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Ryanair


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Die Diskussion ist müßig. Der Privatautonomie - und damit auch der Wirksamkeit von AGB - sind gesetzliche Grenzen gezogen. Sie könenn gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen oder unangemessen sein und deshalb nichtig. Diese gesetzlichen Grenzen kann man blöd finden, deshalb verschwinden sie aber nicht.

 

Welche Privatmeinung Rechtsanwälte oder Juristen im Allgemeinen zur VO 261/04 haben, ist belanglos. Ein Richter entscheidet nicht nach persönlichem Rechtsempfinden, sondern nach dem Gesetz. Macht er das nicht, kann er sich der Rechtsbeugung strafbar machen. Ein Rechtsanwalt muss seine Mandanten nach Maßgabe des Gesetzes beraten, nicht nach dem, was er persönlich für richtig oder falsch hält. Macht er das nicht, verletzt er seine Pfichten und ihm droht ein Regressfall.

 

In diesem Thread ist nach der Rechtslage gefragt worden, nicht nach persönlichen Meinungen oder danach, ob die Welt ohne Passagierrechte eine bessere wäre. Wenn STN-EBJ auf die gestellte Frage eine Antwort gibt, hat er das Thema des Threads getroffen.

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Schön formuliert!

 

Kennst du auch den Unterschied zwischen Ryanair und Rechtsanwälten?

Ganz einfach, während bei Ryanair die Flugzeuge durch das Internet voller geworden sind, sind die Kanzleien der Anwälte durch Google leerer geworden.

 

Ob dabei die VO 261 für ausgleichende Gerechtigkeit sorgt, lassen wir jetzt mal dahin gestellt.

 

Bei dem Wort "Gerechtigkeit" fällt mir aber noch ein pensionierter Richter ein, mit dem ich vor ziemlich genau 30 Jahren öfters an der Bar eines Urlaubhotels saß und der zu später Stunde immer grölte: "Keiner hat Anspruch auf Gerechtigkeit, nur auf einen Rechtsspruch", womit ihm ja auch nicht zu widersprechen war.

 

Allerdings hatte der gute Mann mir damals noch was anderes erklärt: Und zwar wie sich der Zeitgeist auf die Rechtsprechung bei unveränderter Rechtslage auswirkt. Die von ihm damals angeführten Beispiele waren schlichweg so erschreckend, dass sie mich bis heute prägen. Dabei ging es nicht etwa um Urteile in den 40er Jahren, sondern um Urteile in den 70ern und frühen 80er Jahre, die er miteinander verglich. Interessant wäre für den Mann bestimmt die heutige Rechtsprechung zu sehen.

 

Soweit zu den von dir angeführten Thesen wie Rechtsbeugung und wonach ein Richter urteilt.

Und ja - das Thema des Threads war getroffen - Gute Nacht!

 

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>>>sind die Kanzleien der Anwälte durch Google leerer geworden.

 

Das ist nicht der Fall.

 

In der Tat fuehrt die Eigeninformation im Internet dazu, dass der eine oder andere prospektive Mandant zunaechst selbstaendig versucht, das "Recht in die Hand zu nehmen". Oft wird dabei aber so viel falsch gemacht, dass es anschliessend noch viel "noetiger" ist (so es einen Komparativ von "noetig" gibt"), anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

 

Gleichzeitig fuehren die internetinduzierte Transparenz sowie die allgemein gestiegene Muendigkeit der Verbraucher dazu, dass man weniger geneigt ist, scheinbar uebermaechtigen Vertragspartnern ihre Maetzchen (lies: Rechtbrueche) durchgehen zu lassen.

 

Wenn die Kanzleien leerer geworden sind, liegt das nicht am gesunkenen Mandatsaufkommen (= Zaehler), sondern an der gestiegenen Zahl derer, auf die sich diese Mandate veteilen (= Nenner).

 

 

Im uebrigen ist 261/04 in vielen Teilen keine Neuerfindung des Rades, sondern "nur" eine Buendelung und Klarstellung bereits bestehender Regelungen aus allgemeinem Schuld-, Lufttransport-, Verbraucherschutz- und AGB-Recht. Der BGH hat z.B. die AGB-Klauseln der LH, laut derer saemtliche Flugzeiten nur unverbindlich seien, bereits 1983 kassiert.

 

>>>Und zwar wie sich der Zeitgeist auf die Rechtsprechung bei unveränderter Rechtslage auswirkt. Die von ihm damals angeführten Beispiele waren schlichweg so erschreckend, dass sie mich bis heute prägen.

 

Ohne die Beispiele zu kennen, stochere ich natuerlich ein bisschen im Nebel, aber angesichts der Umstaende, in denen die Aussage gemacht wurde, ist sie doch wohl nicht nur cum grano salis, sondern eher mit einem ganzen Sack Salz zu sehen.

 

That said unterliegen Recht und Rechtsprechung selbstverstaendlich Entwicklungen, die auch gesamtgesellschaftlich beeinflusst werden. Das ist aber auch die Staerke unseres Systems der gleichbleibenden abstrakten Normen, unter die staendig neue Sachverhalte subsumiert werden. Wir arbeiten an der Stelle teilweise mit jahrtausendealten Grundsaetzen des Roemischen Rechts, die natuerlich in ihrer Auslegung nicht komplett statisch sein koennen.

 

Die wird insbesondere virulent bei Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen. Nehmen wir als besonders plakatives Beispiel doch einmal die Sittenwidrigkeit, den "Verstoss gegen die guten Sitten". Das musste das Reichsgericht bereits ein Jahr nach Inkrafttreten des BGB mit Leben fuellen - und schuf die bis heute gueltige Formel vom "Anstandsgefuehl aller billig und gerecht Denkenden". Und dass ein billig und gerecht Denkender heute anders als vor 110 Jahren denkt, und damit das Recht auch "anders" ist als damals, liegt auf der Hand.

