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Kleine Luftfahrt-Wintergeschichte


nabla

Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Moin,

 

in einer Mail an meine Freunde, Familie und Bekannte habe ich mal die Ereigisse der letzten Tage geschildert - und ich dachte, Euch interessiert das vielleicht auch. Ich stelle hier mal den Originaltext rein, entschuldigt daher manche vereinfachenden Erklärungen die für Euch selbstverständlich sind...

 

 

 

Moin zusammen,

 

ich telefonierte gerade mit einem Freund und erzählte ihm ein wenig von meinen Erlebnissen der letzten Tage - und der schlug vor, daß ich diese Erlebnisse mal einfach an alle mailen könnte. Hier also meine kleine Wintergeschichte:

 

Man mag es manchmal nicht so richtig glauben, aber alle nachfolgenden Erlebnisse spielten sich am vergangenen Montag in Frankfurt (Deutschland) und in Kopenhagen (Dänemark; Kopenhagen ist die größte Stadt Dänemarks und Landeshauptstadt; Dänemark gilt weithin als vollwertige, wohlgeordnete, moderne Industrienation) ab. Warum ich das so betone? Ihr werdet es gleich sehen.

 

Eigentlich fing alles ganz normal an. Wir sollten als xxxx um 8:00 Uhr Ortszeit nach Kopenhagen fliegen und dort um 9:30 landen. Pünktlich (wie immer icon_wink.gif))) ) verließen wir in Frankfurt die Gateposition, als in dem Moment der erste Slot per Telex bei uns eintrudelte: Start zwischen 8:10 und 8:25 - kein Problem für uns, da wir ja eh gerade auf dem Weg waren. 2 min später. beim anlassen kam der nächste Slot: Start zwischen 10:00 und 10:15. Na super, das war ja ein toller Start. Von der Flugsicherung bekamen wir eine Warteposition auf dem Vorfeld zugewiesen, an der wir wieder die Triebwerke abstellten. Alle Versuche einen besseren Slot zu bekommen scheiterten erstmal, so daß in der Kabine der Bordservice begonnen werden konnte. Etwa auf dem Höhepunkt des Services (alle Paxe mit Getränken versorgt, alle Getränkewagen fahren durch die Gänge und schenken nach) bekamen wir einen neuen Slot: Start innerhalb der nächsten 20 min! Die anschließende Hektik war recht ordentlich, irgendwie hat es die Kabine aber geschafft alles aufzuräumen und wir das Flugzeug flugfertig zu bekommen.

(Dieses Slotchaos mit plötzlichen, heftigen Slot-Improvements ist noch recht normal, auch wenn die Zeiträume in diesem Fall recht krass waren).

Der Flug nach Kopenhagen war recht unspektakulär, wir hatten auch genug Sprit an Bord, da in Kopenhagen leichtes Schneetreiben vorhergesagt war. Aber auch der Anflug verlief ohne Verspätung und es sah sehr danach aus, daß wir einen Großteil der Verspätung hätten einholen können. Tja, hätten, denn als wir am Boden waren wurde uns mal wieder eine Vorfeldwarteposition zugewiesen, ebenso wie vielen anderen Flugzeugen, denn alle Gatepositionen waren belegt - ein Zeitpunkt des Freiwerdens war nicht absehbar, also stellten wir mal wieder die Triebwerke ab. Was war passiert?

Es hatte in Kopenhagen am Vorabend geschneit - nicht wenig, aber auch nicht extrem viel und es hatte auch am späten Abend wieder aufgehört. Leider war aber danach nicht mehr viel passiert. Bei unserer Ankunft waren die Startbahnen und die Rollwege minimal geräumt (und wehten durch den wehenden Schnee immer wieder ein wenig zu) und das Vorfeld so gut wie gar nicht. (Chemische Enteisungsflüssigkeiten, wie sie auf vielen anderen Flughäfen genutzt werden wurden in Kopenhagen aus ökologischen Gründen nicht verwandt.) Das hatte zur Folge, daß ein Teil der mit warmen Reifen abgestellten Flugzeuge schlicht und ergreifend an ihren Positionen festgefroren waren!!! Die Pushback-Trucks hatten leider auf dem verschneiten Untergrund auch keine Möglichkeit die Flugzeuge loszubrechen und so stand nach einiger Zeit alles still. Während wir standen und warteten begann eine 767 der SAS mit Hilfe von Treppen die Leute auf dem Taxiway austteigen zu lassen.

