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[Tripreport] The Last Flight of the Endeavour


Hannibal

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Hallo zusammen, ich lese schon seit einiger Zeit hier mit und habe nun beschlossen auch mal einen kleinen aviation-trip beizusteuern....ursprünglich habe ich ihn in einem US-Reise-Board veröffentlicht, daher erscheinen einige Formulierungen und Erklärungen evt. etwas laienhaft...zum eigentlichen Bericht gibt's auch eine eigene Video-Zusammenfassung des Events (ich hoffe, das klappt alles mit den Youtube-Links..):

 

 

 

 

21. September 2012, heute ist ein ganz besonderer Tag in Los Angeles für die Plane-Spotter...ein Tag, der auch einen zwar durchaus an der Fliegerei interessierten, aber nicht zum fanatischen Flugzeug-Ablichter mutierenden Kerl wie mich hinter dem Ofenrohr bzw. der A/C-Unit hervorlockt und mit einem Wochenend-Mietwagen Richtung LAX fahren lässt. Heute landet nämlich eine mit dem Space-Shuttle Endeavour huckepack-beladene Boeing 747 auf dem Westküsten-Drehkreuz und das nicht einfach so, sondern begleitet von F14-Jets zum allerletzten mal. Der ehemalige Präsident George W. Bush hatte 2004 entschieden, das NASA Shuttle Programm einzustellen (um mehr Budget in Flüge zum Mars investieren zu können...) und dies ist der ultimativ letzte Flug eines dieser Ungetüme auf einem noch viel größeren Jumbo Jet. Da man das nicht alle Tage zu sehen bekommt, schaffe ich es sogar 3 männliche Mitfahrer zu mobilisieren....das hilft bei der Finanzierung des Hertz-Mietwagens (52$ für das ganze WE...wie ich später herausfand, haben die mich komplett ohne Versicherung fahren lassen...günstig, aber fahrlässig...von mir wie von der Autovermietung..) und vertreibt die Zeit des Wartens besser. Nachdem ich den Mietwagen dank Pick-Up-Service unkompliziert aus dem nahen Yorba Linda rangeschafft hab, geht’s auch schon von Fullerton aus ins Freeway-Labyrinth von Los Angeles. Ich muss dazu sagen, dass ich ein Verrückter bin, der die Stadt aus zahlreichen Flight Simulator-Flügen und Google-Earth-Studium grob auswendig kennt und demzufolge immer ohne Karte in L.A. unterwegs ist. Seit dem Auslandssemester hat sich das natürlich noch verschlimmert 

Über die 57 auf die 91, dann über die 605 auf die 105...meinen Mitfahrern wird schwindelig...“Du weißt auch wirklich, wo du hinfährst?“ Als sich wenig später die ersten Jets parallel zu uns im Landeanflug einreihen, sind jegliche Zweifel verflogen..

Dank ausführlicher Internet-Recherche haben wir die Imperial Ave südlich vom LAX als Spotting-Point auserkoren, da die Straße etwas erhöht relativ perfekte Sicht auf den Flughafen bietet. Ein weiterer guter Plane-Spotting-Punkt ist das In 'N Out-Burger-Restaurant am Sepulveda Boulevard in der Nähe des Flughafens, aber da die Endeavor auf der Landebahn 25r runter kommen soll, sind wir näher so näher dran. Als wir ankommen zeigt sich recht schnell, dass wir nicht die einzigen Nerds sind, die sich dieses Schauspiel geben wollen. Die gesamte Straße ist abgesperrt, TV-Trucks haben sich am Straßenrand aufgereiht, eine Tribüne für V.I.P.s wurde aufgebaut und hunderte, wenn nicht tausende mit Top-Kamera-Equipment ausgerüstete Amis tummeln sich auf der ziemlich begrenzten Fläche, während die Sonne mit über 30°C den Asphalt zur Fußbodenheizung umwandelt und die Köpfe rauchen lässt. Nach der nicht ganz unproblematischen Parkplatzsuche im angrenzenden Wohnviertel bereitet mir der Smog die meisten Sorgen...mancher wird jetzt sagen wollen „Surprise, surprise..“ ,aber nach über einem halben Jahr in der Stadt der Engel habe ich definitiv gelernt, dass der Smog oft unberechenbar ist und auch immer wieder fantastisch klare Tage eine nicht für möglich gehaltene Weitsicht präsentieren. Im Sommer, gerade bei Hoch-Temperaturen stehen die Chancen aber immer etwas schlechter...im Herbst/Winter, gerade nach seltenen Regenfällen gibt es aber auch immer wieder kristallklare Tage in Los Angeles, die geradezu zu Hikes in den
Bergen einladen.

