viasa Geschrieben 19. Mai 2004 Melden Geschrieben 19. Mai 2004 Bekannt ist ja, dass der Copilot der Tu-154 ja immer den andern gesagt hat, dass die B757 aus der anderen Richtung (Süden) kommt. Die restliche Crew hörte jedoch auf den Lotsen, der gesagt hat, dass die B757 auf der andern Seite zu sehen ist. Habe nun gehört, dass der Copilot zwei Sekunden nach der Kollision sogar dann noch gesagt hat: "Seht Ihr, ich hatte recht, dass sie von hierher kam" (oder so ähnlich...) Habe im Untersuchengsbericht (habe ich nur überflogen) leider nirgends etwas dazu gehört - wer weiss mehr?
airberli Geschrieben 19. Mai 2004 Melden Geschrieben 19. Mai 2004 @omogi tcas RAs im FS2004 zählen nicht. wenn du pilot bist, dann sollte deine ausbildungsstelle möglichst schnell dicht machen. bitte....so was wie dich kann man nicht gebrauchen... "Sehr guter Pilot!" spar dir solche dummen dinger !! @atn: bitte nicht verwechseln: zeitbomben (übertrieben...in russland gibt es auch tcas events!)sind nicht die flieger. wenn überhaupt die piloten... von denen ich eigentlich viel halte (siehe IF piloten) [ Diese Nachricht wurde geändert von: airberli am 2004-05-19 19:13 ]
ATN340 Geschrieben 19. Mai 2004 Melden Geschrieben 19. Mai 2004 "Zeitbomben" war auch auf die Crews bezogen. Die Mafia-Verhaeltnisse mit schlecht/nicht gewarteten Flugzeugen etc. sind ja schon laenger vorbei, GOTT SEI DANK! Aber ich glaube, die Lehren aus diesem und anderen tragischen Zwischenfaellen waren eindeutig, daher bin ich mir ziemlich sicher, dass da mittlerweile umfangreiche Nachschulungen stattfinden und die "Bomben" damit entschaerft werden Bei den ganzen Airlines die Westgeraet einsetzen bin ich sogar davon 100% ueberzeugt. Die Jungs muessen mangels inlaendischer Alternative bei Westairlines oder den Herrstellern in die Schulung. Da lernt man alles neu (Okay, uebertrieben), dass ist die Chance, neue Verhaltensmuster anzunehmen. ATN
karstenf Geschrieben 19. Mai 2004 Melden Geschrieben 19. Mai 2004 Ob der Familienangehörige den unglücklichen Controller auch ermordet hätte, wenn er auf den Bericht gewartet hätte? (hätte-hätte) Ich habe den Bericht zwar bis jetzt nur überflogen, aber mir scheint, dass der Mann einfach überlastet war. Die Aktion mit der Landevorbereitung für den YP-Bus für Friedrichshafen war mir neu. Er hat ja nur schnell den Sinkflug für die TU angeordnet, weil er ja eigentlich mit der Abwicklung des Anfluges der A320 beschäftigt war. Es erschien mir so - beim Überfliegen des Textes - dass dem Controller gar nicht so sehr eine Schuld zukommt, weil er ja ständig zwischen en Plätzen hin-und-her rollen mußte um beide Sachen gleichzeitig zu regeln.
jmt Geschrieben 19. Mai 2004 Melden Geschrieben 19. Mai 2004 @karstenf Ich entschuldige mich schon mal vorab für meine Worte, aber: lies doch bitte einfach erst einmal den Bericht, ja? Der eine hier sagt daß der Tu Pilot ja nichts dafür könne wenn er nicht auf die RA hört, sei halt seine russiche Mentalität. Der andere sagt daß der Lotse wegen "hin-und-her rollen" (sic!) überlastet gewesen wäre. Leute, solch ein Unfall ist tragisch genug, daß einzig Tröstliche ist wenn man 'was daraus lernt, nicht wenn man Fehler schönredet (so nachvollziehbar sie auch im individuellen Fall immer sein mögen). munich, ich stimme Dir zu, der Bericht ist wirklich äusserst interessant, schon allein da bestimmte Aspekte der Dynamik sozio-technischer Systeme zu meinem Forschungsgebiet gehören. Es ist wirklich "unglaublich" wie viele Faktoren da fatalerweise zusammen gekommen sind, und welche Rolle falsche soziale/mentale Modelle spielen.
Larsi Geschrieben 20. Mai 2004 Melden Geschrieben 20. Mai 2004 Nun hat auch der Chef der Skyguide (Gestern)mit deutlichen Worten gesagt,daß auch wir Skyguide eine Mitschuld haben und das sie klare Fehler gemacht haben,endlich wurde auch Zeit.Es bringt zwar den Opfern nichts mehr,aber in Aller Öffentlichkeit wurde um Entschuldigung gebeten,bringt den Angehörigen wohl auch nichts mehr ,aber wenigstens brachtens sie es über die Lippen und dafür Respekt,allerdings deutlich zu spät.
karstenf Geschrieben 21. Mai 2004 Melden Geschrieben 21. Mai 2004 @jmt Ich habe nichts schöngeredet. Nur das EINE ist ein UNFALL, der durch die Verkettung von 19 nun vom BFU vorgeschlagenen Änderungen vermeidbar gewesen ist. Es war zwar tw. Schlamperei und Unaufmerksamkeit dabei, aber zumindest dem Controller ist kein Vorsatz zu unterstellen. Das ANDERE ist MORD. Und der Conroller war nur ein Bruchstück in der Verkettung der Unzulänglichkeiten.
