Micha Geschrieben 6. Juli 2008 Melden Geschrieben 6. Juli 2008 Auch übers mieten kann ich mir keins leisten. Komisch nur dass eine Gesellschaft aufwach wenn das Kind erst in den Brunnen gefallen ist.
HB-IDF Geschrieben 6. Juli 2008 Melden Geschrieben 6. Juli 2008 Zu diesem Thema Öl-Lobby: man muss sich klarmachen, dass die Kontrolle über die Ölförderung (Upstream) und damit auch die Mitverantwortung für den Preisanstieg heute immer stärker in staatlichen oder quasi-staatlichen Händen liegt (Russland, Venezuela, Opec usw.). Für die privatwirtschaftlichen Multis wird der Zugang schwerer und sie verdienen zwar auch gut, sind aber nur zum Teil für die Preisexplosion verantwortlich. Sie haben vor allem versäumt, rechtzeitig genügend Verarbeitungskapazität (Downstream) aufzubauen - auch die knappe Kapazität an Raffinerien führt immer wieder zu Preissteigerungen. Letztlich liegt hier ja auch der Grund für den hohen Dieselpreis - in Europa hat die Produktionskapazität für Dieselkraftstoff mit dem politisch erzeugten Dieselauto-Boom nicht Schritt gehalten und nun muss Diesel importiert werden, während der Absatz an Ottobenzin zurückgeht und Benzin-Überschüsse exportiert werden. Und während wir hohe Energiesteuern zahlen, wird der Preis für Ölprodukte in Schwellenländern künstlich niedrig gehalten. Auch hier liegt ja ein Grund für die schnell wachsende Nachfrage und den Preisanstieg. Ich kann nicht beurteilen, wie lange die Regierungen dieser Staaten das finanzpolitisch durchhalten und was mit dem Ölpreis passiert, wenn die künstliche Verbilligung (u.a. von Kerosin) für die dortigen Volkswirtschaften nicht mehr zu leisten ist. Aber einfach nur der Öl-Lobby die Schuld für die heutige Situation zu geben reicht nicht. Der Staat mischt überall mit, wo es um Energie geht, und das ist auch seine Aufgabe (Daseinsvorsorge). Wichtig dabei wäre aber eine langfristige Orientierung an der Versorgungssicherheit, und hier ist trotz exorbitanter Steuern bei uns zwei Jahrzehnte lang zu vieles unterlassen worden - oft unter dem Mäntelchen der Ökologie. Meiner Meinung nach waren wir bei dem Thema in den 70er Jahren schon mal weiter.
D-AIGR Geschrieben 6. Juli 2008 Melden Geschrieben 6. Juli 2008 Schon interessant, bei dem Thema Ölpreis die verschiedenen Meinungen zu lesen. Letztlich geht mir das Gejammer wegen des hohen Ölpreises gewaltig auf die Nerven. Vor ein paar Jahren, hätten Ökonomen bei den heutigen Ölpreis eine tiefe Rezession vorhergesagt. Im Prinzip müßte man jetzt schon kurz vor einem völligen Zusammenbruch der (Welt-) Wirtschaft stehen. Dies ist aber aktuell mit Sicherheit nicht der Fall-das ist zumindest meine persönliche Auffassung. Insofern habe ich den Eindruck, daß hier manch übertriebenes Horrorszenario kursiert. Warum es bis heute flächendeckend keine 3-Liter-Autos oder serienreife Alternativantriebe gibt, ist ganz einfach: der "Leidensdruck" durch hohe Ölpreise solche Technologien zu entwickeln bzw. zu kaufen, war bislang nicht gegeben. Da hat der Markt wunderbar funktioniert: für den Verbraucher war es bislang uninteressant moderne umweltschonende Produkte zu kaufen, da diese im Vergleich zum Massenprodukt Otto-/Dieselmotor deutlich teurer waren. Da der Ölpreis weiter steigt, wird der Betrieb herkömmlicher Antriebe unwirtschaftlich, die Nachfrage geht zurück und Hersteller damit gezwungen Alternativen zu entwickeln. Da diese Alternativen aber nicht kurzfristig massehaft zur Verfügung stehen, kann man den