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Auch LCC dürfen Paxe nicht im Regen stehen lassen


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Geschrieben
OLG Koblenz 29.3.2006, 1 U 983/05

 

„Billigflieger“ dürfen Passagiere bei Nichtdurchführbarkeit des Flugs nicht einfach „stehen lassen“

 

Auch so genannte „Billigflieger“ müssen Passagieren bei objektiver Nichtdurchführbarkeit des Flugs (hier: wegen Schneefalls) Unterstützungs- und Hilfeleistungen anbieten und dürfen sie nicht einfach „stehen lassen“. Verletzen sie diese Pflicht, so haften sie den Passagieren auf Schadensersatz. Dabei stellt es regelmäßig keine ausreichende Hilfeleistung dar, wenn der „Billigflieger“ den Passagieren einen erst mehrere Tage später stattfindenden Rückflug anbietet.

 

Der Sachverhalt:

 

Der Kläger und seine Frau hatten bei der beklagten „Billigfluggesellschaft“ im März 2004 einen Flug von Frankfurt nach Oslo-Torp und zurück für zusammen 155 Euro gebucht. Der Rückflug sollte am 13.3.2004 um 17.30 Uhr erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt war der Flughafen Oslo-Torp allerdings wegen Schneefalls zumindest bis 17.40 Uhr gesperrt. Die Maschine, die den Kläger und seine Frau zurückfliegen sollte, landete deshalb nicht auf dem Flughafen Oslo-Torp, sondern auf dem Ausweichflughafen Oslo-Gardermoen und flog von hier aus – ohne Passagiere – am Abend des 13.3.2004 nach Frankfurt zurück.

 

Während die Beklagte Passagiere eines Flugs nach London mit dem Bus von Oslo-Torp nach Oslo-Gardermoen beförderte, damit diese von hier aus ihren Rückflug antreten konnten, bot sie dem Kläger und seiner Frau lediglich einen Rückflug am 16.3.2004 oder die Erstattung des anteiligen Reisepreises an. Der Kläger und seine Frau kehrten am frühen Morgen des 14.3.2004 nach einer Hotelübernachtung in Oslo mit einem Flug der Lufthansa nach Deutschland zurück.

 

Der Kläger verlangte von der Beklagten Schadensersatz in Höhe der Kosten für die Hotelübernachtung in Oslo und den Rückflug mit der Lufthansa. Das AG wies die hierauf gerichtete Klage ab, weil ein Fixgeschäft vorgelegen habe und die Beklagte gemäß § 275 BGB infolge der von ihr nicht zu beeinflussenden Witterungsverhältnisse von der Leistungsverpflichtung frei geworden sei. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte dem Grunde und ganz überwiegend auch der Höhe nach Erfolg.

 

Die Gründe:

 

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Hotelkosten für die Übernachtung in Oslo und der Kosten für den Rückflug nach Deutschland, abzüglich des Betrags, den der Kläger bereits von der Beklagten erhalten hat.

 

Die Beklagte hat gegenüber ihre vertraglichen Nebenpflichten verletzt, indem sie dem Kläger und seiner Frau lediglich einen drei Tage später stattfindenden Rückflug angeboten und sie ansonsten in keiner Form unterstützt hat. Das gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem gebuchten Rückflug um ein absolutes oder relatives Fixgeschäft gehandelt hat. Selbst beim Vorliegen eines absoluten Fixgeschäfts bestehen für Fluggesellschaften Betreuungs-, Fürsorge- sowie Unterstützungspflichten für den Fall, dass die Fluggäste witterungsbedingt nicht zu dem vorgesehenen Zeitpunkt befördert werden können.