STN-EBJ Geschrieben 21. Mai 2004 Melden Geschrieben 21. Mai 2004 Zur Frage der "verspäteten" Entschuldigung: Dieses Verhalten unter rein moralischen Gesichtspunkten zu bewerten, geht leider ein Stück an der Realität vorbei. Praktisch jeder Versicherungsvertrag - und natürlich ist auch Skyguide versichert - verbietet ein solches Schuldanerkenntnis mit der Folge, dass der Schädiger seinen Versicherungsschutz verliert, bzw. vom Versicherer in Regress genommen werden kann.
jmt Geschrieben 21. Mai 2004 Melden Geschrieben 21. Mai 2004 @karstenf Es geht mir überhaupt nicht um den Mord am Lotsen... das ist selbstverständlich unentschuldbares moralisches Fehlverhalten des Täters. Ich bin großer Anhänger des kategorischen Imperativs, aber der Mord gehört für mich nicht zum Thema hier. Auch habe ich dem Lotsen keinen Vorsatz unterstellt... ich habe nur gesagt daß er Fehler gemacht hat. Du hattest geschrieben: "mir scheint, dass der Mann einfach überlastet war" und "Er hat ja nur schnell den Sinkflug für die TU angeordnet, weil er ja eigentlich mit der Abwicklung des Anfluges der A320 beschäftigt war." Das ganze klingt für mich entschuldigend... war doch nur Pech daß wg. seiner anderen Aufgaben die beiden Maschinen zusammenstießen. Nein, das war nicht nur Pech. Der Mann hat z.B. laut Bericht seine Aufgaben als Dienstleiter nicht im Griff gehabt (vgl. S. 76ff im Bericht). Und zu Deinem Satz "Und der Conroller war nur ein Bruchstück in der Verkettung der Unzulänglichkeiten" zitiere ich einfach was der Bericht als eine von zwei unmittelbaren Ursachen aufführt (S. 117): "Die drohende Staffelungsunterschreitung wurde durch die Flugsicherungskontrollstelle nicht rechtzeitig bemerkt. Die Anweisung zum Sinkflug an die TU154M erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die vorgeschriebene Staffelung zur B757-200 nicht mehr gewährleistet werden konnte." Der Lotse hatte die Dienstleitung im Unfallaugenblick. Um es noch einmal klar zu sagen: Der Bericht hat das Fehlverhalten nachvollziehbar auch auf systemische Ursachen zurückgeführt. Und der Lotse hat auch meine ganze menschliche Sympathie: das Wissen um das was im Bericht ausgesprochen wird hätte ihn wahrscheinlich für immer gezeichnet. Mein Mitleid spricht den Lotsen aber nicht frei von Schuld.
pushback Geschrieben 21. Mai 2004 Melden Geschrieben 21. Mai 2004 Der Bericht ist sehr sehr interessant und zeigt, wie der sprichwörtliche Flügelschlag des Schmetterlings eben doch einen Hurricane auslösen kann. Jeder, der in diesem komplexen System arbeitet hat eine große Verantwortung, denn sein Versagen kann ein weiterer kleiner Schritt in Richtung einer Katastrophe sein. Man sollte sich das jeden einzelnen Tag wieder klar machen. Eine Sache würde mich noch interessieren. Mir ist nicht klar, inwieweit sich die Crews gegenseitig hören konnten, bzw. die Anweisungen, die der Lotse der jeweils anderen Maschine gegeben hat. Müsste es der DHL Crew nicht verwunderlich vorgekommen sein, dass sie ein TCAS-Kommando zum Sinken bekommt und einleitet und Sekunden später die TU-154 ebenfalls ein Sinkflugmanöver bestätigt. Um 21:35:19 hat dann die DHL Maschine einen TCAS descent gemeldet. In dem Bericht wird nicht geklärt, was im Cockpit der TU-154 zu diesem Zeitpunkt passiert. Hätte es dort nach diesem Funkspruch klar sein müssen, dass die DHL Maschine ebenfalls sinkt oder hat man in so einer Situation keine Kapazitäten mehr, um auf so etwas auch noch zu achten?
jmt Geschrieben 21. Mai 2004 Melden Geschrieben 21. Mai 2004 @pushback Teilweise wird eine Antwort auf Deine Fragen in der Timeline im Anhang gegeben... so ist z.B. in der Reihe "CVR Tupolev->Noises", Zeit 21:35:19 die Ankündigung des TCAS descend der Boeing zu finden, und umgekehrt in "CVR Boeing->ATC", Zeit 21:35:07 die Tu-Bestätigung der ATC Weisung zum descent. Warum das einmal als Noise und das andere Mal als ATC auftaucht ist mir aber auch ein Rätsel. Inwieweit diese Meldungen das Bild der Situation im jeweils anderen Cockpit gepägt haben wäre zwar interessant (ich habe mich das auch gefragt), würde aber wohl reine Spekulation bleiben.
