäste aus, inmitten einer zu schnell hereingebrochenen Nacht. Bevor die hydraulisch hart eingestellten Türen hinter ihm zusammenschlagen müssen sich die Augen erst an die diffuse Dunkelheit gewöhnen: Der unruhige Bodenbelag ist kaum zu erkennen, auch nicht durch das Betreten. Keine zwanzig Meter entfernt steht ein eingangsloser Klotz im unwirklichen Licht des Nebels. Gleich rechts strömen Leute wortlos einen breiten Treppenaufgang hinauf. Man sieht nicht wohin er führen könnte.

 

Im Klotz erkennt man an den abgewrackten Imbissbuden und den Menschen, die sie bewohnen dass es sich wohl um einen Bahnhof handeln muss. Übrig gebliebene Exkremente zeugen von Taubenscharen, die hier herinnen wohl an weniger kalten Tagen ihre Brut nähren. Die Kassenhalle liegt unterhalb, sie ist menschenleer und fensterlos. ‚Unterhalb’ bedeutet hier eigentlich Straßenniveau. Aber Fenster und Türen hätten dem Klotz wohl seine Identität geraubt.

 

Wejście na perony 1-4: Unter der klassischen Ankunfts- und Abfahrtstafel, die wohl wesentlich mehr leisten könnte, als sie tatsächlich muss befindet sich die Unterführung zu den Bahnsteigen. Ganz hinten, auf Perron 4, Gleis 2, wartet Regionalzug P83104. Der 1962 hochmoderne Einheitstriebwagen der polnischen Staatsbahn PKP fährt mehrmals täglich die siebzig Kilometer zwischen Katowice und Kraków, verbindet so die Woiwodschaften Schlesien und Kleinpolen.

 

Leise brummend heizt sich der blau-gelbe Triebwagen mit den sehr großen, sehr roten Rücklichtern am Perron Vier auf. Einige müde wirkende Arbeiter dringen in den bunten Kasten ein. Die Schiebetüren im inneren versuchen sich zu widersetzen, müssen unter der Kraft der Steinkohlehände jedoch ächzend kapitulieren und geben den Weg frei zu den dunkelroten Kunstlederüberzügen, die das harte Holz der schmalen Doppelsitzbänke nur optisch verdecken können.

 

Plötzlich bäumt sich das Brummen auf, es erinnert an alte Dieseltriebwagen, aber es riecht nicht so. Als es wieder leiser wird, beginnt die Fahrt mit einem sehr lauten und deutlichen Ruck. Dieser Ruck ist es auch, der den Körper an den folgenden Zwischenhalten wie Mysłowice und Jaworzno Ciężkowice daran erinnern lässt, dass diese Winterreise auch tatsächlich stattfindet.

 

Die Glasscheiben des Zuges sind durch das beständige Anlaufen und den noch beständigeren Versuchen von Fahrgästen die Feuchtigkeit durch Verwischen zu beiseitigen beinahe undurchsichtig geworden. Das Licht im Inneren des Zuges und die Dunkelheit außerhalb lassen die möglichen Sichtlücken in den Fenstergläsern verspiegelt wirken.

 

Dennoch: schemenhaft sieht Er hinaus. Gefiltert von verheizter Feuchtigkeit innen und vom immer dichter werdenden Nebel draußen, ziehen Häuserschatten und andere Zivilisationserscheinungen vorbei. Sie sind sehr schwach beleuchtet. Er weiß nicht, was bedrohlicher wirkt: Das trübe Gelb von Bahnsteigslaternen, das die Welt seltsam weich und vertraut wirken lässt, obwohl sie es nicht ist. Oder das fahle Weiß von Straßenlampen, die mit Leuchtstoffröhren funktionieren und die weiße Landschaft beinahe schon steril wirken lassen. Er entscheidet sich schließlich für das nüchterne Weiß als die ihm gerade sympathischere Luzidmachung der Landschaft. Das einlullende Gelb passt doch eher zu Weihnachten. Und ‚vorweihnachtlich’ gilt in Polen erst ab dem Ersten Advent.

 

Zabierzów, ein letztes Mal gibt ein hinter einem Holzverschlag verborgenes metallenes Schnarren das Signal zum Türenschließen, dass dem Real-Ruck vorausgeht.

Endstation Kraków Główny.