 

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Die ganze Welt scheint - simpel ausgedrückt - auf ein Flugzeug auf einem Flugzeug zu warten. Und das kann man durchaus wörtlich nehmen, denn das Publikum besteht nicht nur aus pickeligen End-30ern, die noch bei Mama wohnen und ihr ganzes Geld für teure Kameras ausgeben. Ganze Familien sind hier angerückt, TV-Teams schwärmen durch die Masse, Kinder, ja sogar Frauen können sich an dem näher kommenden Wunder der Ingenieurs-Kunst erfreuen. Die Atmosphäre ist trotz knallender Sonne inspirierend, jeder kommt mit jedem ins Gespräch. Neben mir hat ein perfekt ausgestatteter Plane-Spotter irgendwoher Kontakt zu jmd im LAX-Tower, so dass wir quasi Insider-Infos erhalten, wann denn nun mit dem Ungetüm zu rechnen ist. Er ist selbst überrascht, wie viele Menschen heute hier sind...als der A380 zum ersten Mal auf dem LAX landete, seien nicht mal halb so viele Menschen da gewesen...und damals fast nur Kerle (no way... e025.gif). Wie die obere Bildstrecke und auch das Video zeigt, haben wir an diesem Vormittag jede Menge Zeit mit Warten verbracht, denn die Endeavour war alles andere als pünktlich. Mit über einer Stunde Verspätung geht ein erstes Raunen durch die Menge......jeder schaut nervös umher, doch keiner weiß so genau, wo er hinschauen muss. Da der Jet aus San Francisco kommt, orientiere ich mich Richtung Norden....die Santa Monica Mountains sind durch die relativ dichte Smog-Schicht nur schwach zu erkennen...doch irgendwas weißes blitzt da im Sonnenlicht. Ich nehme den Camcorder zu Hilfe...zoomen...wildes Suchen...plötzlich tut sich was im Auto-Fokus...die Silhouette der 747 mit aufgeschnalltem Space Shuttle wird sichtbar, begleitet von 2 NASA-Jets. Die Menge jubelt, Menschen liegen sich in den Armen, starren mit glasigen Augen in den kalifornischen Himmel.....Stimmung wie an einem Volksfest oder einem Nationalfeiertag. Das wirkt für den Deutschen zunächst befremdlich, aber die Mischung aus Weltraum-Patriotismus und Melancholie angesichts des letzten Fluges dieses technischen Meisterstücks, reißt schon kurz darauf mit...

 

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Über ihrer finalen Destination brennt der zusammengefrickelte Doppel-Decker nochmal ein wahres Feuerwerk ab. Die Maschine gönnt sich ein exquisites Rundflugprogramm über die Stadt der Engel. Aus den begleitenden Jets wurde dieser Rundflug auf beeindruckende Weise gefilmt....Bild-Material, welches ich aufgrund meines stationären Postens nicht liefern kann, aber euch trotzdem nicht vorenthalten möchte:

 

 