munich Geschrieben 23. Mai 2004 Autor Melden Geschrieben 23. Mai 2004 Ein interessanter Artikel zum Thema Luftfahrtunfälle-Kausalkette/System stand in der NZZ-Online v. Dienstag, 18. Mai 2004. Nachdem diese Seiten nicht allzulange über den Link erreichber sind, schreib ich den Text mal hier rein. http://www.nzz.ch/2004/05/18/il/page-article9LFNY.html Wenn komplexe Systeme zusammenbrechen Das Risikoumfeld, in dem Fluglotsen arbeiten Am Mittwoch will die deutsche Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung den Untersuchungsbericht zur Kollision über Überlingen im Jahr 2002 vorlegen. Dass dabei die Lotsendienste der im Unglücksgebiet zuständigen Skyguide breiten Raum einnehmen werden, steht zum Vorneherein fest. Im Folgenden macht sich ein Flugverkehrsleiter Gedanken über die Rolle des einzelnen Mitarbeiters im Gesamtsystem Luftfahrt, über Systemversagen und über das Spannungsfeld Strafandrohung und Flugsicherheit. Von Marc Baumgartner* Trotz der statistisch belegten Tatsache, dass das Verkehrsflugzeug ein extrem sicheres Transportmittel ist, kommt es immer wieder zu Flugunfällen. Die Aviatikbranche als Ganzes ist ein System, das seinerseits aus vielen Komponenten zusammengesetzt ist. In solchen vernetzten Systemen existieren zahlreiche Schnittstellen, und es zeigt sich, dass es zu sicherheitsrelevanten Vorfällen mit zum Teil gravierenden Folgen kommen kann, sobald eine dieser Schnittstellen versagt. Die Flugverkehrsleiter sind ein gewichtiger Bestandteil dieses Systems. Sie kontrollieren täglich bis zu 28 000 Bewegungen im europäischen Luftraum. Systemversagen Mitte April hat in Mailand ein Strafgericht in erster Instanz vier von elf Angeklagten zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Sie waren am 8. Oktober 2001 auf dem Flughafen Mailand Linate an der Arbeit, als sich ein Privatjet bei Nebel auf der Hauptpiste zum Abflug bereitstellte. Zur gleichen Zeit befand sich eine MD-87 der Scandinavian Airlines im Startmanöver. Die beiden Flugzeuge kollidierten am Boden. Alle 114 Insassen und 4 Angestellte der Gepäckabfertigung kamen ums Leben. Einer der vier Verurteilten ist der Flugverkehrsleiter, der an jenem Tag die Flugzeuge in Linate per Funk und ohne Sichtverbindung gemäss den gängigen Verfahren gelotst hatte. Der vom italienischen Flugunfallbüro publizierte Untersuchungsbericht hatte unter anderem folgende systemische Ursachen festgestellt, die zum Unglück führten: schlechte Sicht, sehr hohes Verkehrsaufkommen, keine adäquate Bodenbefeuerung. Weiter nahm die Privatjet-Crew den falschen Rollweg und stellte sich ohne ausdrückliche Erlaubnis auf der im Gebrauch stehenden Piste zum Start bereit. Die Besatzung des Privatjets war darüber hinaus nicht qualifiziert für den Betrieb unter solchen Wetterbedingungen, die Fluglotsen hatten keine Ahnung von der zwar vorhandenen, aber nicht publizierten Bodenmarkierung auf dem Flughafen. Die zur Unfallzeit angewendeten betrieblichen Verfahren entsprachen nicht den internationalen Vorschriften; vor allem das Fehlen des Bodenüberwachungsradars, die mangelhafte Ausbildung, die unvollständigen dienstlichen Vorgaben verhinderten, dass die Fluglotsen jederzeit über die Position der Flugzeuge im Bilde waren. Auf den betroffenen Flugverkehrsleiter wurde nach der Urteilsverkündung ein Mordanschlag verübt. Er musste sich vor den Familien der Opfer verstecken und zu rechtlichen Mitteln greifen, um begrenzt Personenschutz zu erhalten. Die deutsche Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung hat für den kommenden Mittwoch die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts zum Flugzeugzusammenstoss vom 1. Juli 2002 über Überlingen angekündigt. Der Unfallbericht dient der Aufklärung von Unfallursachen und -zusammenhängen und damit der Erhöhung der Flugsicherheit im Allgemeinen. Er kann aber auch als Bestandteil des Beweismaterials für eine strafrechtliche Untersuchung dienen. Beim Flugzeugzusammenstoss bei Überlingen starben 71 Personen. Der diensthabende Fluglotse wurde Ende Februar dieses Jahres Opfer eines Tötungsdelikts. Die tragischen Ereignisse haben den Berufsstand des Flugverkehrsleiters weltweit, aber vor allem in der Schweiz, emotional stark belastet. Der Überlingen-Bericht sowie die laufenden Strafuntersuchungen werden grosses Interesse bei den Medien hervorrufen und die Suche nach Schuldigen eröffnen. Doch in der Zivilluftfahrt können «Hexenjagden» kontraproduktiv sein. Wir glauben, dass sich Unfälle ereignen, weil Menschen sich falsch verhalten oder unkonzentriert arbeiten. Beim Unfall in Linate zeigt sich etwa, dass der Fluglotse nicht wusste, wo die Flugzeuge waren, dass die Flughafenmanager das Bodenradar nicht hatten reparieren lassen, dass sich niemand darum kümmerte, die Bodenmarkierung aufzufrischen und zu publizieren. «Skandalös, kriminell» Wenn wir in den Trümmern eines Flugunfalls wühlen, empfinden wir diese Unterlassungen als schockierend, skandalös oder sogar als