 

Die Welt in Kleinpolen wird vom gleichen Nebel begrenzt wie in Schlesien. Vor Tagen hat es hier ordentlich geschneit, und seitdem hält eine dicke Aerosolschicht den Winter in Bodennähe gefangen. Der Pulverschnee ist längst eishart geworden und knirscht nicht mehr beim Darübergehen, sondern kracht und knackt. Durch menschliche Wärme angetautes Schmelzwasser formt bizarre Gebilde aus Zapfen und prägt so das Stadtbild.

 

Er bahnt sich seinen Weg nach Hause, durch eine Stadt, deren Dimensionen und Vielfältigkeit durch die persistente Nebelbank verschluckt wurden.

 

Das einzig klare ist die daraus erzwungene Kälte. Doch selbst ihr fehlt der Schrecken: sie kann weder weichen, noch noch härter werden. Selbst sie ist gefangen und armes Opfer, mehr als dass sie als mutwilliger oder gar bösartiger Frost erscheint. Den Menschen fällt es so leicht sich zu arrangieren – man solidarisiert sich mit der ehemals herein gewehten schneidenden Polarluft, die ihre scharfe Klinge längst verloren hat.

 

 

 

Wie zum Trotz des Nebels, der doch sonst ungeliebt die Stimmung trübt und der die ungewohnte Bewunderung für sein Tun und Sein nicht verwinden konnte, zieht er sich am nächsten Morgen zurück und gibt Małopolskie wieder frei.

Der Winter freilich, er hatte gerade erst begonnen.

___________________________________________________________

Geschrieben

Ich schließe mich an, Deine Zeilen sind schön geschrieben und lassen viel Raum für Phantasie. Nun war ich vorletzte Woche selber erst im verschneiten Krakau und konnte mich daher noch ein wenig mehr in das Beschriebene hinein versetzen. Jetzt bin ich gespannt auf die noch ausstehenden Bilder.

Geschrieben

Danke fürs Feedback, hier wie versprochen die Desillusion für alle die sich durch den Text gekämpft haben, und auch für die, deren Aufmerksamkeitsspanne im Internet nicht länger als 1-2 Absätze überdauert hat ;-)

 

0711210093ay0.jpg

 

0711210094ak0.jpg

 

0711210095pc5.jpg

 

0711210096qr9.jpg

 

0711210099pm2.jpg

 

0711210100ry6.jpg

 

0711210104mh1.jpg

 

0711210107lh1.jpg

 

Kraków - mein absolutes Lieblingsbild diesmal!

0711210109zb9.jpg

 

0711210118vr8.jpg

 

0711210121oi1.jpg

 

0711210122uu0.jpg

 

0711210123fs2.jpg

 

0711210130ll3.jpg

 

 

 

0711210145yw5.jpg

 

0711210148nl6.jpg

 

0711210149bs2.jpg

 

Platz in Kazimierz, dem jüdischen Viertel; Drehort Schindlers Liste übrigens. Da ist auch ganz schön was los abends!

0711210135jz4.jpg

 

Detailaufnahme der "alten Synagoge" in Kazimierz

0711210137zv1.jpg

 

0711210139tv5.jpg

 

0711210142cw8.jpg

 

DÜWAG-Lizenzwagen, auch in Wien z.B. noch immer unterwegs.

0711210140sj9.jpg

 

Turm am Rynek, ehemals grösster Marktplatz Europas; zur vollen Stunde spielt ein Trompeter, dessen Stück urplötzlich abbricht, als Erinnerung an den Überfall der Tartaren 1241. Der die Stadt warnende Trompeter wurde damals von einem Pfeil getötet.

0711210150wt1.jpg

 

Wawel-Schloss

0711210143ec3.jpg

 

0711210152bl7.jpg

 

Vorstadt am Weg zum Flughafen Krakau

0711210151hh8.jpg

 

Tatra

0711210160wj4.jpg

 

So, hoffe ihr hattet Spass an den Bildern im Kopf und den "echten"!

Mir hats wahnsinnig gut gefallen jedenfalls...

 

-------------------------------------------------------------------------------

 

Und jetzt noch kurz ein paar Worte zu WizzAir:

 

Meine Maschine flog an diesem Tag KTW-DTM-POZ-DTM-KTW.

Und als ich eincheckte für DTM-KTW war der Flug DTM-POZ noch immer am Boden. Geplante Verspätung: über 2h (Letztlich 2:25h).