Verbrauch nur durch sein persönliches Konsumverhalten beeinflussen, z. B. unnütze Fahrten unterlassen, die Wohnung nicht auf 25 Grad heizen, Verwendung von Energiesparlampen usw. Diese Liste ließe sich noch um einige Punkte erweitern. Die gestiegenen Energiepreise werden auch dazu führen, daß zunkünftig wieder näher am Verkaufsort produziert wird. Es ist einfach günstiger z. B. Lebensmittel aus der Region zu verkaufen, als diese kreuz und quer durch die Weltgeschichte zu transportieren und buchstäblich für nen Appel und nen Ei zu verkaufen. Kombiniert mit steigenden Löhnen in Osteuropa, Asien etc. wird dadurch auch der Standort Deutschland wieder attraktiver. Damit entfallen lange Transportwege und somit sinkt die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen. Gepaart mit modernen Antriebstechniken wird der Ölpreis mittel- bis langfristig längst nicht mehr den Einfluß auf die Energiepreise wie heute haben. Sicherlich kann sich nicht jeder ohne weiteres einen Preis von 1,60 EUR pro Liter Super leisten, dies betrifft aber hauptsächlich Pendler mit langen Fahrstrecken. Wer sein Auto im Jahr vielleicht 6.000-10.000 km bewegt wird monatilichen Mehrkosten aber verkraften können. Völlig blödsinnig sind die diskutierten "Sozialtarife". Der Normalverdiener würde dadurch noch mehr belastet, da er über "normale" Tarife die Vergünstigungen bezahlen müßte. Beim Arbeislosengeld ll sind die Preise für Energie eh schon mit eingerechnet, insofern würde hier eine Anpassung der Regelsätze im Rahmen der durchschnittliche Erhöhung der Bruttoeinkommen (denn nicht jeder Berufstätige bekommt mehr Geld vom Arbeitgeber, nur weil die eigenen Kosten steigen) völlig ausreichend sein. Das belastet durch höhere Sozialabgaben zwar auch den "Normalverdiener", ist meiner Ansicht nach aber der vernünftigere Ansatz-schließlich wird der Empfänger der Transferleistung dadurch animiert den Energieverbrauch in Grenzen zu halten. Für die Luftfahrt-um kurz die Kurve zum eigentlichen Thema zu bekommen- sehe ich ebenfalls nicht schwarz. Sicherlich wird in einigen Bereichen das Angebot heruntergefahren werden, aber z. B. auf der Langstrecke gibts nunmal häufig keine alternativen Transportmöglichkeiten zum Luftverkehr. Eher wird die Nachfrage nach touristisch begründeten Kurztripps z. B. innerhalb Europas zurückgehen. Da der Preis inkl. aller Gepäck, Service- und was weiß ich für Gebühren, solche Reisen für den Ottonormalbürger unerschwinglich machen. Da wird man sich eher auf den jährlichen 2-Wochen-Pauschalurlaub konzentrieren. Insofern sehe ich eher die sog. genannten Billigflieger als Leidtragende, da diese ihr Geld i .d. R. fast ausschließlich durch den Flugbetrieb verdienen und nicht durch diverse weitere Geschäftsfelder. Zudem ist dort der Kerosinpreis prozentual ein viel größerer Kostenblock, als z. B. bei AF, LH und Co. Zusammengefasst, wird es sehr spannend werden welche Fluggesellschaften sich behaupten können und welche die Segel streichen müssen. Verglichen mit Freunden und Bekannten sowie mit diversen Statistiken,habe ich mit Sicherheit kein überdruchschnittliches Einkommen-sicherlich sind die Energiepreise hoch, aber noch längst nich hoch genug damit ich z. B. meine Benzinschleuder stehen lasse. Daher meine Bemerkung zum Abschluß: wenn manch einer mal ganz ehrlich wäre, müsste er zugeben, daß er auf hohem Niveau jammert-man aber keine existenziellen Einschnitte im täglichen Leben ertragen muß...zum Glück ist das noch so...