kriminell. Es scheint nach der Aufdeckung solcher Missstände nur eine Lösung zu geben: Man entlässt diese Personen, stellt sie vor Gericht und sperrt sie allenfalls ein, stellt damit sicher, dass sie nie mehr eine Arbeit innerhalb eines sicherheitskritischen Systems bekommen. Man statuiert ein Exempel. Das Problem dieser Logik ist, dass sie uns nicht weiterbringt. Unfälle werden nicht einfach von diesen Personen «gemacht». Die Forschung hat erkannt, dass Unfälle meistens ein «normales» Phänomen in Systemen sind, die unter Bedingungen kreiert werden, die mit Ressourcenknappheit und Wettbewerb zu tun haben. Unfälle sind quasi Nebenprodukte, wenn normale Leute normale Arbeit leisten, in einem technologischen und bis zu einem gewissen Punkt risikoreichen Umfeld. Unfälle passieren, weil das System als Ganzes versagt, nicht weil einzelne Leute Fehler machen. Man nennt diese Betrachtungsweise in der Forschung die systemische Sicht. Sie sieht den kleinen Fehler oder die Probleme, die wir oberflächlich wahrnehmen, als Symptom und nicht als Ursache. Als Symptome weisen sie auf tiefer liegende Unzulänglichkeitem im System hin. Diese können mit Prioritäten, Politik, Kommunikation, Ressourcenknappheit, Entwicklungsunsicherheiten und vielem mehr zu tun haben. Für Personen, die Teile dieses Systems sind, sind solche Gegebenheiten selten so offensichtlich, wie sie externen Beobachtern nach einem Unfall erscheinen; sie sind einfach Teil der täglichen Arbeit. Die Symptome mit einem potenziellen Unfall zu verknüpfen, scheint vor dem Unglück unmöglich. Drift der Systeme Ein zusätzliches Problem ist, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Unfall ereignet, mit der Zeit grösser wird. Systeme wandern langsam und unmerklich an den Rand ihres eigenen Sicherheitsdispositivs. In ihrer täglichen Arbeit treffen Menschen - Operateure, Manager und Verwalter - zahlreiche Entscheidungen und gehen Kompromisse ein. Sie lösen viele kleine und grössere Probleme. Und jedes Mal haben sie die Überzeugung, das Richtige getan zu haben. Aber gewisse Konsequenzen dieser Entscheidungen sind nicht vorhersehbar. Der kumulative Effekt nennt sich «Drift». Dieses Abgleiten ins Versagen ist möglich, weil Personen in Organisationen Tausende von kleinen und grösseren Entscheidungen treffen, die ihnen als nicht vernetzt erscheinen. Aber es ist möglich, dass alle diese kleinen, banalen Entscheide zusammen das System an die kritische (Sicherheits-)Schwelle bringen. Die Forschung auf diesem Gebiet zeigt, dass es schwierig bis unmöglich ist, diesen Drift zu erkennen. Es geht hier nicht um Rhetorik von Berufsverbänden, die ihre Klientel vor dem Gefängnis bewahren wollen. Die Aussagen beruhen auf dem sich rasch entwickelnden Feld der Risiko- und Unfallforschung. Die Wissenschaft hat sich klar für die systemische Sicht entschieden. Unfälle geschehen, weil das System als Ganzes versagt, weil sehr viele verschiedene Faktoren zusammenspielen. Diese werden erst nach einem Unfall entdeckt, wenn man sich um mehr Hintergrundinformationen bemüht. Unfälle geschehen oft, obwohl alle beteiligten Personen ihre Arbeit den Regeln gemäss erledigen. Dies deshalb, weil die Systeme als Ganzes einem gewissen Risiko ausgesetzt sind, verstärkt etwa durch Wettbewerbs- und Zeitdruck. Das System muss lernfähig sein Das zweite Problem: Personen zu bestrafen oder sie zu entlassen, schafft keinen Fortschritt, erzeugt nicht mehr Sicherheit des Systems. Richterliche Sanktionen schliessen nicht aus, dass sich ähnliche Vorfälle erneut ereignen. Sie führen im Gegenteil eher zu erhöhter Unfallgefahr: Wir zementieren nur den falschen Glauben, dass das System an sich sicher sei und dass, wenn nach einem Zwischenfall nur einige faule Äpfel aus der Organisation entfernt werden, dieser Zustand auch wieder erreicht werde. Sobald wir einige Individuen innerhalb des Systems bestrafen, kommt es zu gut dokumentierten gegenteiligen Reaktionen. Am wichtigsten ist, dass die Beteiligten Angst bekommen. Sie stellen dann jegliches Rapportieren sicherheitsrelevanter Probleme, denen sie begegnen, ein - aus Angst davor, dass auf den Berichterstatter zurückgegriffen, dass er bestraft wird. Systeme, in denen keine Kommunikation über Sicherheitsaspekte existiert, sind gefährliche und risikoreiche Systeme. Sie sind nicht lernfähig, können nicht verbessert werden. Weiter ist es nötig, dass die Grenzen des Systems von allen verstanden und permanent ausgelotet werden. Nur dann ist es möglich, zu erkennen, wie weit die Operation noch von diesen Sicherheitsgrenzen entfernt ist. Zur Erhöhung der systemischen Sicherheit führt das Bewusstsein, dass das ganze System entweder funktioniert oder aber als Ganzes versagt. * Der Autor, Psychologe, ist Flugverkehrsleiter bei der Skyguide in Genf. Nebenamtlich ist er Präsident der IFATCA (International Federation of Air Traffic Controllers' Associations), welche die Berufsverbände in 127 Ländern mit 40 000 Fluglotsen repräsentiert.