Nach einiger Zeit hatte man sich dann doch dazu durchgerungen etwas Enteisungsflüssigkeit einzusetzen und dann damit die Flugzeugräder vom Boden zu lösen und so konnten wir dann nach insgesamt 3h nach losrollen in Frankfurt endlich am Gate in Kopenhagen andocken. Eigentlich bis hier schon unmöglich, es kommt aber noch schlimmer.

Nach weiteren 5-10 Minuten Wartezeit war dann der "Finger" beweglich und wurde ans Flugzeug gefahren und die Leute konnten aussteigen. Mehr verließ das Flugzeug aber nicht. Da die Highloader zum entladen der Fracht- und Gepäckcontainer wegen des Schnees nicht ans Flugzeug fahren konnten blieb alles an Bord, auch das gesamte Gepäck - die Paxe wirds gefreut haben!!

Das nächste Problem war das Tanken. Kopenhagen besitzt wie viele andere Flughäfen ein Unterflurbetankungssystem, wo an jeder Gateposition ein Tankanschluß im Boden ist und der Tankwagen (der gar keinen Tank mehr hat) den Sprit nur noch in den Flügel pumpen muß. Klingelts schon? Klar, der Tankanschluß im Boden war natürlich zugeschneit und damit erstmal unauffindbar. Mit der klassischen Fuß-Quer-Schiebe-Technik wurden dann ca. 100m² Schnee durchwühlt bis der Anschluß gefunden werden konnte - der natürlich vereist war. Naja, macht ja nix, kann ja mal vorkommen, zum Glück war der Anschluß am Nachbargate frei und auch benutzbar und so wurde von Tankwagen A am Nachbargate zum Tankwagen B bei und gepumpt und Tankwagen B hat dann den Sprit in unseren Flügel gepumpt - die Schläuche waren sonst zu kurz. Zwischendurch kamen immer wieder lachende Menschen vorbei (vom Flughafenpersonal, Cleaning, Technik etc.), die alle sagten noch nie sowas gesehen zu haben - Tscha, hatte ich auch nicht, aber ich bin ja noch neu icon_wink.gif.

Im Grunde war dann alles bereit für den Abflug, die Pasagiere konnten kommen und stiegen brav ein. Das ihr komplettes Gepäck in Kopenhagen blieb wurde ihnen vermutlich erst in Frankfurt mitgeteilt. Passend für den Abflug hatten wir mal wieder einen Slot bekommen, der immer näher rückte. Leider war kein Pushback-Truck da, wäre ja auch zu schön gewesen. Nach vielen Telefonaten kam er dann irgendwann und auch der Bodenmitarbeiter, der die Kommunikation beim Pushback zum Cockpit herstellt. Gewundert hat uns an dem Tag nichts mehr, erst recht nicht, daß der Stecker seines Kopfhörers nicht zu unserem Flugzeug paßte. Und anstatt den Pushback mit Handzeichen zu machen - was auch möglich ist - blieb er unter dem Flugzeug und bastelte an seinem Kopfhörer herum. Erst mit Hilfe einer Reihe von Aussenstehenden gelang es uns ihn aus seinem Versteck zu locken und zum Pushback mit Handzeichen zu bewegen, der dann doch recht gut klappte.

Die SAS 767 stand übrigens immer noch auf dem Taxiway....

 

Unglaublich oder? In Afrika oder Südeuropa hätte ich ja sowas erwartet, aber in Kopenhagen? Nun denn, immerhin schien die Sonne und wir hatten eine nette Crew und konnten ab irgendwann nur noch lachen. Im Grunde paßte dieser Tag in Kopenhagen eh in den Umlauf: Am Sonntag waren wir dem Spinner im Motorsegler ausgewichen und waren aus Malta kommend in Nürnberg gelandet, am Dienstagmorgen haben wir von London-Heathrow bis Frankfurt 6h gebraucht (über 4h in London auf die Enteisung gewartet...)...