HB-IDF Geschrieben 6. Juli 2008 Melden Geschrieben 6. Juli 2008 @D-AIGR: Ich würde es nicht so bagatellisieren. Die entscheidende Frage lautet doch, wie lange der Preisauftrieb noch anhält und wie weit er geht. Käme es auf dem heutigen Niveau zum Stillstand wäre es vielleicht mit einigen Anpassungsmaßnahmen wie kürzere Transportwege, sparsamere Antriebe, sozialpolitischen Ausgleichsmaßnahmen usw. zu verkraften. Vorhin wurde in den Radionachrichten davon gesprochen, dass in den kommenden Wochen mit Literpreisen von 1,75 € bei Benzin zu rechnen sei und einige Experten erwarten im zweiten Halbjahr Preise knapp unterhalb von 2,-- €. Auch dann ist die Frage, ob es vorübergehende Spitzen sind oder ob auf Dauer mit diesem Level gerechnet werden muss. Die Lebenshaltungskosten werden in jedem Fall spürbar weiter steigen. In Deutschland gibt es aus unterschiedlichen historischen Gründen aber auch ein sehr starkes Misstrauen der Bevölkerung in die Eliten (Manager und Politiker haben das schlechteste Image aller Berufsgruppen), d.h. den Eliten wird nicht zugetraut, dass sie eine gute Zukunft ermöglichen können oder wollen. Da niemand Vertrauen in die Zukunft hat, wirken sich Entwicklungen wie der unkontrollierte Preisauftrieb sofort auf das Konsumklima aus. Wenn man an die Zeit vor drei oder vier Jahren denkt, als die Stimmung über mehrere Jahre auf dem Nullpunkt verharrte wegen der Arbeitslosigkeit und der Angst vor der unpopulären "Agenda 2010" - hier herrschte jahrelang eine starke Konsumzurückhaltung mit allen binnenwirtschaftlichen Folgen ("Geiz ist geil"), die wiederum die Arbeitsplatzverlagerung in Billiglohnländer und im Übrigen auch die LCC-Fliegerei gegenüber den traditionellen Linien- und Chartergesellschaften begünstigte. Erst die Abwahl der Schröder-Regierung 2005 und das relativ kluge Agieren von Frau Merkel (nur noch verbales Festhalten an der "Reformpolitik", aber faktisch keine weiteren Einschnitte mehr, MWSt-Erhöhung mit Zeitverzögerung statt neuer Sparmaßnahmen) hat diese Angstblockade gelockert und das Anspringen des Binnenkonsums ermöglicht. Nur deshalb hatten wir zweieinhalb Jahre lang eine günstige Dynamik. Wird jetzt durch Rezessionseinflüsse aus den USA und unkontrolliert steigende Lebenshaltungskosten wieder Pessimismus erzeugt, haben wir schnell die alte, angst- und misstrauensgetriebene Sparwut zurück.
HUEY Geschrieben 6. Juli 2008 Melden Geschrieben 6. Juli 2008 Ohne jetzt all die Romane gelesen zu haben möchte ich nur eines zum Thema Bahn anmerken. Dank der Privatisierungsbemühungen und dem Wirken eines Herrn Mehdorn, wäre dieser Verkehrsträger heute gar nicht mehr in der Lage, massig Abwanderung von der Strasse auf die Schiene zu übernehmen. Die Fernzüge konnten zwar in der Vergangenheit schön von 12 auf 8 Waggons zusammengestrichen werden, jedoch weniger schnell wieder aufgestockt werden. Denn das rollende Material läuft ohne Ersatzbeschaffung heute größtenteils in Osteuropa. Von der Fahrplanausdünnung ganz zu schweigen. Man hätte Mitte der 90 Jahre sich durch entsprechnde Preisgestalltung daran machen müßen, die Kunden auf die Schienen zu bekommen, stattdessen hat man Raubbau betrieben. Und verkauft heute die noch vorhandenen Leistungen zu sehr marktfernen Normalpreisen. Wenn man mal die "befristeten" Sonderaktionen außen vor lässt.