 

Im Case Law ist es anders, da wird jeder Fall als Einzelfall entschieden, und man muss sich um "zeitgeistige Anpassungen" keine Gedanken mehr machen, weil er abgeschlossen ist.

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Auf das was Juristen selber über die 261 denken kommt es letztlich auch nicht an, wohl eher auf das was hier beworben wird. Oder kannst du dir vorstellen, dass ein Anwalt der die Vertretung der Pax-Interessen gegenüber den Airlines hier bewirbt, gleichzeitig öffentlich seine private Meinung dazu äußert?

 

Solltest du mich damit meinen, können wir gerne über das "hier werben" als auch über meine "PRIVATE Meinung" diskutieren. Ich fürchte allerdings, dass das für den Rest der User wenig spannend ist... :mellow:

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That said unterliegen Recht und Rechtsprechung selbstverstaendlich Entwicklungen, die auch gesamtgesellschaftlich beeinflusst werden. Das ist aber auch die Staerke unseres Systems der gleichbleibenden abstrakten Normen, unter die staendig neue Sachverhalte subsumiert werden. Wir arbeiten an der Stelle teilweise mit jahrtausendealten Grundsaetzen des Roemischen Rechts, die natuerlich in ihrer Auslegung nicht komplett statisch sein koennen.

Gedanken mehr machen, weil er abgeschlossen ist.

 

Sicher hatte ich mich mißverständlich ausgedrückt. Es ging nicht drum wie die Rechtsprechung sich im Laufe der Zeit verändert, sondern um jeweils aktuell unterschiedliche Rechtssprechung (Rechtsbeugung?), beeinflusst durch Zeitgeist, Politik und öffentliche Meinung. Dabei ging es dem Richter damals nur um die rein dt. Rechtssprechung der 70er Jahre anhand von Beispielen, die hier den Rahmen sprengen würden.

 

Zitat:

...

Soweit die Theorie. In der Praxis wird gleichwohl kaum was zu machen sein, da kein Deutschland-Bezug besteht und FR mithin wohl nicht vor einem deutschen Gericht in Anspruch genommen werden kann. Und freiwillig...

 

Dann frage ich mich natürlich, in wie weit das europ. Recht in den einzelnen Nationalstaaten "gebeugt" wird und sich die deutsche BGH-Auslegung der EUVO mit der Gerichtsbarkeit anderer Nationalstaaten überhaupt deckt?

 

 

Welche Privatmeinung Rechtsanwälte oder Juristen im Allgemeinen zur VO 261/04 haben, ist belanglos. Ein Richter entscheidet nicht nach persönlichem Rechtsempfinden, sondern nach dem Gesetz. Macht er das nicht, kann er sich der Rechtsbeugung strafbar machen.

 

Wenn das tatsächlich stimmt das Richter nur nach (EU) Gesetz entscheiden, stellt sich die Frage nach unterschiedlicher nationaler Auslegung der EUVO ja gar nicht und die Betroffenen könnten bedenkenlos vor einem ital. Gericht klagen.

 

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Ganz einfach, während bei Ryanair die Flugzeuge durch das Internet voller geworden sind, sind die Kanzleien der Anwälte durch Google leerer geworden.

 

Das wäre überraschend, denn Ryanair ist eine der Airlines, die sich erst dann bequemen, wenn der mündige, internetgestählte Verbraucher einen Rechtsanwalt auf die Airline hetzt. Wobei die Gewinnung soliden Halbwissens durch Laien für Rechtsanwälte durchaus nicht schädlich ist, hält es doch Leute aus den Kanzleien fern, die "nur mal eine Frage" haben und denen der Rechtsanwalt dann - dank Verbraucherschutzregelungen des Gesetzgebers - nur eine ungeliebte Erstberatungsgebühr in Rechnung stellen kann.

 

 

Wenn das tatsächlich stimmt das Richter nur nach (EU) Gesetz entscheiden, stellt sich die Frage nach unterschiedlicher nationaler Auslegung der EUVO ja gar nicht und die Betroffenen könnten bedenkenlos vor einem ital. Gericht klagen.

 

Richtig erkannt. Eine EU-Verordnung ist in den Mitgliedsstaaten unmittelbar geltendes Recht. Das Problem ihrer Auslegung ist kein anderes als bei jeder anderen Norm. So wie das AG Bunsenbüttel und das AG Kleinkleckersdorf ein Tatbestandsmerkmal des § 1234 BGB unterschiedlich auslegen können, bis der BGH als letztinstanzliches Gericht klargestellt hat, wo der Hammer hängt, ist auch denkbar, dass das Amtsgericht Düsseldorf und der Giudice di Pace di Civitavecchia die EU VO unterschiedlich auslegen. Da klärt dann letztinstanzlich der EuGH, wo der Hammer hängt. Das kann sogar schneller gehen als bei der Auslegung nationalen Rechts, denn genau an das Problem hat der europäische Gesetzgeber schon vor langer Zeit gedacht - Stichwort Vorabentscheidungsverfahren:

 

http://dejure.org/gesetze/AEUV/267.html

 

Zur Beseitigung diverser sonstiger juristischer Missverständnisse empfehle ich die Lektüre eines Klassikers der Rechtswissenschaft. Hier insbesondere die Abschnitte zu den Auslegungscanones, derer sich Juristen bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen.

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Dann freut sich der Fragesteller jetzt bestimmt, wenn Du kein Hindernis siehst vor einem ital. Gericht gegen Ryanair zu klagen. Die rechtl. Situation wurde ja bereits gestern von STN-EBJ zu Gunsten der Betroffenen festgestellt.

 

Super!

 

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