Noch Fragen?

 

Viele Grüße aus Wiesbaden

 

Quax, der ... ähh, ...Euer Nabla

Geschrieben

Das erinnert mich irgendwie an einen Tag im letzten Winter in HAJ.

 

Es hatte recht stark geschneit, was im Winter ja durchaus schon mal vorkommen kann. Die Räumkommandos des Flughafens schwärmten aus und begannen die Run- und Taxiways, sowie die Abstellpositionen von der weißen Pracht zu befreien. Die De-Icing-Fahrzeuge begannen ihre Arbeit aufzunehmen. Ich bereitete eine CRJ für den ersten Flug des Tages vor und wartete im mittlerweile gut geheiztem Flieger auf das Eintreffen der Crew. Am Gate neben mir stand ein A300-600 einer großen deutschen Airline und wurde enteist. Meine Crew traf ein und nach der Übergabe der CRJ blieb ich noch vor Ort, um mir das Chaos anzusehen. Nachdem der A300 soweit fertig enteist war und los wollte, hörten wir im Funk, daß die kurz zuvor geräumte Nordbahn wieder geschlossen wurde. Sie musste erneut von Schnee und Eis befreit werden. Jetzt wurde es lustig. Als die Bahn wieder freigegeben wurde, war bei dem Airbus die Hold-Over-Time (HOT) überschritten und es mußte erneut enteist werden. Kaum waren die Jungs fertig, wurde die Landebahn wieder gesperrt. Der Funkverkehr zwischen dem Airbus, der Station und dem Tower ließ mittlerweile etwas an Höflichkeit mangeln. Als die Bahn wieder freigegeben wurde, war erneut die HOT des A300 verstrichen und der Captain hat rot gesehen (kann ich voll verstehen)und den Rest der Welt per Funk verflucht!!! Es wurde nun zum dritten Mal enteist und als sie fertig waren, konnte der A300 dann endlich zum Start rollen: die Nordbahn war frei!!! Anfangs war die Crew an Bord der CRJ auch etwas sauer über die Verzögerung (wegen dem Airbus haben alle Anderen "etwas" warten müssen). Da hat sich aber schnell gelegt und wir alle fanden das Geschehen am Nachbargate recht amüsant. Bei "meiner" CRJ ging es nun auch langsam los und ich verabschiedete mich von der Crew.

 

Das war ein (nicht ganz) normaler Wintermorgen am Flughafen.

Geschrieben

Mich wundert es auch immer wieder, wie wenig Schnee reicht, um eigentlich darauf vorbereitete Flughäfen stundenlang lahmzulegen. Besonders wenn man sieht, wie problemlos und pünktlich andere Flughäfen sogar bei schwerem Schneesturm abfertigen können.

Geschrieben

@nabla:

Ehrlich gesagt erwarte ich soetwas in Afrika nicht, mangels Schnee (haha). Vielleicht bist Du ja schonmal in Indien gewesen, dort kann man desöfteren ähnlich lustige Situationen erleben, besonders was ATC betrifft. Das, was Dir passiert ist, ist allerdings nicht zu schlagen.

Bei meinem ersten Flug nach Bombay rief ich nach dem Turnaround Bombay Ground für die Startup Clearance. Nachdem ich ihm die üblichen Infos wie z.B. Destination, ATIS und Flight Level gegeben hatte, entstand folgender Dialog, den ich allerdings nicht mehr ganz im Originalton weiß, er war einfach zu haarsträubend:

ATC:"How many passengers do you have on board?"

Antwort:"166."

ATC:"How many crew do you have on board?"

Antwort:"9."

ATC:"How many persons do you have on board in total?"

Antwort:"166 passengers and 9 crew."

(Anmerkung: Es wird Wert darauf gelegt, daß Crew und Passagiere getrennt genannt werden!)