STN-EBJ Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Ohne jetzt all die Romane gelesen zu haben möchte ich nur eines zum Thema Bahn anmerken. Dank der Privatisierungsbemühungen und dem Wirken eines Herrn Mehdorn, wäre dieser Verkehrsträger heute gar nicht mehr in der Lage, massig Abwanderung von der Strasse auf die Schiene zu übernehmen. Die Fernzüge konnten zwar in der Vergangenheit schön von 12 auf 8 Waggons zusammengestrichen werden, jedoch weniger schnell wieder aufgestockt werden. Denn das rollende Material läuft ohne Ersatzbeschaffung heute größtenteils in Osteuropa. Von der Fahrplanausdünnung ganz zu schweigen. Man hätte Mitte der 90 Jahre sich durch entsprechnde Preisgestalltung daran machen müßen, die Kunden auf die Schienen zu bekommen, stattdessen hat man Raubbau betrieben. Und verkauft heute die noch vorhandenen Leistungen zu sehr marktfernen Normalpreisen. Wenn man mal die "befristeten" Sonderaktionen außen vor lässt. Sehe ich auch so. Deutschland hat ja (immer noch) eines der dichtesten Schienennetze der Welt. Dessen Erhalt ist teuer, keine Frage. Besonders natürlich, wenn man möglichst überall mit mindestens Tempo 200 fahren möchte. Mich erinnert das an den Rückbau der Straßenbahnen überall in (west)deutschen Landen. Hat man in der Regel einige Jahre später bereut. Mein (politisch nicht umsetzbarer) Vorschlag wäre: Massiver Aufbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs zu Lande und zu Wasser. Radikale Subventionierung durch die öffentliche Hand. Preise mit Symbolcharakter. Wo immer es geht, unter Einsatz energiesparender Technik. Auf der anderen Seite dürfen die Straßen gerne flächendeckend mit einer "intelligenten" Maut belegt werden.
Widukind Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Mein (politisch nicht umsetzbarer) Vorschlag wäre: Massiver Aufbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs zu Lande und zu Wasser. Radikale Subventionierung durch die öffentliche Hand. Preise mit Symbolcharakter. Wo immer es geht, unter Einsatz energiesparender Technik. Warum können die Deutschen es dem Einzelnen nicht erlauben, sein Mobilitätsverhalten selbst zu bestimmen und dabei die finanziellen Konsequenzen selbst zu tragen? Warum muß in Deutschland immer alles staatlich vorgeschrieben und die Menschen vor den Konsequenzen ihrer Entscheidungen geschützt werden? Wann begreift dieses Volk, worüber sich Ökonomen seit 100 Jahren einig sind, nämlich, daß Planwirtschaft arm macht? Nicht, daß ich noch Hoffnung auf eine Antwort hätte. Aber ich kann diesen unerklärlichen bösartigen Wahnsinn doch nicht unwidersprochen lassen. :(
flysurfer Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Warum können die Deutschen es dem Einzelnen nicht erlauben, sein Mobilitätsverhalten selbst zu bestimmen und dabei die finanziellen Konsequenzen selbst zu tragen? Warum muß in Deutschland immer alles staatlich vorgeschrieben und die Menschen vor den Konsequenzen ihrer Entscheidungen geschützt werden? Wann begreift dieses Volk, worüber sich Ökonomen seit 100 Jahren einig sind, nämlich, daß Planwirtschaft arm macht? Nicht, daß ich noch Hoffnung auf eine Antwort hätte. Aber ich kann diesen unerklärlichen bösartigen Wahnsinn doch nicht unwidersprochen lassen. :( Noch darf man dieses unselige Land ja zum Glück freiwillig verlassen, eine Option, von der ich immer wieder gern Gebrauch mache.