Gast Geschrieben 23. Mai 2004 Melden Geschrieben 23. Mai 2004 Schöner Artikel! Trotzdem ist in bestimmten Fällen schon eine Bestrafung der Beteiligten (zB. bei absichtlichem Unterlassen oder grober Fahlässigkeit) schon aus Sühnegründen nötig. Es nutzt dem System nichts aber es schadet ihm auch nicht. Bitte auch nochmal beim fälligen LowCost Crash posten! Da wird schön die "Systemdrift" erklärt und Faktoren wie die, daß Manager immer mehr Kompromisse eingehen usw. usw. Nicht daß dann einer sagt man hätts nicht schon mal erwähnt.
munich Geschrieben 23. Mai 2004 Autor Melden Geschrieben 23. Mai 2004 Zitat OMOGI: >>Trotzdem ist in bestimmten Fällen schon eine Bestrafung der Beteiligten (zB. bei absichtlichem Unterlassen oder grober Fahlässigkeit) schon aus Sühnegründen nötig.<< Das ist schon klar! Allerdings würde es von strafrechtlicher Seite auch mal notwendig sein, die "eigentlich Verantwortlichen" zur Rechenschaft zu ziehen (so ähnlich wie es beim "Linate-Unfall" war.) So wären in meinen Augen bei Skyguide eben die "Chefs, Vorstände" ebenso zur Rechenschaft zu ziehen, im Prinzip sogar mehr, als es der Lotse gewesen wäre, da sie kraft ihres Amtes diese Zustände verschuldet haben. Ähnlich sehe ich es beispielsweise bei der DFS. Dem Controller bleibt doch nichts anderes übrig, als aus der, von der Chefetage verordneten "Mangelverwaltung" das Beste zu machen. Oder Thema LCC (oder natürlich auch jeder andere Carrier)! Wenn beispielsweise nachweisbar ist, dass ein Unfall auf Grund von "oben" verordneter "Sparmaßnahmen" geschieht, dann ist eben beispielsweise der "Airlinechef" genauso, um nicht zu sagen höher zu bestrafen, als das ausführende Organ. Wird aber leider ein "Wunschtraum" bleiben! Sonst müssten sich unsere Politiker auch endlich mal einer Verantwortung unterziehen - und das kann man ja wohl nicht verlangen - oder???
munich Geschrieben 23. Mai 2004 Autor Melden Geschrieben 23. Mai 2004 Interessant zu sehen, wie WEIT sich die DFS aus dem Fenster lehnt (Man könnte auch sagen "Hochmut kommt vor dem Fall"!): Kompletter Bericht siehe http://www.dfs.de/dfs/deutsch/default/popu...19_5/index.html >> ...Ganz besonderen Wert legt die DFS auf die Feststellung, dass es in deutschen Kontrollzentralen nie zu einer Situation wie in der Unglücksnacht in Zürich kommen kann, wo nur ein einziger Fluglotse im Kontrollraum anwesend war und auch noch zwei getrennte Arbeitsplätze gleichzeitig bedienen musste. Internationalen Vorgaben folgend gibt es zwar auch in der DFS die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz in der Kontrollzentrale ohne einen zusätzlichen Lotsen zu besetzen. Doch sitze zum einen nie ein Lotse allein im Kontrollraum, sondern sei stets von Kollegen umgeben. Zum anderen habe sich die DFS selber scharfe Regeln gegeben, genannt "Protected Sector Operation von Lotsenarbeitsplätzen", die genau festlegen, wann und unter welchen Bedingungen an einzelnen Arbeitsplätzen auf einen zweiten Lotsen verzichtet werden kann...<< Eine Diskussion von Fluglotsen UND WIE ES WIRKLICH IST, findet ihr unter: http://forum.myphorum.de/read.php?f=8631&a...6002#reply_6002 [ Diese Nachricht wurde geändert von: munich am 2004-05-23 11:25 ]
MiG MFI Geschrieben 23. Mai 2004 Melden Geschrieben 23. Mai 2004 URL: http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrich...elt/?cnt=440611 Angehörige loben Überlingen-Bericht Kette von Fehlern führte zur Flugzeugkatastrophe vom Bodensee / Aufarbeitung geht in die nächste Phase Fehler des Schweizer Lotsen und des russischen Piloten führten zur Flugzeugkatastrophe von Überlingen - das geht aus dem Abschlussbericht der deutschen Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) hervor. Harte Kritik wurde besonders am Management der Flugsicherung Skyguide geäußert. VON ANDREA NEITZEL