ATC:"Request number of persons on board."

Antwort:"175."

ATC:"How many passengers are through security?"

Antwort:"166."

ATC:"Confirm 166?"

Antwort:"Correct."

ATC:"But you are 175 pob (persons on board)?"

Antwort:"Correct."

ATC:"Confirm 9 passengers not through security?"

Antwort:"Negative, those 9 persons are crew."

....

Der Dialog ging noch weiter und endete nach ca. 10 min. mit dem Satz von ATC:

"Standby for push, two departures pushing back before."

Dies ist natürlich nicht mit Deinem Tag zu vergleichen, allerdings läuft das in Bombay fast regelmäßig so ab.

Viele Grüße und weiterhin happy landings,

 

B737

Geschrieben

Solche Tage gibt es immer wieder, so ein Chaos auch. Vor allem MUC ist dafür berühmt. Bei Schneefall wird in der Regel immer abwechselnd eine Bahn stillgelegt und geräumt, was zu dem netten Effekt führt dass für alle sämtlichen wartenden Flugzeuge die HOT abläuft weil man nicht so schnell zur anderen Bahn kommt (Taxyways werden kaum geräumt). Abgesehen davon ist das Startup-Delay jedesmal phänomenal ("Speedway xxx, you are now number 200 in Sequence, expect 2 to 3 hours delay, standby on frequency"). Wenn man das ganze als Spät-Umlauf hat kommt man ganz schnell an die Nachtflugbeschränkungen der Zielflughäfen, so dass man entweder ganz abbrechen muss oder halt wo anders landen.

Hab auf diese Weise mal für den Umlauf MUC-MAD-MUC-TXL deutlich über neun Blockstunden bekommen, und wir haben nur in MAD offblock gewartet.

 

Denti

 

PS: MUC wird je nach vorliebe als "Pommesbude mit zwei Runways" bzw. als "grösster reiner VFR-Flughafen Deutschlands" bezeichnet icon_smile.gif

Geschrieben

Ja aber die Deicing-Pads wirds ja noch geben. Und irgendwelche ersatzweise angeschafften Sprühfahrzeuge. Ich meinte nur, MUC wirkte da noch relativ gut aufs Wetter vorbereitet.

Geschrieben

Zur (ehemaligen) Portalenteisungsanlage in München siehe

http://www.airliners.de/community/frame.ph...192%26forum%3D1

 

 

 

Ansonsten ist MUC, wie viele andere mitteleuropäische Flughäfen auch, im Grunde recht gut auf eventuelles Winterwetter vorbereitet.

 

Allerdings sind die Grenzen des Aufrechterhaltens eines halbwegs reibungslosen Betriebs doch recht schnell erreicht, v.a. wenn z.B. in einem oder sogar mehreren der Hubpeaks die beiden Bahnen abwechselnd wegen Räumung geschlossen werden müssen.

 

Wenn in diesen vollausgelasteten Zeitfenstern dann nur mehr weniger als die Hälfte der eigentlichen Kapazität zur Verfügung steht (eine Bahn weniger + größere Sicherheitsabstände), dann sind erhebliche Delays und Annullierungen eine logische und unangenehme, aber leider unvermeidliche Folge.

 

An anderen Flughäfen mit nur einem Bruchteil des Münchner Bewegungsaufkommens oder einer gleichmäßigeren Verteilung der Flugbewegungen sind die Auswirkungen nachvollziehbarerweise nicht so dramatisch wie hier. Frankfurt hat bei einer vergleichbaren Situationen ähnliche, wenn nicht sogar schlimmere Probleme, v.a. auch bedingt durch die extrem hohe Auslastung des gesamten luftseitigen Infrastruktur.

 

Zum Glück halten sich solche Chaostage anzahlmäßig im allgemeinen sehr in Grenzen - in diesem Winter gab es zumindest in München noch keinen einzigen total schlimmen Tag.

 

 

[ Diese Nachricht wurde geändert von: coolAIR am 2003-01-10 15:15 ]

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