 

Auch „Billigfluggesellschaften“ dürfen sich in einem solchen Fall nicht damit begnügen, den Flug abzusagen und lediglich einen Rückflug erst Tage später oder einen anteilige Reisepreisrückerstattung anzubieten. Im Streitfall hätte die Beklagte den Kläger und seine Frau ohne weiteres zeitnah nach Deutschland zurückfliegen können. So hätte sie für ein Ersatzflugzeug sorgen oder das später leer zurückfliegende Flugzeug von Oslo-Gardermoen auf dem Rückflug zur Aufnahme der Passagiere in Oslo-Torp zwischenlanden lassen können. Außerdem wäre eine Umbuchung auf den nächsten Lufthansa-Flug nach Deutschland möglich gewesen.

 

Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte zwar von der Pflicht zu dem möglicherweise unmöglich gewordenen Rückflug um 17.30 Uhr nach § 275 BGB frei geworden, jedoch dem Kläger gemäß §§ 280 ff. BGB zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.

 

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 10.05.2006

 

Quelle: http://www.otto-schmidt.de/3754.html

Geschrieben

Interessant in dem Zusammenhang, dass hier auch ohne die

zum Zeitpunkt der Reise noch nicht in Kraft getretene EU-Verordnung

zu Gunsten des Fluggastes entschieden wurde.

 

Wenn ich da an die hier geschilderten Fälle

HLX ab Italien oder

Easyjet ab Prag denke ...

Geschrieben

Es geht hierbei eigentlich generell auch um die Frage, was laut Gesetz geleistet werden muß, bzw. was die Airlines in ihren eigenen Bedingungen schreibt. Die Airline bzw. ihr Chef akzeptiert bekanntlich auch so einiges nicht, was in Brüssel oder den einzelnen Ländern per Gesetz festgeschrieben wurde.

Der "Grünen-Insel-Airline" würde ich auf Grund von Berichten in der Presse und aus anderen Foren generell vorwerfen, daß die sich zu wenig um Alternativen für die Passagiere kümmern. Wenn denen irgendwo ein Flug ausfällt, dann haben die weder das Personal, noch den Willen dazu, die betroffenen Passagiere z.B. üben einen der anderen Hubs (z.B. Bergamo, Gerona, Stansted) zum gebuchten Zielflughafen zu bringen. Die Airline hat kaum eigenes Personal an den Flughäfen, sondern hat die Arbeiten an örtliche Abferigungsunternehmen bzw. die Flughäfen vergeben.

Vielfach ist es wegen der hohen Auslastung nicht möglich, alle Passagiere auf dem Wege (mit anderen, eigenen Flügen) sofort zu befördern, aber der Versuch sollte wenigstens unternommen werden.

 

jetblue

Geschrieben

Laut dem Magazin News (hier in Wien) will flyniki von Wien nach Moskau fliegen und AirBerlin soll die Kunden aus D und Europa nach Wien daf�r fliegen.

Geschrieben

Es gibt in solchen Fällen halt dreierlei Recht:

 

1) das von der Airline zu ihren Gunsten selbstgebastelte Recht, die AGB

2) das nationale Recht, das auf den Beförderungsvertrag Anwendung findet

3) das europäische Recht in Form der VO zu den Passagierrechten.

Geschrieben

Ein sehr einleuchtendes Urteil, wie ich finde. Und es stärkt die Rechte der Fluggäste ungemein, denn nun kann sich auch eine Airline nicht mehr auf "Weather" usw. herausreden, wenn es dann darum geht, den Schaden für den Passagier so gering wie möglich zu halten (z.B. Umbuchung auf eine andere Airline wird nicht versucht etc.).

 

Ryanair hat hier der Airlinebranche insgesamt vermutlich einen Bärendienst erwiesen, in dem die diese Forderung nicht nach Klageerhebung kurz vor der ersten Instanz (wie es eine bekannte deutsche Lufthfahrtgesellschaft in solchen Fällen gerne tut) einfach bezahlt hat. Die anderen Airlines, die bei solchen Fällen bisher auch meist eine "verklag' mich doch"-Haltung zur Abschreckung eingenommen haben, werden sich jedenfalls für diesen "Präzedenzfall" bedanken.

 

Viele Grüße - Dirk

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