Zürich· 20. Mai · Angehörige der Opfer der Flugkatastrophe begrüßten den Untersuchungsbericht als Basis für Gerichtsverfahren. "Wir Verwandten haben sehr auf diesen Abschlussbericht gewartet, damit die Schuldigen genannt und zur Verantwortung gezogen werden", sagte die Sprecherin der Hinterbliebenen in der russischen Teilrepublik Baschkirien, Julia Fedotowa, der Nachrichtenagentur dpa. Am 1. Juli 2002 waren bei der Kollision einer Boeing 757 und einer Tupolew 71 Menschen gestorben, darunter 54 Kinder und Jugendliche. Der rund 120-seitige Bericht, den die BFU am Mittwoch vorstellte, zählt fünf Ursachen auf, die zum Flugzeugunglück von Überlingen führten. Der Bericht bekräftigt zum einen frühere Aussagen, dass der Lotse der Schweizer Flugsicherung Skyguide die drohende Gefahr zu spät bemerkt hat. Als weitere unmittelbare Ursache nennt die BFU die Entscheidung des russischen Piloten, dem Befehl des Lotsen zu folgen statt dem bordinternen Kollisionswarnsystem (TCAS), das einen Ausweichkurs berechnet hatte und zum Steigflug aufforderte. Wie die Auswertung des Stimmrekorders ergab, waren die widersprüchlichen Angaben im Cockpit der Tupolew zwar bemerkt worden, es gab jedoch keine Diskussion darüber, besser dem TCAS zu folgen. Zudem führt der BFU-Bericht systembedingte Gründe für den Unfall auf: So sei die Integration des Warnsystems TCAS innerhalb der Luftfahrt "unzureichend" gewesen; die veröffentlichten Regelwerke seien "lückenhaft und teilweise in sich widersprüchlich". Konkret bedeutet das, dass es in der russischen Föderation im Gegensatz zum Westen keine Anweisung gibt, dem TCAS unbedingt zu folgen; es wird lediglich "empfohlen", dem System zu gehorchen. Deutliche Worte an Skyguide Systembedingte Unfallursachen lägen darüber hinaus bei Skyguide: So habe das Unternehmen die Nachtschicht generell nur unzureichend besetzt, nämlich mit nur zwei statt drei Lotsen. Hinzu kam dann noch, dass "die Führung seit Jahren duldete", dass zu verkehrsarmen Zeiten in der Nacht sogar nur ein Lotse arbeitete. Auch wenn die BFU mehrfach betonte, sie sei nur für die Klärung der Unfallursache, nicht aber der Schuldfrage zuständig, findet der Bericht im Kapitel "Beurteilung" deutliche Worte. "Die BFU ist der Auffassung, dass der Lotse nicht in der Lage war, die ihm übertragenen und zusätzlich übernommenen Aufgaben sicher umzusetzen", heißt es. Das Verfahren, dass nur ein Lotse Nachtdienst ausübt, während der andere im Nachbarraum schläft, gab es zwar nur inoffiziell, war aber "dem Management bekannt und wurde von ihm geduldet". Weiter heißt es: "Aufgabe der Führung und der Qualitätssicherung des Unternehmens wäre es gewesen, diese Mängel zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu deren Abstellung zu ergreifen." Warum der Lotse den Kollegen schlafen ließ, obwohl am Unglücksabend wegen Wartungsarbeiten das Kollisionswarnsystem bei Skyguide nicht funktionierte und überdies die direkte Telefonanlage abgeschaltet war, klärt der Bericht auch: Die beiden Lotsen wussten nichts von den Arbeiten. Zwar lagen Unterlagen zum "Selbstbriefing" aus, eine Lektüre hätte aber nichts genutzt, "weil in den Unterlagen nicht beschrieben war, wie sich die Arbeiten auf die Verfügbarkeit der technischen Einrichtungen auswirken würden". Bitte um Verzeihung Insgesamt zehn der 19 Sicherheitsempfehlungen, die die BFU als Konsequenz aus dem Unfall abgibt, betreffen Skyguide. Dessen Direktor Alain Rossier entschuldigte sich am Mittwoch für die Fehler. "Wir nehmen unsere Verantwortung wahr und bitten die Familien der Opfer aufrichtig um Verzeihung", sagte er deutsch und russisch. Die BFU-Empfehlungen seien umgesetzt oder "befinden sich in der Umsetzung". So sei die Nachtschicht nun stets mit drei Lotsen besetzt. Der Skyguide-Verwaltungsrat betonte, er stehe zu Rossier und dessen Team. Das Management habe "Lehren aus dem Unglück gezogen" und arbeite "am Aufbau einer starken Sicherheitskultur". Die letzten Sekunden Die BFU hat in einer Tabelle die Situation in den Cockpits der beiden Maschinen dargestellt, Sekunden vor dem Crash: 50 Sekunden: In der Boeing und der Tupolew informiert das Warnsystem TCAS über Konfliktverkehr ("Traffic, Traffic"). 