justin.case Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Ein derartig arroganter Ökologismus ("endlich können sich die Proletarier weniger Flugreisen und kein Auto mehr leisten") ist unter deutschen Intellektuellen leider durchaus salonfähig. Meist wird diese Ideologie zwar etwas gesoftet formuliert, aber sie schwingt gegenwärtig in vielen Pressekommentaren und Artikeln mit. Häufig kommt das von Leuten, die glauben, selbst hoch und trocken zu sitzen und sich bis vor kurzem noch im Erfinden immer neuer Passagier- und Energiesteuern geübt haben. Genau das ist der Punkt. Wie wäre es mit einer Blacklist für Hartz-4-Empfänger? Oder ein generelles Flugverbot für Leute, deren monatliches Einkommen unter 3.000 Euro netto liegt? Es ist doch allzu offensichtlich, dass hier mit aller Macht Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufgehetzt werden. Man treibt einen Keil zwischen die, die schon "unten" sind (oder sich langsam, aber sicher auf dem Weg dorthin befinden) und denen, die noch ein bisschen was haben - oder zumindest noch eine Weile den Anschein aufrecht erhalten können, es sei "alles in Ordnung". Das Ergebnis kann man an Kommentaren wie dem von SwissA34 sehen: Jene, die sich (aus welchen Gründen auch immer) im Moment noch sicher und privilegiert fühlen, dreschen auf die vermeintlich Schwächeren ein und sprechen ihnen freiheitliche Grundrechte ab. Wozu muss die Putzfrau nach Malle fliegen? Soll doch mit der Bahn nach Polen fahren, wo sie hingehört! Es wird einfach behauptet, dass "Idioten" künftig kein Anrecht mehr auf Billigtickets haben. Das Problem ist nur: Wer entscheidet, wer Flugreisen untenehmen darf, und wer nicht? Leute wie SwissA34? Schäuble? Die Agentur für Arbeit? Ich weiss nicht recht... Von diesem Punkt an ist es nicht mehr weit zu jenen Umständen, an die wir in Deutschland nicht gern erinnert werden. Aber solange die Braven und Gutverdienenden durch populistische Propaganda und gelegentliche, kleine Belohnungen bei der Stange gehalten werden, wird sich nichts ändern. Es ist auch gar nicht so einfach, den zahlreichen Einladungen zum kollektiven Bashing vermeintlich schwächerer Bevölkerungsgruppen zu widerstehen. Ich selbst kann mich glücklich schätzen, noch immer zu denen zu gehören, die sich im Trockenen fühlen - deshalb stimme ich aber noch lange nicht in den zunehmend vorherrschenden Kanon ein. Und ich finde es ziemlich erschreckend, wie unreflektiert viele - ansonsten durchaus sympathische und intelligente Menschen - in diese billige Falle tappen.
TXLjonas Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Warum können die Deutschen es dem Einzelnen nicht erlauben, sein Mobilitätsverhalten selbst zu bestimmen und dabei die finanziellen Konsequenzen selbst zu tragen? Warum können manche nicht zwischen Einzelmeinungen und der realen Meinungsvielfalt unterscheiden? Warum müssen sofort Begriffe in die Runde geworfen werden, die mit der Problemstellung nichts zu tun haben, aber wunderbar den andersdenkenden diskreditieren? Desweiteren: ein staatlich subventioniertes Angebot zwingt niemanden dazu, dieses Angebot zu nutzen. btw: Meine Meinung stimmt nicht mit der von STN-EBJ überein. Sorry fürs OT, aber der Thread geht eh schon in eine ganz andere Richtung.
STN-EBJ Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Mein (politisch nicht umsetzbarer) Vorschlag wäre: Massiver Aufbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs zu Lande und zu Wasser. Radikale Subventionierung durch die öffentliche Hand. Preise mit Symbolcharakter. Wo immer es geht, unter Einsatz energiesparender Technik. Warum können die Deutschen es dem Einzelnen nicht erlauben, sein Mobilitätsverhalten selbst zu bestimmen und dabei die finanziellen Konsequenzen selbst zu tragen? Warum muß in Deutschland immer alles staatlich vorgeschrieben und die Menschen vor den Konsequenzen ihrer Entscheidungen geschützt werden? Wann begreift dieses Volk, worüber sich Ökonomen seit 100 Jahren einig sind, nämlich, daß Planwirtschaft arm macht? Nicht, daß ich noch Hoffnung auf eine Antwort hätte. Aber ich kann diesen unerklärlichen bösartigen Wahnsinn doch nicht unwidersprochen lassen. :( Ich glaube nicht, dass du das Problem wirklich verstanden hast. Mir geht es darum, dass bei weiterem Anstieg der Energiekosten immer mehr Menschen über ihr "Mobilitätsverhalten" eben nicht mehr selbst bestimmen KÖNNEN. Ein Plädoyer für Planwirtschaft habe ich nicht gehalten. Nirgendwo steht geschrieben, dass in einer sozialen Marktwirtschaft zwingend ALLES dem Markt überlassen bleiben MUSS. Für den Bereich der Sicherheit und Ordnung ist das relativ unumstritten. Für den Bereich des Gesundheitswesens sehe zumindest ICH das nicht ein. Und auch der Bereich des Nah- und Fernverkehrs ist wohl kaum eine heilige Kuh. Letztlich ist es doch so, dass es auch ein Recht auf Reisen und Mobilität gibt. Um die Reisefreiheit zu beschneiden, muss man keine Mauern bauen.