In Anbetracht einiger Fakten wir dieser so federleicht scheinende Rundflug noch beeindruckender. Im Gegensatz zu einer klassischen Boeing 747 hat das Shuttle Carrier Aircraft nur eine Reichweite von 1.900km (> 10.000km). Die maximale Flughöhe beträgt 7.600 Meter bei einer Geschwindigkeit von Mach 0,6 / 648 km/h (vs. Mach 0,84 / 895 km/h) währenddessen ca. 100 Liter Kerosin pro Flugkilometer durch die 4 mächtigen Triebwerke jagen. Pro Stunde werden daraus 18 Tonnen Treibstoff. Ein solcher transkontinentaler Flug verursacht Kosten von 1,7 Millionen Dollar. Ein Stück weit ist die Einmottung des Shuttle-Programms also durchaus nachvollziehbar, auch wenn alle Anwesenden es sichtlich schade finden, dass diese Schönheit nun zum letzten Mal fliegt. Die Kombination zweier Legenden der Luftfahrt, der Boeing 747 und des Space Shuttles, ruft im Vorbeiflug pure Ehrfurcht hervor. Als sie sich zum ersten Mal unserem Standpunkt wirklich nähert, ist recht schnell klar, dass es sich nur um einen sogenannten Fly-By handelt, weil das Fahrwerk nicht ausgefahren ist. Der gesamte Flughafenbetrieb steht still, als der Shuttle Carrier mit donnerndem Getöse den weltbekannten LAX-Tower passiert, der bekanntermaßen ja schon seit langem nur noch als spaciges Restaurant fungiert und die Gänsehaut ist allgegenwärtig. Anmutig und gleichzeitig mit schierer Gewalt schiebt sich der Transport-Riese über das Flugfeld und verschwindet wieder hinter dem angrenzenden Hügel...

 

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Die gleiche Übung vollführt er unter großem Jubel wenig später auf unserer Startbahn-Seite, bevor er ein letztes Mal verschwindet. Die Wartezeit wird durch die unerbittliche Hitze mittlerweile wirklich anstrengend, aber niemand will die historische Landung dieses Ungetüms jetzt noch verpassen. Nach einer gefühlten halben Stunde ist es schließlich so weit. Der Flughafen-Betrieb stoppt erneut und in der Ferne ist wieder dieses beinahe magische Glitzern erkennbar....die Endeavour nähert sich ihrer neuen Heimat und wird ab Oktober 2012 im California Science Center in L.A. zu besichtigen sein. Die mit Megazoom-Objektiven ausgestatteten Plane-Spotter verkünden aufgeregt "Gear down!" und damit ist klar....kein weiterer Fly-By, sondern die letzte Landung! Eigentlich verweise ich an der Stelle ans Video, denn in Worte lässt sich dieses Schauspiel nur schwer fassen. Der tosende Lärm der Triebwerke wird vom Jubel der Zuschauer übertönt, die Menschen jubeln, einige singen die amerikanische Nationalhymne, wieder andere stehen einfach nur andächtig da und verinnerlichen diesen Moment für die Ewigkeit. Eine Ära geht zu Ende während die 193 Tonnen sanft die Runway berühren. Ein Moment, der vor meinem inneren Auge immer noch wie in Zeitlupe abläuft...die historische Einzigartigkeit dieser Sekunde ist jedem hier bewusst und alle - egal wie unterschiedlich, jung, alt, schön, hässlich, männlich oder weiblich sie sind - erleben diese Landung hier wie ein Kollektiv mit, dass dem letzten verbliebenen Space Shuttle nochmal die letzte Ehre erweist. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich als kleiner Bub mit einem Space Shuttle-Spielzeug zahlreiche Weltraum-Missionen in meinem Zimmer gemeistert habe...und jetzt gehörten sie zum alten Eisen und in der Raumfahrt vertraut man fortan wieder gefühlten Uralt-Raumsonden (hier spricht der Laie). Ich werde wohl alt... e025.gif

 

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Kurz darauf verschwindet das Ungetüm in einem speziell dafür hergerichteten United-Hangar. Dort werden beide Fluggeräte zum letzten Mal voneinander getrennt und das Space Shuttle Transport-fertig gemacht, denn am 11. Oktober stand seine Reise über die Straßen von L.A. bis zum California Science Center an. Die habe ich aufgrund eines Grand Canyon-Trips leider verpasst, aber ein bekannter US- Videographer, dessen Name mir gerade entfallen ist, hat davon ein bemerkenswertes offizielles Timelapse-Video gemacht, dass ich euch an der Stelle nicht vorenthalten möchte:

 

 

Besichtigen kann man die Endeavour jetzt im California Science Center mitten in L.A. ...ich hoffe, dass ich die alte Lady bei meinem nächsten Westküsten-Aufenthalt da nochmal zu Gesicht bekomme....wenn auch grounded e025.gif

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