43 Sekunden: Die Tupolew erhält vom Lotsen die Anweisung, zügig zu sinken - mit dem Hinweis "Konfliktverkehr". 38 Sekunden: Die Tupolew leitet den Sinkflug ein. 29 Sekunden: Der Lotse wiederholt die Anweisung an die Tupolew, zügig zu sinken, weil die erste Anweisung nicht erwidert wurde. Diese Anweisung wird von der Crew sofort bestätigt. Unmittelbar darauf informiert der Lotse, ein anderes Flugzeug sei in der "2-Uhr-Position". (Anmerkung d. Red.: Der Hinweis war falsch, die Boeing war in "10-Uhr-Position". Der Bericht vermerkt, dass dieser Fehler die Tupolew-Crew offenbar irritierte. Sie hatte die Boeing bereits gesichtet). 22 Sekunden: Das TCAS weist die Boeing an, stärker zu sinken ("increase descent"). 12 Sekunden: Die Boeing-Crew meldet, dass sie dem TCAS folgend sinke. 8 Sekunden: Das TCAS weist die Tupolew an, stärker zu steigen ("increase climb"). 0 Sekunden: Kollision der Maschinen. rea [ document info ] Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004 Dokument erstellt am 20.05.2004 um 19:12:19 Uhr Erscheinungsdatum 21.05.2004
jmt Geschrieben 23. Mai 2004 Melden Geschrieben 23. Mai 2004 Die Stellungnahme der DFS strotzt wirklich nur so von Überheblichkeit. Da kann man nur hoffen daß die "nur" von einem PR-Fuzzi herausgehauen wurde... leider spricht der von munich zitierte Thread eine andere Sprache. Zu dem NZZ-Kommentar habe ich auch ein paar Anmerkungen. Das beginnt damit daß der Kommentator eine sehr passive Menschensicht hat: das System an sich agiert, Menschen tun immer das was sie für richtig halten, aber insgesamt driftet das System in eine instabile Lage in der es zu Unfällen kommen kann. Das ganze wird von Baumgartner dann als *die* wissenschaftliche Sichtweise dargestellt. Nun gibt es durchaus Sichtweisen sozio-technischer Systeme die den Menschen derart reduzieren (ich denke da an eine Bielefelder Schule), allein gibt es auch andere Theorien die sowohl den einzelnen Aktoren mehr Einfluß zubilligen als auch das Problem systemimmanenter Ursachen anders angehen. Und da wird es dann plötzlich spannend: sind "Ressourcenknappheit und Wettbewerb" gottgegeben oder menschengemacht? Ist es ein Naturgesetz daß Menschen die auf Sicherheitsprobleme aufmerksam machen Probleme im Job bekommen (OMOGI hat ja schon mehrfach Beispiele wie Gegenbeispiele genannt)? Und nicht zuletzt: welche Einflußmöglichkeiten hat der Einzelne auf den Lauf der Dinge... war es wirklich zwangsläufig daß der Lotse der Skyguide offenbar kein adequates Bild der Lage hatte? Und dann der Satz: "Unfälle passieren, weil das System als Ganzes versagt, nicht weil einzelne Leute Fehler machen." Das ist einfach verkürzt dargestellt. Selbstverständlich sollte ein System fehlertolerant sein, so daß falche Handlungen Einzelner nicht zum Kollaps des Systems führen. Aber Fehler werden in letzter Instanz immer noch von den Aktoren des sozio-technischen Systems begangen. Was die Frage von Schuld und Sühne betrifft... da könnte man ein sehr großes Faß aufmachen. Ich bezweifle auch daß die Bestrafung der ausführenden Gliedes in solcher Situation einen anderen Nutzen hat als die Befriedigung von Rachegelüsten, also nur auf niedere Beweggründe anderer eingeht. Was dagegen munichs "Wunschtraum" angeht kann ich dem schon mehr abgewinnen... den privatiserungshungrigen Verfechtern von eigentlich nicht anwendbaren Effizienzmaßstäben gehört schon der Prozeß gemacht.