flysurfer Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Das Problem ist nur: Wer entscheidet, wer Flugreisen untenehmen darf, und wer nicht? Leute wie SwissA34? Schäuble? Die Agentur für Arbeit? Ich weiss nicht recht... Normalerweise ein funktionierender Markt. Der funktioniert nur leider nicht, was man schon daran sieht, dass in einigen Ländern der Liter Super deutlich weniger als 10 Cent kostet und anderswo mehr als 160 Cent. Ein vernünftiger Staat würde die Mineralölsteuer als flexibles Hedging-Instrument nutzen, die Steuer bei massiven Preisschüben also automatisch reduzieren, sodass kein Inflationsschock entsteht und Zeit zur Anpassung bleibt. Umgekehrt würde die Steuer nach dem unausweichlichen Crash der charttechnischen Fahnenstange wieder erhöht. Also ein flexibler Puffer, der dramatische Preisschwanken glättet und damit zur gesamtwirtschaftlichen Stabilität beiträgt.
flysurfer Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Letztlich ist es doch so, dass es auch ein Recht auf Reisen und Mobilität gibt. Um die Reisefreiheit zu beschneiden, muss man keine Mauern bauen. Richtig, dieses Recht steht aber nur jenen zu, die es sich auch leisten können. Es gibt kein Recht auf kostenlose Beförderung. Einem vernünftigen Staat ist natürlich durchaus daran gelegen, eine gute Infrastruktur bereitzustellen, deren Nutzung auch bezahlbar ist, weil Mobilität gesamtwirtschaftlich wichtig ist. Da aber weder Steuersenkungen noch eine Wiedereinführung von Hilfen wie der Pendlerpauschale geplant sind, darf man wohl davon ausgehen, dass unser Staat arbeitslose Sozialfälle gegenüber mobilen Beschäftigten bevorzugt.
justin.case Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Das Problem der kommerziellen Luftfahrt ist nicht der steigende Ölpreis allein. Erst im Zusammenspiel mit weiteren negativen Indikatoren wird daraus ein Desaster. Ein seit Jahren schwindsüchtiger Dollarkurs, eine sich abzeichnende, lang anhaltende Rezession in den USA und eine globale Finanzkrise ergeben zusammen eine sehr gefährliche Mischung. Neulich war zu lesen, dass ein hochrangiger Manager von AF/KLM meinte, sie beschäftigten sich derzeit vorrangig "mit der Sorge, in ein oder zwei Jahren noch wirtschaftlich am Leben zu sein." Das war deutlich. Als Interessierter fragt man sich, wie es dann erst um andere Grössen in der Branche steht, AA zum Beispiel. Haben solche Unternehmen überhaupt noch eine Chance? Einsparpotentiale dürften nach Jahren der Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen nur noch durch Teilflottenstillegungen und Personalabbau zu realisieren sein (wie bereits begonnen), doch wo endet das? Chapter 11 kommt für die meisten U.S.-Airlines wohl nicht mehr in Frage - eher Chapter 7, oder?
Widukind Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Warum können manche nicht zwischen Einzelmeinungen und der realen Meinungsvielfalt unterscheiden? Zugegeben, das war unfair von mir, alle Deutschen über einen Kamm zu scheren. Aber Du musst doch zugeben, daß Meinungen von STN-EBJ in Deutschland sehr häufig vertreten werden. Daß der Staat die Eisenbahn (noch) stärker fördern, Auto- und Flugverkehr aber stärker belasten soll, ist doch inzwischen schon fast ein Gemeinplatz. Warum müssen sofort Begriffe in die Runde geworfen werden, die mit der Problemstellung nichts zu tun haben, aber wunderbar den andersdenkenden diskreditieren? Welche denn bitte? Falls Du "Planwirtschaft" meinen solltest, dahinter stehe ich voll und ganz, denn was STN-BEJ vorschlägt, ist geradezu ein Lehrbuchbeispiel dessen. Desweiteren: ein staatlich subventioniertes Angebot zwingt niemanden dazu, dieses Angebot zu nutzen. Indirekt schon, weil es alle dazu zwingt, dieses Angebot mit zu bezahlen. Ausgangspunkt dieses Strangs war die finanzielle Belastung der Verbraucher durch die steigenden Ölpreise. Nun wird vorgeschlagen, auf diese Belastung zu reagieren, indem man die Belastung noch weiter erhöht, nämlich durch Steuererhöhungen, um die radikale Subventionierung finanzieren zu können. Zweck des ganzen ist offensichtlich, die Verbraucher über den finanziellen Hebel am Autofahren und Fliegen zu hindern und sie so in die bodengebundenen öffentlichen Verkehrsmittel zu zwingen.