 

Ich frage also bereits am CKI, ob dann nicht meiner auch verspätet sein wird. Antwort: Das wissen wir nicht.

OK, irgendwie verständlich, aber irgendwie auch lästig. Hätte die Zeit auch in Dortmund verbringen können, wenns doch eh schon offensichtlich war.

 

Der Witz aber war, dass der DTM-KTW Flug die ganze Zeit "normal" weiter gelistet war, keine Information. Boardingzeit: Es erscheint tatsächlich "Boarding" auf den Anzeigen. Weit und breit keine Maschine. Kein Angestellter am Gate. Die Abflugzeit (1210h) vergeht, es blinkt weiter "Einsteigen"....

 

15min nach Planabflugzeit fragt der Grenzbeamte in Gatenähe per Telefon nach (weil er in Pause gehen will) - geplante Ankunftszeit der Maschine aus POZ 1345h! Diese Info spricht sich unter ein paar Passagieren herum. Ich verlasse den Airside-Bereich und frage mal am Informationsschalter nach: "Ja, die Maschine ist verspätet". "Und, werden die Passagiere auch informiert?". "Ja, das wollte ich gerade machen". Zeitpunkt der Durchsage: 12.35h!

 

Als Abflugzeit wurde von W6 14.00h angegeben - also 15 Minuten turn-around vorgesehen. Das war ganz schön frech, die Info-Dame hat das auch bestätigt: "Sie können sich sicher sein, dass sie das machen, wegen der 2h-Grenze". Um 14.10h oder später geplante neue Abflugzeit hätten wir wohl Verpflegungsgutscheine erhalten müssen.

 

Letztlich hat das Umdrehen dann 30min gedauert.

 

Nachdem sowohl der incoming Flug aus POZ, als auch unserer nach KTW beide von den Anzeigetafeln spurlos verschwunden waren (!), hab ich dann vergebens versucht eine Bestätigung zu erhalten über die geplante verspätete Abflugszeit:

 

Am Info-Schalter: "Gehen Sie zu WizzAir."

Wizz-Air Schalter: "Gehen Sie zur Information, wir stellen nur Tickets aus." - "Sie sagen mir am WizzAir-Schalter, dass es also keinen Ansprechpartner für WizzAir-Fragen hier gibt?" - "Gibt es nicht."

Wizz-Air CKI: "Wir checken hier gerade WAW ein, nicht KTW".

Später am Gate: "Sowas machen wir hier nicht".

 

Fazit: Keine Chance auf eine Bestätigung, noch weniger Chance auf Entschädigung - es ist einfach niemand da, der sich dafür zuständig bekennt.

Find ich auch egal wegen der paar Euro, aber aus Prinzip Kunden derart kurz halten ist eine höchst ärgerliche Angelegenheit!

 

Nun gut, es hat der Freude an der Reise insgesamt zum Glück keinen Abbruch getan, wie man oben ja lesen konnte.

W6 buchen werde ich mir aber künftig gut überlegen.

Geschrieben

Sehr schöner Bericht!

Finde diese Städte echt interessanter als die großen europäischen Metropolen. Obwohl sie ein bisschen im Schatten von London und Co. stehen, macht gerade das ihren besonderen Reiz aus.

 

Dass mit Wizzair ist echt sehr bedenkenswert... Bin froh, noch nicht in der Situation gewesen zu sein.

Geschrieben

Nicht umsonst auch Witzair oder im noch schlimmeren Falle Wixxair genannt...

 

Auch von mir ein Kompliment für den ausgesprochen schönen Report, Polen gehört seit Jahren zu meinem geschäftlichen Reisegebiet und es ist immer wieder schön da!

Geschrieben

Gelungener Report. Was den Kundenservice angeht, kannst du Witzair mit Ryanair auf eine Ebene, nämlich die Unterste, stellen. Trotzdem faszinierend, dass es die Airline immer noch gibt, nachdem viele schon immer wieder das baldige "Aus" vermutet haben.

 

Die Zugfahrt von Kattowitz nach Krakau in den alten Wagen hab ich auch schon gemacht. Wegen der Bergwerke an der Strecke erinnert das ganze ein wenig an eine Fahrt durchs Ruhrgebiet.

Archiviert

Dieses Thema ist jetzt archiviert und für weitere Antworten gesperrt.

×
×
  • Neu erstellen...