munich Geschrieben 23. Mai 2004 Autor Melden Geschrieben 23. Mai 2004 Hallo jmt, nachdem Du ja anklingen hast lassen, dass Du Dich forschungsmäßig auch mit sozio-technischen Systemen befasst, habe ich mir schon gedacht, dass der NZZ-Artikel nicht Deine (wie übrigens auch meine) volle Zustimmung erfährt. Positiv finde ich allerdings, dass sich Medien (besser gesagt eine Zeitung) auch mal mit solchen Dingen befassen (befasst) und nicht nur immer dieses triviale Schuldprinzip der Juristerei verbreiten. Im Prinzip hat mich auch der BFU-Bericht angenehm überrascht, der diesen Blick hinter die Kulissen und die dortigen Missstände anzukreiden einmal gewagt hat. Ich weiß nicht, ob ich dies jetzt zu pessimistisch sehe, aber ich wage mal zu behaupten, dass, wenn die DFS und/oder ein namhafter deutscher Carrier in den Unfall verwickelt gewesen wäre(n), der Bericht möglicherweise anders ausgesehen hätte (diese Skepsis habe ich ja, allerdings auf Gerichte bezogen, ziemlich am Anfang des Threads schon einmal anklingen lassen). Wenn ich das/die Verhaltensweisen der DFS und mancher Carrier so betrachte, würde ich Deine Frage "sind Ressourcenknappheit und Wettbewerb gottgegeben oder menschengemacht, eindeutig mit letzterem beantworten. Und auf die weitere Frage, welche Einflussmöglichkeiten der Einzelne hat, würde ich wiederum mit Blick auf die DFS und mancher Carrier, sowie auch mit Blick auf das Gros der Kundschaft, diese Einflussmöglichkeiten als sehr gering bewerten. Warner gibt es genug, jedoch Gehör finden sie nicht - und wie verblendet, überheblich und ignorant Firmen(-leitungen) sind, beweist ja das Statement der DFS auf deren Homepage. Wenn ich so etwas sehe, sehe ich sogar Deine, in einem vorherigem Post zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, dass etwas aus solchen Unfällen gelernt wird, getrübt. Wenn es diesen Lernprozess gäbe, hätte im Prinzip der "Bodenseeunfall" schon nicht passieren dürfen, da viele Dinge bereits bei der Kollision bei Zagreb ähnlich abgelaufen waren wie 2002 bei Skyguide. Ähnlich ist es mit den Aussagen von GilaBend/Omogi/Bodan hier im Forum (sicherlich kann man über die Art und Weise, wie er es macht streiten. Aber ich sehe in dieser Art eher den Frust über die Vergeblichkeit seiner Warnungen, als Profilneurosen). Man sollte meinen, dass jeder, der die vier Grundrechenarten erlernt hat sich ausrechnen können müsste, dass billigst Tickets ab einer gewissen Grenze ein erhöhtes Risiko beinhalten müssen. Das soll und kann nicht heißen, dass grundsätzlich jeder Lowcost- oder Lowfare-Carrier unsicher und im Umkehrschluss jeder "Normalanbieter" sicher ist, aber ein kritischer Blick kann diesbezüglich sicher nicht schaden. Deiner Vermutung, dass Bestrafungen mehrheitlich keinen anderen Nutzen haben, als die Befriedigung von Rachegelüsten und somit niederen Beweggründen entspringen, kann ich nur zustimmen (geht mir mit meiner Forderung nach Bestrafung der "wirklich Verantwortlichen" übrigens genauso). Auf dieses System ist der größte Teil unserer Strafjustiz aufgebaut, denn nur in einer geringen Anzahl von Fällen ist der Schutz der Gesellschaft im Vordergrund (und auch notwendig) - und eine Abschreckung im Sinn einer Prophylaxe funktioniert nachweislich nicht einmal in wirklich kriminellen Bereichen. Wie sollte es dann bei Fahrlässigkeit greifen!
jmt Geschrieben 25. Mai 2004 Melden Geschrieben 25. Mai 2004 munich, es ist mir immer eine Freude Deine Beiträge zu lesen. Dem von Dir im letzten Beitrag geschriebenem muß man eigentlich nichts mehr hinzufügen [*]. Daß nicht nur juristische Befunde in der Presse zitiert werden ist schon positiv. Allerdings ist es auch ein Befund über die real existierende Presselandschaft daß man es positiv herausstreicht wenn es denn mal passiert. Aber es gibt ja noch die eine oder andere Zeitung von der man das erwarten darf, die NZZ gehört sicher genauso dazu wie in DE die FAZ (oder meinetwegen auch die Süddeutsche, zumindest ab und zu ). Was die Frage der Einflußmöglichkeiten des Einzelnen angeht... ich wollte da nicht zu optimistisch scheinen. Der norwegische Walfang geht weiter auch wenn der Eine oder die Andere aufhört norwegischen Käse zu kaufen. Aber auch das Unmögliche muß versucht werden. Als Kunde ist es für mich schon ein Erfolg wenn ich Freunden z.B. eine Alternative zu Airlines aufzeigen denen ich skeptisch gegenüberstehe, aus welchen Gründen auch immer (ohne in die Falle zu tappen daß Netzwerkcarrier automatisch "besser" sind als No Frills). Als Mitarbeiter sieht die Lage noch etwas schlimmer aus. Da kann ich häufig ja nicht einfach so weggehen wenn mir 'was nicht paßt (auch wenn viele in diesem Forum das anders zu sehen scheinen). Da braucht man einfach ein System welches das Aufzeigen von Schwachpunkten nicht bestraft, wenn es das nicht gibt ist es schwer das erst einmal aufzubauen. Geht nur mit einer starken Interessenvertretung, auch etwas was von vielen in diesem Forum als Quatsch vergangener Jahre abgetan wird. Gewerkschaften sind nicht nur für den Lohn da. Das die Zeichen "von oben" nicht gut aussehen ist leider auch wahr. Mehr Arbeitsdruck und der Blick auf den Shareholder Value waren schon immer ein Feind systemischer Sicherheit, aber bei privaten Firmen aufgrund der inneren Gesetze unserer Wirtschaftsform bestimmend. Lernen aus Fehlern ist da in letzter Konsequenz auch nur möglich wenn es nichts kostet. Von daher bin ich froh daß zumindest die BFU noch eine Behörde ist. Da kann dann nur das staatliche Regulativ helfen. Aber wie gesagt: man muß auch das Unmögliche immer wieder probieren [*] Was natürlich nur eine rhetorische Floskel ist: wenn dem nichts mehr hinzuzufügen gewesen wäre hätte ich ja nicht einen meiner Beiträge verbraten müssen.
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