bueno vista Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Ein vernünftiger Staat würde die Mineralölsteuer als flexibles Hedging-Instrument nutzen ... ein flexibler Puffer, der dramatische Preisschwanken glättet. Glätten hieße dass du von einem in Zukunft wieder sinkenden Ölpreis ausgehst. Sonst ist es eher eine Minderung der Steigerung, aufhalten kann auch die Politik den Weltmarkt nicht. Solange sich damit prächtig verdienen lässt, wird sie einen Teufel tun um die Spritsteuer zu senken. Dumm nur, dass man den Euro nur einmal ausgeben kann.
SwissA34 Geschrieben 7. Juli 2008 Autor Melden Geschrieben 7. Juli 2008 justin.case hat folgendes geschrieben:: Das Problem ist nur: Wer entscheidet, wer Flugreisen untenehmen darf, und wer nicht? Leute wie SwissA34? Schäuble? Die Agentur für Arbeit? Ich weiss nicht recht... Jeder einzelne entscheidet, ob er Flugreisen unternehmen will. Ich bin gegen eine Planwirtschaft. Die Flugpreise werden sich gerade in der kapitalistischen Welt selber regulieren. (Was ja immer alle Neo-Liberalisten wollen, nur so am Rande) Die Preise werden sich einfach nach oben anpassen, ob man will oder nicht. Entweder man stellt sich darauf ein und probiert Lösungen oder Strategien dagegen zu entwickeln, oder man lästert über andere Forumsteilnehmer, den Staat oder sonstwen. Nur weil man die Realität noch nicht ganz begriffen hat. Aber ich sehe: Dieses Thema trifft einen spannenden Punkt... Gruss Fabian
flysurfer Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Glätten hieße dass du von einem in Zukunft wieder sinkenden Ölpreis ausgehst. Natürlich, auf jede Fahnenstange folgt eine Konsolidierung. Das Glätten der Kurve ist sinnvoll, um den Marktteilnehmern Zeit zu geben, sich an die Gegebenheiten anzupassen. Nicht der absolute Preis ist das Problem, sondern der Schock. Schocks führen zu Crashs und Krisen, oft in Form von unaufhaltsamen, weltweiten Kettenreaktionen. Diese Überreaktionen gilt es abzufedern.
flysurfer Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Dumm nur, dass man den Euro nur einmal ausgeben kann. Das stimmt ja nicht. Wenn das so wäre, hätten wir ja keine Rezession. Diese kommt ja insbesondere daher, dass jeder Euro mehrmals ausgegeben wurde. Stichwort Leverage.
brushpower Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Das stimmt ja nicht. Wenn das so wäre, hätten wir ja keine Rezession. Diese kommt ja insbesondere daher, dass jeder Euro mehrmals ausgegeben wurde. Stichwort Leverage. Das führ' doch bitte mal genauer aus, mir ist grad nicht so wirklich ersichtlich, was der Leverage-Effekt damit nun genau zu tun hat...
Mamluk Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Bei der AUA hat man bis Ende des Jahres geheged- viel zu Spät und zu Hoch !!
DM-STA Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Konkrete Zahlen (gemeint als Einwurf, dies soll nicht von der Diskussion ablenken): Am 1. Juli kostete 1 bbl-Fass Erdöl in Amsterdam-Rotterdam-Antwerpen (ARA) mit gut 140 USD etwa soviel wie heute. Gleichzeitig kosteten 1 Liter Benzin 0,57 EUR, 1 Liter Diesel 0,67 EUR und 1 Liter Kerosin 0,70 EUR (alles ex ARA, natürlich). Für einen Economy-Flug über 1000km fallen also rund 21 EUR an Treibstoffkosten an. Gleichzeitig kostet Benzin an westeuropäischen Zapfsäulen umgerechnet knapp 400 USD pro bbl-Fass.
flysurfer Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Das führ' doch bitte mal genauer aus, mir ist grad nicht so wirklich ersichtlich, was der Leverage-Effekt damit nun genau zu tun hat... Wenn man mit Geld spekuliert (sei es am Terminmarkt, an der Börse oder beim Kauf von Immobilien), das einem nicht gehört, und die Spekulation dann nicht aufgeht, führt das nicht nur zu einfachen Verlusten, sondern auch zu Vertrauenskrisen, Risikoprämien und entsprechenden Kaskadeneffekten, die auch jene betreffen, die überhaupt nicht spekuliert haben, sondern seriös wirtschaften. Es hat dann eben nicht nur der ein Problem, der sich das Geld geliehen hat, sondern auch der, der es verliehen hat - und auch jeder, der in Zukunft Liquidität benötigt. Letztlich werden die durch den Schock initiierten Verluste dann über die gesamte Wirtschaft (privat und staatlich) sozialisiert. Die erwarteten Gewinne hätten die Spekulanten aber selbstverständlich selbst behalten.
brushpower Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Wenn man mit Geld spekuliert (sei es am Terminmarkt, an der Börse oder beim Kauf von Immobilien), das einem nicht gehört, und die Spekulation dann nicht aufgeht, führt das nicht nur zu einfachen Verlusten, sondern auch zu Vertrauenskrisen, Risikoprämien und entsprechenden Kaskadeneffekten, die auch jene betreffen, die überhaupt nicht spekuliert haben, sondern seriös wirtschaften. Es hat dann eben nicht nur der ein Problem, der sich das Geld geliehen hat, sondern auch der, der es verliehen hat - und auch jeder, der in Zukunft Liquidität benötigt. Letztlich werden die durch den Schock initiierten Verluste dann über die gesamte Wirtschaft (privat und staatlich) sozialisiert. Die erwarteten Gewinne hätten die Spekulanten aber selbstverständlich selbst behalten. Ok, Informationsasymmetrien sind nicht optimal und werden momentan in manchen Bereichen höher bepreist als früher (insofern ist zu vermuten, dass sie zuvor vielleicht einfach nur zu niedrig bepreist wurden). Aber ich würde das jetzt nicht als unmittelbare Ursache für eine mögliche Rezession in den USA (oder meinst du hier?) ansehen, sondern vielmehr als eine Folge einer verfehlten Geldpolitik. Das mit dem "seriös wirtschaften" finde ich interessant, gehe aber mal nicht davon aus, dass du jedes Unternehmen, das teilweise fremdkapitalfinanziert ist als unseriös bezeichnen willst. Die Sozialisierung der Verluste durch die Gesellschaft würde ich so auch nicht unterschreiben. Mir jedenfalls ist nicht bekannt, dass die Inhaber von Bankaktien für ihre in Folge der Abschreibungen eingetretenen Wertverluste durch die Gesellschaft kompensiert wurden. Hatte in diesem Threat nicht schon wer etwas über "Rollende Blasen" geschrieben?
flysurfer Geschrieben 7. Juli 2008 Melden Geschrieben 7. Juli 2008 Mir jedenfalls ist nicht bekannt, dass die Inhaber von Bankaktien für ihre in Folge der Abschreibungen eingetretenen Wertverluste durch die Gesellschaft kompensiert wurden. Mir schon. Denn die Leute mit den Bankaktien haben nun viel Geld verloren, müssen sparen oder gar Dinge notverkaufen und stellen deshalb Anschaffungen zurück. Auto, Urlaub, Renovierung - nix is. Der Wirtschaft fehlen dann entsprechende Aufträge. Aufragseinbruch führt zu Entlassungen, Entlassungen führen zu weiteren Menschen, die Anschaffungen zurückstellen usw. Ist doch klar, dass das Platzen der Immobilienblase zu einem fetten Schock geführt hat. Und ironischerweise haben vor allem europäische Banken die miesen Kredite in den USA gekauft. Jetzt sind sie klamm und vergeben nur noch ungern Kredite. Ungünstig für jene Unternehmen, die gerade jetzt - wegen der Rezession - investieren oder überbrücken müssen und kein günstiges Geld mehr bekommen. Dominoeffekt. Dazu der steigende Ölpreis, die Inflation und die dadurch steigenden Zinsen. Perfect Storm. Das System neigt dazu, sich bei Schocks in eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale zu begeben. Dämpfung ist deshalb sehr sinnvoll.
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